EU kooperiert eng mit Mittelmeer-Staaten

Barcelona-Prozess heißt die Kooperation der EU mit ihren südlichen Nachbarn. Dieses Jahr findet das Treffen in Neapel statt. Flüchtlingsfragen und die Annäherung Libyens stehen im Mittelpunkt der Beratungen.

Muammar al-Ghaddafi, Foto: AP
Muammar al-Ghaddafi

​​Einmal im Jahr treffen sich die 15 Außenminister der Europäischen Union mit ihren 11 Kollegen aus Anrainer-Staaten des südlichen und östlichen Mittelmeers sowie einem Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde, um den so genannten Barcelona-Prozess voranzutreiben. Im spanischen Barcelona wurde 1995 die formale Partnerschaft zwischen Europäern und den Staaten am Süd- und Ostufer des Mittelmeers besiegelt.

Neue Rolle Libyens erwünscht

Libyen nimmt an den jährlichen Treffen mit der EU nur als stiller Beobachter teil. Nachdem die Vereinten Nationen die Sanktionen gegen Libyen aufgehoben haben und eine Regelung zur Entschädigung libyscher Terror-Opfer gefunden ist, will die EU die Beziehungen zu Libyen verstärken. Die USA sehen das skeptisch, denn sie halten ihre Sanktionen gegen den Staat von Muammar al-Ghaddafi weiter aufrecht.

Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen EU-Staaten und Libyen sind bereits recht eng. Libyen liefert rund die Hälfte des Ölbedarfs Italiens. Auch Deutschland kauft 13 Prozent seines Rohöls in dem nordafrikanischen Staat.

Vor allem Italien hat aber auch starkes Interesse an politischer Zusammenarbeit. Denn Tausende von Flüchtlingen aus Afrika gelangen an die Mittelmeerküste von Libyen, dessen Grenzen weitgehend offen sind. Von dort aus versuchen sie in einer gefährlichen Überfahrt die italienische Insel Lampedusa oder die Küsten von Sizilien und des Festlandes zu erreichen. Das beklagte kürzlich der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi.

Augenmerk auf arabische Staaten

Mit Algerien, Marokko und der Türkei versucht die EU seit Jahren ein Abkommen über die Rückführung von Flüchtlingen zu Stande zu bringen. Die betroffenen Länder haben daran nur wenig Interesse.

Mit Marokko, Tunesien, Israel, Jordanien und der Türkei hat die EU Assoziierungs-Abkommen geschlossen, die vor allem dem Abbau der teilweise hohen Zölle im Waren-Verkehr dienen. Mit Algerien und Ägypten sind die Verhandlungen abgeschlossen, die Abkommen sind aber noch nicht in Kraft. Die palästinensische Autonomiebehörde und der Libanon wenden vorläufige Verträge an. Schlusslicht ist Syrien: Mit Damaskus, klagen EU-Vertreter, gestalteten sich die Verhandlungen äußerst zäh und schwierig.

Geld für stabile Verhältnisse

Ziel der Assoziierungsabkommen ist es nach Angaben von Chris Patten, dem EU-Kommissar für Außenbeziehungen auch, den freien Handel der Mittelmeerstaaten untereinander zu fördern, was oft ein schwieriges Unterfangen ist. Die wirtschaftliche Entwicklung im Mittelmeerraum wird von der EU zwischen 2000 und 2006 mit mehr als fünf Milliarden Euro direkter Hilfen sowie mit Krediten in Höhe von mehr als sechs Milliarden Euro gefördert, die von der Europäischen Investitionsbank vergeben werden.

Als Gegenleistung für wirtschaftliche Förderung fordern die Europäer politische und ökonomische Reformen sowie Fortschritte bei Demokratisierung und Menschenrechten. Diese Fortschritte sind eher klein, das bestätigt auch eine Studie des UN-Programms für Entwicklung. Die Kriterien für eine funktionierende Demokratie erfüllen nur die Türkei und Israel.

Die Stabilisierung der Partnerstaaten und der Kampf gegen den internationalen Terrorismus seien für die EU weitere wichtige Ziele, sagt EU-Kommissar Patten. Die jüngsten Terror-Anschläge in der Türkei, in Tunesien und Marokko zeigten, dass eine intensive Zusammenarbeit notwendig ist. Die Sicherheitsinteressen der Mittelmeerländer berühren auch Europa. Insgesamt habe das Südufer des Mittelmeers eine enorme geostrategische Bedeutung, betont Patten. Ziel ist, die Partnerschaft mit dem Mittelmeerraum zu einer Anbindung an den europäischen Binnenmarkt mit freiem Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Informationen zu führen. "Alles ist möglich, nur keine reguläre Mitgliedschaft in der EU", so der Kommissar.

Nahost-Friede im Hinterkopf

Von der EU-Mittelmeerkonferenz erhoffen sich die Gastgeber in Neapel zumindest auch leichte Impulse für den Nahost-Friedensprozess. Schließlich ist diese Konferenz im Moment die einzige, bei der Israel, die palästinensische Autonomie-Behörde und die Nachbarländer Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten an einem Tisch sitzen. Die EU verweist gerne darauf, dass Israelis und Palästinenser, trotz Funkstille auf höchster politischer Ebene, im Rahmen des Barcelona-Prozesses im Sommer Abkommen über Energie- und Infrastruktur-Projekte ausgehandelt haben.

Für die südosteuropäischen Staaten Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro und Albanien, die ja ebenfalls Mittelmeer-Anrainer sind, hat die Europäische Union ein eigenes Stabilisierungs- und Assoziierungsprogramm aufgelegt. Slowenien, das auch ein kleines Stück Mittelmeerküste besitzt, wird im Mai 2004 Vollmitglied der Union.

Bernd Riegert

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2003