Plädoyer für Blasphemieparagraphen

In Frankreich benutzt die politische Rechte den Karikaturenstreit, um gegen das laizistische Selbstverständnis der Republik zu Felde zu ziehen. Einzelheiten von Bernhard Schmid aus Paris

Zeremonie am Pariser Eifelturm, Foto: AP
Der Karikaturenstreit kommt Frankreichs Rechten entgegen - zu gerne würden sie die strikte Trennung von Religion und Politik revidieren und einen Gotteslästerungsparagraphen einführen

​​Der politische Wirbel und die internationale Polemik um die Veröffentlichung der dänischen Karikaturen des Religionsgründers Mohammed haben sich gelegt.

Der italienische "Reformminister" Roberto Calderoli von der rechtsradikalen Lega Nord, der – unzweideutig aus Provokationslust und rassistischen Motiven – in der Öffentlichkeit ein T-Shirt mit der Abbildung Mohammeds als Terrorist mit Bombe im Turban trug, musste zurücktreten.

Spätfolgen des Karikaturenstreits

In Algerien kamen die beiden Presseverantwortlichen Berkane Bouderbala und Kamel Boussad, die vom Informationsministerium angeklagt worden waren, den islamischen Propheten verächtlich gemacht zu haben, am 16. März 2006 wieder frei.

Dabei hatten die Herausgeber der Wochenzeitschrift Al-Safir ("Der Botschafter"), der Zeitung Al-Risala ("Der Brief") in ihrer Beilage für Religionsfragen sowie die Zeitschrift 'Iqra' ("Lies!") die umstrittenen Karikaturen lediglich zu Informationszwecken für ihre Leserschaft nachdrucken lassen. Ihnen hätten drei bis fünf Jahre Haft gedroht.

Doch die Affäre könnte einige Spätfolgen zeitigen, namentlich in Frankreich. Dort hat sich allem Anschein nach ein Teil der Konservativen der Debatte bemächtigt. Ihnen geht es jedoch nicht oder nicht vorrangig darum, die mögliche Diffamierung Andersgläubiger in ihre Schranken zu weisen.

Ihr Motiv scheint es vielmehr zu sein, die Aufregung um die Karikaturen und den Ärger der Muslime zu nutzen, um einen lange gehegten Wunsch ihrerseits teilweise zu verwirklichen: Denn zu gerne würden sie die in Frankreich garantierte, strikte Trennung von Religion, Politik und Recht zum Teil rückgängig machen.

Rechtskonservative Gesetzesinitiativen

Am 28. Februar dieses Jahres machte ein konservativer Parlamentarier aus Südfrankreich, Jean-Marc Roubaud, den Anfang. Er brachte in der Pariser Nationalversammlung einen Gesetzesvorschlag ein, der darauf abzielt, "alle Äußerungen und Handlungen, die jedwede Religion beleidigen, zu verbieten".

Dabei kann Roubaud wahrlich nicht als Wortführer des Antirassismus gelten, der damit den muslimischen Einwanderern Respekt zollen wollte.

So gehörte er beispielsweise zu den letzten, geradezu fanatischen Verteidigern des "Gesetzes vom 23. Februar 2005". Dieser Gesetzestext wollte Lehrer und Wissenschaftler in Frankreich darauf verpflichten, "die positive Rolle der Kolonisierung in Übersee und insbesondere in Nordafrika" zu betonen.

Dies stieß in Algerien – das unter dem Kolonialismus besonders gelitten hatte –, aber auch in Frankreich selbst auf heftigen Widerspruch.

Letztendlich griff Präsident Chirac im vergangenen Januar ein und ließ den umstrittenen Artikel durch die Verfassungsrichter streichen, denn auch juristisch handelte es sich dabei um "Pfusch": Es ist nach der Verfassung nicht Aufgabe des Gesetzgebers, die Unterrichtsprogramme der Schulen vorzuschreiben.

Roubaud gefielt dieser "Rückwärtsgang" nicht. In seinem jetzt vorlegten Gesetzentwurf begründet der Abgeordnete: "Die jüngste Polemik um die Karikaturen wirft das Problem der Meinungs- und Pressefreiheit auf, die mit der Religions- und Gedankenfreiheit abzuwägen ist (...).

Die Freiheit der Meinungsäußerung gibt nicht das Recht dazu, die religiösen Gefühle irgendeiner Gruppe oder irgendeines Staates mit Füßen zu treten, zu verleumden oder zu desinformieren."

Ein Taliban in der Nationalversammlung

Es handelt daher sich um nichts anders, als um ein Plädoyer für die Wiedereinführung eines Gotteslästerungsparagraphen. Die Wochenzeitung 'Canard enchaîné' vom 15. März berichtete hierüber unter dem Titel "Ein Taliban in der Nationalversammlung".

Zwei Wochen später meldet die Zeitung einen neuen Gesetzesvorschlag. Er stammt von dem konservativen Abgeordneten des Pariser Vorstadt-Départements Seine-Saint Denis, Eric Raoult. Der Mann hatte in den 90er Jahren als "Integrationsminister" amtiert.

Er schlägt nunmehr vor, dass zukünftig auch "Zeichnungen" unter das Pressestrafrecht von 1881 fallen sollen, ein Strafrecht, das es erlaubt, Beleidigungen und "Diffamierungen" in Artikeln juristisch zu ahnden. Karikaturen fielen bisher nicht darunter.

Raoult behauptet, er entspreche mit dem Vorschlag lediglich dem Wunsch einer muslimischen Vereinigung in seinem Département.

Doch inzwischen hat sich der überwiegende Teil der muslimischen Organisationen in Frankreich von seinem Vorhaben distanziert, das der ehemalige Minister gar zu gern der muslimischen Minderheit in die Schuhe geschoben hätte.

Bernhard Schmid

© Qantara.de 2006

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