Wenn Krieg sich wie Krieg anfühlt
Wie fühlt sich Krieg an, wenn man über ihn berichten muss? Der Filmemacher Esteban Uyarra porträtiert in seinem Dokumentarfilm "War feels like war" Journalisten, die weder mit Helm und schutzsicherer Weste, noch mit Hilfe amerikanischer Militärs über den Krieg im Irak berichteten. Der Film erscheint in den nächsten Monaten bei der BBC.
Die Berichterstattung über den Irak-Krieg war das größte Medienereignis, das die Welt am Bildschirm je erlebt hat – mit mehr als 3.000 internationalen Reportern, die aus dem Kriegsgebiet berichteten. Zugleich warf der Waffengang am Golf seine Schatten auf den Journalismus: 14 Reporter kamen im Irak-Krieg ums Leben. Für fünf Todesfälle macht die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" die US-Armee verantwortlich.
Aus dem anderen Blickwinkel
Nach dem Irak-Krieg haben einige der "eingebetteten Journalisten" ("embedded journalists") ihre Erfahrungen in Buchform veröffentlicht, wurden in zahlreichen Talkshows herumgereicht, rückten selbst in den Mittelpunkt des Medieninteresses. In Deutschland waren es z. B. die Korrespondenten Stefan Kloß oder Ulrich Tilgner.
In diesem Krieg wurden neue "Experten" geboren, einige nahezu zu Helden stilisiert. Doch der Engländer Esteban Uyarra porträtiert in seinem neuen Film Medienarbeiter, die nicht im Schutz des US-amerikanischen Armee-Trosses unterwegs waren oder aus der sicheren Hotel-Lobby berichteten. Journalisten, die mehr oder minder auf sich allein gestellt waren, angewiesen auf die Kollegialität untereinander. Keine Minderheit, sondern eine Mehrheit, die so arbeiten musste.
Esteban Uyarra hat in seinem Dokumentarfilm "War feels like War" die Arbeit einiger von ihnen drei Monate lang begleitet. Mit einer einfachen Handkamera ausgerüstet und ganz auf sich allein gestellt, wollte der Filmemacher wissen, wie es ist, wenn man in den medialen Krieg zieht: "Ich wollte zunächst einen Film machen über ein Hotel in Krisengebieten, in dem Journalisten wohnen. Ich hatte die Idee dazu aus einem Buch eines spanischen Kriegsjournalisten. Ich wartete drei Jahre auf eine Möglichkeit. Die ergab sich dann mit dem Irakkonflikt. Doch das Problem war, dass die Einreise in den Irak verboten war. Also fuhr ich zunächst nach Kuwait City, weil mir jemand sagte, dass dort über 3.000 Journalisten auf den Einmarsch der Amerikaner in den Irak warteten", erzählt Uyarra.
Hungrige Journalisten in der Warteschleife
Und so beginnt auch die erste Szene der 60minütigen Dokumentation mit einem eingeblendeten Kommentar: "Kuwait City: Über 3.000 Journalisten sind hungrig". "Hungrig" nach Informationen, die nur spärlich in den ersten Kriegswochen, im März und April 2003, fließen. Die Journalisten sind nervös, die Spannung in der Hotelluft ist zum schneiden. Kommentarlos begleitet Uyarra das Leben der Journalisten, zeichnet deren Stimmung auf, verfolgt die gereizten Diskussionen mit den amerikanischen Militärverwaltern. Die sind offensichtlich nicht daran interessiert, die wartenden Journalisten mit Informationen zu versorgen.
Ein Reporter bringt seine Unmut auf den Punkt, als er einen amerikanischen Militärangehörigen anschreit: "Wir sollen eure Postverteilung filmen, aber nicht eure Bomben auf Bagdad!" –Irak im Frühjahr 2003: ein Tagebuch des Wartens. Dann die Wende: Die ersten Leuchtspuren der Bomben erreichen auch Kuwait City, Sirenen heulen, ein chaotisches Durcheinander von Kameraleuten, Fotografen, Journalisten im Schutzkeller des Hotels. Und spätestens jetzt will niemand mehr den Angriff der Amerikaner aus der Ferne verfolgen.
