Vom Kindersoldat zum Hip-Hop-Star
Emmanuel Jal ist ein schlaksiger junger Mann mit zerzausten Dreadlocks. Heute lebt er in London und Musik, sagt er, habe eigentlich immer zu seinem Leben gehört.
Nur manchmal, wenn dieses Leben zu hart war, dann habe er aufgehört zu singen. Das war in seiner Heimat, dem Sudan: "Bei uns gab es einen Krieg, in dem wir alleine kämpfen mussten. Es gab niemanden, der uns geholfen hat. Deshalb musste jeder mitmachen und das Land verteidigen", erinnert er sich.
1980 wurde Jal im südsudanesischen Tonj geboren. Sein Vater gehörte der sudanesischen Volksbefreiungsarmee an, die gegen die wirtschaftliche, politische, religiöse und soziale Dominanz des arabisch-muslimischen Nordens kämpfte. Wie viele andere Kinder in der Region hat er schon früh Gewalt und Brutalität erfahren:
"Meine eigenen Cousinen und meine Tante wurden vergewaltigt. Meine Mutter ist Opfer dieses Krieges, unsere Dörfer wurden zerstört, unser Haus ist abgebrannt", erinnert er sich. Nach dem Tod seiner Mutter - er war gerade sieben Jahre alt - wurde er in Äthiopien zum Kindersoldaten ausgebildet: "Weil wir im Kampf gegen den Feind helfen und unser Land schützen wollten", sagt er heute rückblickend.
Keine Perspektive
In seinem Film "War Child", der derzeit auf der Berlinale gezeigt wird, erzählt der Regisseur Christian Karim Chrobog die Geschichte des mittlerweile 28-Jährigen. Im Gegensatz zu ihm fristen heute noch rund 20.000 ehemalige sudanesische Kindersoldaten "ein zumeist tristes, perspektivloses Leben", so Chrobog: "Die einstigen Kinderkrieger im Südsudan sind nie richtig in die Gesellschaft integriert worden."
Zu Drehaufnahmen reiste er Anfang 2007 in den Sudan. Dort hatten die Rebellen im christlich-animistisch geprägten Süden 2004 ein Friedensvertrag mit der Zentralregierung des überwiegend muslimischen Sudan geschlossen. Schätzungen zufolge forderte der 20-jährige Bürgerkrieg zwei Millionen Tote, vier Millionen wurden vertrieben.
"Wir haben viele ehemalige Kindersoldaten gesehen, die dort nun herumlungern und dem Alkohol verfallen sind." Für die ehemaligen Kinderkrieger, die häufig Waisen sind, gebe es in Flüchtlingslagern "bei weitem nicht genug" Schulen. Nur mit mehr internationaler Hilfe werde sich die trostlose Lage bessern, glaubt er.
Der 30-jährige Regisseur ist Sohn des Ex-Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Jürgen Chrobog. Ursprünglich wollte er eine Serie über Hip-Hop drehen. Als er Emmanuel Jal traf, war ihm sofort klar: Dessen Leben liefert viel aufregendere Geschichten.
Musik als Waffe
Emmanuel Jal desertierte 1991 zusammen mit 400 anderen Kindern. Nur zwölf Kinder überlebten die Flucht. Später wurde er von einer Mitarbeiterin der Kinderhilfsorganisation "Street Kids" adoptiert. Er kam nach Nairobi und konnte eine Schule besuchen.
Trotzdem habe ihn der Gedanken an den Krieg nie los gelassen, berichtet er, zu groß sei der Hass gewesen, mit dem er aufgewachsen ist: "Ich wollte die Verbitterung meines Volkes rächen. Deshalb wollte ich so viele Araber oder Moslems wie möglich töten."
Der Film "War Child" erzählt, wie sich Emmanuel Jal zu dem Menschen veränderte, der er heute ist. Sein Wandel begann, als er die Musik als Waffe entdeckte: "Es hilft mir als Mensch. Mit persönlich geht es gut. Ich habe Frieden in meinem Herzen. Aber ich muss meine Erfahrungen nutzen, um den Kampf meines Volkes darzustellen", sagt er.
Seine Liedtexte drehen sich um den Bürgerkrieg im Sudan und fordern zu Frieden und Toleranz auf: "Mit Worten kann man Menschen dazu bringen, einander umzubringen. Oder einander zu vergeben."
Heute ist er Sprecher von "Stop the Use of Child Soldiers" und seit 2006 Botschafter der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam. Außerdem ist er mittlerweile ein weltweit bekannter Hip-Hop-Musiker, der unter anderem am Soundtrack zum Leonardo DiCaprio-Film "Blood Diamond" mitgearbeitet hat. Er singt auf Englisch, Arabisch, Suaheli und in zwei sudanesischen Sprachen.
Silke Bartlick
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
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