Erste türkischstämmige Staatsministerin

Die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz wird Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Zum ersten Mal gehört damit eine muslimische Frau mit türkischen Wurzeln einer Bundesregierung an. Von Michael Hartlep

Von Michael Hartlep

Die Interviewanfragen stapeln sich auf dem Schreibtisch, doch Aydan Özoğuz möchte noch warten. Erst nach ihrer offiziellen Vereidigung zur Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration will sie mit den Medien sprechen. Es wird eine kleine Premiere sein für die Bundesrepublik, denn mit Özoğuz nimmt zum ersten Mal eine Frau mit türkischem Hintergrund und eine Muslima am Kabinettstisch der Bundesregierung Platz.

So zeigte sich der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel auch "außerordentlich" froh über die Personalentscheidung, die am 15. Dezember im Willy-Brandt-Haus bekannt gegeben wurde. Ihre Benennung sei ein klares Signal für die Menschen in Deutschland, die selbst einen Migrationshintergrund haben. Özoğuz steht bei der Vorstellung im Willy-Brandt-Haus links neben Gabriel und freut sich ebenfalls.

Steile Karriere mit Migrationshintergrund

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und SPD-Minister der neuen Bundesregierung; Foto: Reuters
Ein Gewinn für die Große Koalition: Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz engagiert sich bereits seit langem im Bereich der Integrationspolitik. Von 2001 bis 2008 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, von 2004 bis 2008 zudem Mitglied des Integrationsbeirats in Hamburg. 2009 zog sie in den Bundestag ein und wurde Integrationsbeauftragte ihrer Fraktion.

Die 46 Jahre alte Politikerin kann auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. In Hamburg wurde sie als Kind türkischer Eltern geboren. Bildung, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Erfolg waren wichtige Werte in der Familie. Nach dem Abitur studierte Özoğuz Anglistik, Spanisch und Betriebswirtschaftslehre und ließ sich einbürgern. Als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft begann sie 2001 ihre politische Karriere. Ob in der Körberstiftung oder im Integrationsbeirat - von Anfang an war ihr Thema die Integration. Dem blieb sie auch treu, als sie 2009 in den Bundestag gewählt wurde und 2011 zur stellvertretenden Parteivorsitzenden aufstieg.

Ihre Ernennung zur Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration innerhalb der sogenannten Großen Koalition aus der konservativen CDU und der sozialdemokratischen SPD gilt trotzdem als Überraschung. Denn das Amt war die letzten Jahre in der Hand von CDU-Politikerin Maria Böhmer. Immer wieder hatte Özoğuz ihre Amtsvorgängerin scharf kritisiert. Sie sei zu zögerlich und zu wenig verbindlich in der Integrationspolitik. Özoğuz möchte jetzt "neue Akzente setzen".

Positive Reaktionen

Die Türkische Gemeinde in Deutschland begrüßte die Entscheidung, das Amt an eine Frau mit türkischen Wurzeln zu vergeben als "historisch". Der Vorsitzende des Verbandes, Kenan Kolat, sagte, Özoğuz sei sehr versiert, was das Thema Integration anbelangt. Die Gefahr sei allerdings, dass sie in ihrem neuen Amt das Bedürfnis haben könnte, sich von ihrer Herkunft zu distanzieren. Für die Zukunft empfahl Kolat deshalb, auch politische Posten in anderen Ressorts an Menschen mit Migrationshintergrund zu vergeben.

Zwei Flüchtlinge aus Afrika in einem Flüchtlingscamp am Berliner Oranienplatz; Foto: picture-alliance/dpa
Die neue Staatsministerin als neue Hoffnungsträgerin für Flüchtlinge in Deutschland? Der Vorsitzende von Pro Asyl, Günter Burkhardt, geht davon aus, dass sich Özoğuz stärker als ihre Amtsvorgängerin der Situation von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland widmen wird.

Auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl zeigte sich zufrieden und nannte die Entscheidung "klug". Es sei gut, sagte der Vorsitzende Günter Burkhardt, dass nun das Amt von einer Sozialdemokratin geführt werde, als Gegengewicht zum CDU-geführten Innenministerium. Er hoffe, dass sich Özoğuz stärker als ihre Amtsvorgängerin dem Zugang von Flüchtlingen nach Deutschland widme. Es fehle Rechtssicherheit für Asylsuchende, so Burkhardt. Diese Fragen habe die vorherige Regierung eher vernachlässigt. Özoğuz solle hier neue Impulse geben.

Wie viel Aydan Özoğuz tatsächlich ändern kann, ist fraglich. Denn das Amt des Staatsministers für Migration, Flüchtlinge und Integration ist an das Kanzleramt angegliedert und verfügt nicht über einen eigenen Unterbau. Die entsprechenden Fachabteilungen und Referate sind in Deutschland verteilt zwischen Arbeitsministerium, Innenministerium und anderen. Als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung kann Özoğuz also bestenfalls beraten und ihre Themen in der Öffentlichkeit vertreten. Eigene Gesetze einbringen - das geht nicht.

Michael Hartlep

© Deutsche Welle 2013

Redaktion: Andrea Lueg/DW & Arian Fariborz/Qantara.de