Unwirkliche Realitäten
Eigentlich wollte Uyarra eine Dokumentation filmen, "doch daraus wurde ungewollt ein Action-Film", so der Filmemacher, der seinen ungewöhnlichen Rückblick auf den Beginn des Irakkrieges kürzlich auf dem internationalen Dokumentarfilmfestival in Amsterdam vorführte. Als immer mehr Journalisten auf eigene Faust und illegal die Grenze nach Bagdad überqueren, heftet sich auch Uyarra an die Fersen seiner Kollegen.
Und seine Kamera zeigt deutlich die Gegensätze dieser "Medien-Mission": die Unsicherheit, aber auch das unbedingte Verlangen nach Bagdad zu kommen um endlich zu wissen was wirklich vor sich geht - obwohl keiner zu diesem Zeitpunkt weiß, was sie wirklich erwartet. Die Fahrt ins ungewisse ist nicht ungefährlich: Auf dem Weg nach Bagdad werden die Wagen in der Wüste von aufgeregten irakischen Kämpfern angehalten, nachts sind sie schutzlos Kampfgefechten ausgesetzt. Bei einigen Szenen endet die Einstellung der Kamera im Staub.
Jedesmal ist der Zuschauer ganz nah dran am Geschehen und betrachtet eine Realität, die so irreal erscheint. Für eigene Ängste blieb da kein Platz, schildert Uyarra: "Ich war sehr mit dem Film beschäftigt, denn ich wußte nie was kommen könnte. Ich filmte 15 Stunden lang und nachts schlief ich mit meiner Kamera."
Ausweitung der Kriegszone
Am 20. Kriegstag, dem 8. April 2003, passiert dann das, was viele Redaktionen gefürchtet haben. Eine US-Panzergranate schlägt im Bagdader Journalistenhotel "Palestine" ein und tötet zwei Korrespondenten. Zuvor war ein weiterer Reporter ebenfalls in Bagdad ums Leben gekommen.
Die Nachricht lässt auch die Kollegen der Journalisten nicht unberührt, die Stimmung ist auf den Tiefpunkt. Und einer sagt: "Ich bin nicht hier um zu sterben, sondern zu berichten". Uyarras Film zeigt auch die mentale Macht des Krieges: die persönlichen Veränderungen von Menschen wie der jungen Fotografin Stephanie, die zum ersten Mal in einem Kriegsgebiet arbeitet oder den erfahrenen polnischen Radiojournalisten Jacek.
Profitable Sensationslust oder Pflichtübung?
"Ich denke es gibt zweierlei Typen", sagt Uyarra, "Menschen wie Jacek und Stephanie, die lieber selbständig und eigenverantwortlich arbeiten. Sie glauben stark an das was sie tun. Und dann hat man die andere Seite, die großen Medienkonzerne und die amerikanischen Sender, die natürlich das Geld haben, ihre Reporter und Techniker mit Fahrer oder Übersetzer auszustatten."
Da stellt sich unmittelbar die Frage nach dem eigenen Vorteil: "Die meisten Journalisten, die ich getroffen habe, waren in Ordnung. Ich hatte großen Respekt vor dem was und wie sie es taten. Vor allem vor den Fotografen, denn die sind meistens völlig auf sich allein gestellt, ohne Schutz und sind immer mitten drin um die Bilder zu bekommen. Der Reporter hat wesentlich mehr Abstand."
Und der Respekt gilt vor allem Esteban Uyarra selbst, denn der junge Filmemacher hat mit "War feels like War" eine äußerst mutige Dokumentation über die Hintergründe des Medienszenarios im Irakkrieg geliefert. Die einzigen, die bereit waren, ihn dafür mit einer Versicherung ausstatteten, war die Organisation "Reporter ohne Grenzen".
Petra Tabeling, © Qantara.de 2004
"War feels like War", Direktor/Kamera: Esteban Uyarra. Schnitt: Brian Tagg. Koordination: Sarah Brownrigg. In Focus Production/Uyarra Films 2003
Mehr über Uyarras Film "War feels like War" finden Sie auf der Homepage des "International Documentary Festival Amsterdam"