Ägypten erstickt seine Zivilgesellschaft
Ein Anruf genügte, um alle Aktivitäten der Friedrich-Naumann-Stiftung zu stoppen. "Uns wurde vom ägyptischen Außenministerium mitgeteilt, dass unsere momentane Rechtsgrundlage nicht ausreichend ist und wir uns neu registrieren müssen", sagt René Klaff, Leiter des Kairoer Büros der FDP-nahen Stiftung. In der Praxis heißt das, dass jegliche Veranstaltung innerhalb Ägyptens verboten ist, bis eine Registrierung auf Grundlage des NGO-Gesetzes erfolgt.
Der Naumann-Stiftung geht es damit wie allen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Ägypten. Das Ministerium für soziale Angelegenheiten hatte eine Frist gesetzt: Bis zum 10. November sollten sich alle Nichtregierungsorganisationen neu registrieren - ansonsten drohe die Schließung. "Wir sind aber keine NGO", zeigt sich Klaff überrascht. "Wir sind eine deutsche politische Stiftung. Und wir sind bisher davon ausgegangen, dass die NGO-Gesetzgebung für ägyptische NGOs gilt, nicht für uns."
Gesetzesregen soll öffentlichen Raum schließen
Die Registrierungspflicht ist Teil einer Kampagne gegen die ägyptische Zivilgesellschaft. In den vergangenen Monaten hat Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine Art Gesetzesflut erlassen, um die Zivilgesellschaft unter Druck zu setzen. Unter anderem wurde das Strafrecht verschärft. Demnach kann es in Zukunft für Organisationen strafbar sein, Geld aus dem Ausland zu erhalten, wenn damit die Interessen des ägyptischen Staates verletzt werden.
"Die Frage ist nun, wie der Staat das 'Verletzen der ägyptischen Interessen' interpretiert, und ob wir bereit sind, die nächsten 15 Jahre hinter Gittern zu verbringen", sagt Gasser Abdel Razek von der "Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte", kurz EIPR.
Die Menschenrechtsorganisation hatte die Regierung und Aktionen von Polizei und Militär in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert, wie etwa die Räumung des Muslimbrüder-Protestcamps auf dem Rabia-Platz im August vergangenen Jahres. Dabei waren innerhalb weniger Stunden etwa 1.000 Menschen ums Leben gekommen.
EIPR arbeitet seit 2002 in Kairo, doch nun scheinen ihre Tage gezählt. Ein Großteil der 76 Mitarbeiter, meist Juristen, wird sich ab Februar einen neuen Job suchen müssen. Die Hürden, die der Staat im Moment aufbaue, seien zu hoch, heißt es. Es sei einfach zu gefährlich, Gelder aus dem Ausland anzunehmen. Und ohne die kann EIPR seine Leute nicht bezahlen. Deswegen sei man nun gezwungen, sich erst einmal unter dem neuen NGO-Gesetz zu registrieren und dann zu schauen, ob und wie man weiterarbeite.
Zuständige Ministerin bittet um Verständnis
Das Management von EIPR will unter allen Umständen vermeiden, dass noch mehr Mitarbeiter dasselbe Schicksal ereilt, wie die junge Menschenrechtsanwältin Yara Sallam. "Am 28. Dezember wird ihr Fall wieder verhandelt. An diesem Tag wird sie sechs Monate und eine Woche im Gefängnis sein", sagt Abdel Razek.
Sallam hat drei Jahre Haft bekommen, weil sie gegen das sogenannte Demonstrationsgesetz verstoßen habe. Es stammt vom November 2013 und schreibt vor, dass Demonstrationen vorher vom Innenministerium genehmigt werden müssen. Auch diese Vorschrift sei Teil der Regierungsstrategie, die lebhafte öffentliche Debatte, die es nach der Revolution 2011 gegeben hat, zu ersticken, meint Abdel Razek.
Im zuständigen Ministerium für soziale Angelegenheiten versteht man die ganze Aufregung nicht. Ministerin Ghada Wali bat die Vertreter der Zivilgesellschaft in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters darum, geduldig zu sein. Die harsche Kritik am neuen NGO-Gesetz nannte sie "unreif" und eine "Vorverurteilung".
Es gehe lediglich darum, einen Überblick über die agierenden Organisationen im Land zu bekommen. Auf einer Pressekonferenz Anfang Dezember gab eine Vertreterin des Ministeriums dann bekannt, dass es bis Ende des Jahres eine Datenbank geben werde mit allen 45.000 NGOs, die sich registriert haben. Im gleichen Atemzug hieß es, dass etwa sieben Prozent der NGOs geschlossen werden. Gründe nannte das Ministerium nicht.
Im Fall der Friedrich-Naumann-Stiftung solle es nicht so weit kommen, habe das Außenministerium versichert. "Wir sind eine hochgeschätzte Institution, deren Ziele und Werte von der ägyptischen Regierung geteilt werden, wurde uns gesagt. Es gehe also nicht darum, unsere Arbeit hier zu beenden", sagt Projekt-Leiter Klaff. Im Gegenteil: Die Stiftung solle nur ihren rechtlichen Status klären, damit sie in Zukunft unbehelligt arbeiten könne in Ägypten. Klaff und seine Kollegen wollen in den kommenden Wochen nun klären, wie sie das anstellen.
Elisabeth Lehmann
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