Hommage an den Vater
Dina Hamzas Film ist nicht nur eine Hommage an den Vater, sondern auch die Verarbeitung seines Todes. Der Film beginnt mit einer jungen Frau, die behutsam ihre Schuhe auszieht, barfuß auf einen Tisch steigt und sich von einem Balkon in den Tod schmeißt. Danach gesteht die Regisseurin einer Selbsthilfegruppe, dass sie davon träumte, wie sie sich das Leben nahm. Doch es geht mir gut, sagt sie und setzt ein resignierendes Lächeln auf, das über ihren Wehmutsstand nicht hinwegtäuschen kann.
Vorwiegend bleibt Dina im Hintergrund, und lässt ihre Zwillingsschwester Doaa, ihren schüchternen Bruder Mohammed und die Freunde ihres Vaters zu Worte gekommen. Ich bin auf der Suche nach meinem Vater, sagt sie, weil ich ihn vermisse und ihn nicht lediglich an seinem Grab besuchen will. Und so sucht sie die Orte auf, die sie mit ihm verbindet, wie das öffentliche Radiogebäude in Maspero, die verlassene Wohnung seines Freundes Halim. Ihre gemeinsamen Videoaufnahmen an Kindergeburtstagen kramt sie hervor, wo ihr Vater im Hintergrund lauerte. Er hatte immer dafür gesorgt, dass wir alles haben, und zog es vor in den Hintergrund zu treten, erinnert sich Dina.
Wie ein langsam in die Tiefe gleitender Fahrstuhl
Mittels Bilder, wie ein langsam in die Tiefe fahrender Holzfahrstuhl, der für die Vergangenheit steht, oder in allen Richtungen strudelnde Wasserwellen, die wohl für alles andere als auf eine geradlinige Existenz verweisen, schafft Dina einen wehmütigen Gemütszustand – eine Ambiente des Verlusts und der Leere.
Während sie in einer raren Aufnahme mit ihrer Zwillingsschwester in ihrer verlassenen Wohnung plaudert, erklärt die Schwester, dass sie nach dem Tod der Mutter beschlossen hatte eine eigene Familie zu gründen, da ihr gewahr wurde, dass ihr Vater sich auch einst von ihnen verabschieden würde. Während Dina zugibt, dass sie den Tod ihres Vaters nie in Erwägung gezogen hatte.
Was für ein besseres Medium könnte es für eine Filmemacherin geben als einen Film, um ihrem Vater ein Denkmal zu setzen. Immer wieder ertönen Lieder des Vaters, mit denen jeder Ägypter aufgewachsen ist, und jedes Mal vernimmt man ein Erstaunen aus den Reihen des Publikums, das all die Lieder aus der Feder Hamzas stammen. Lieder über die Liebe. Über den Krieg. Über den Verlust. Als Hamza einmal gefragt wurde, warum seine Lieder immer so traurig sind, erwiderte er lächelnd, dass die Araber nur allzu gerne trauern.
Persönliche Geschichten und historische Begebenheiten
Eine persönliche Geschichte wird somit mit der modernen Geschichte Ägyptens vermischt. Nicht nur den Krieg mit Israel hat er in seinen Liedern dokumentiert, sondern auch die Auswanderung der Ägypter in den Siebzigern, auf der Suche nach einem besseren Leben. Es sind traurige Lieder, die auf die zurückgelassenen Ehefrauen verweisen, die den Weggang ihrer Männer beklagen.
Selbst während der Revolution vom 25. Januar 2011, die nur wenige Monate nach seinem Tod ausbrach, wurde vor allem sein Lied Ya Habibty Ya Masr (Ägypten, meine Liebe) am Tahrir-Platz rauf und runter gespielt. Für Dina, die mit ihrer Schwester an der Revolution teilnahm, ein berührendes Erlebnis. Ihr Vater scheint mittels seiner Lieder überall im Film, wie auch im wahren Leben, präsent zu sein. Nur nicht für Dina, die vergeblich darum bemüht ist, Mosaikstücke der Erinnerungen, Lieder, Orte und Menschen zu einer Einheit zusammenzufügen, die ihren Vater darstellen soll.
Die Rückkehr der Zeit stellt den Versuch dar, dem Tod einen Platz im Leben einzuordnen. Wie eine Frau in Dinas Selbsthilfegruppe mitteilt, darf der Mensch nicht vor der Vergänglichkeit und dem Tod kapitulieren. So signalisiert der Film, dass Hamzas musikalisches Erbe dem kulturellen Gedächtnis Ägyptens lange anhaften wird, wie selbst Dinas rührender und sentimentaler Film dem Zuschauer behaglich unter die Haut geht.
Sherif Abdel Samad
© Goethe-Institut 2016