Malala Yousafzai: Ein öffentliches Mädchen
Der Titel ihrer Autobiografie lautet schlicht: "Ich bin Malala". Untertitel: "Das Mädchen, das die Taliban erschießen wollten, weil es für das Recht auf Bildung kämpft". Anfang Oktober 2013 erschien die Autobiografie der heute 17-jährigen Malala Yousafzai - genau ein Jahr, nachdem sie in ihrer Heimat Pakistan von den Taliban angegriffen und schwer verletzt wurde.
Rückblick: Am 9. Oktober 2012 ist Malala gemeinsam mit ihren Freundinnen auf dem Heimweg von der Schule. In ihrer Heimat, dem Swat-Tal im Nordwesten Pakistans, ist sie eine bekannte Person. Und den Taliban ein Dorn im Auge. Denn die Tochter eines Lehrers setzt sich offen dafür ein, dass - entgegen den Anordnungen der Taliban - auch Mädchen zur Schule gehen dürfen. Ihr Anliegen brachte sie bereits seit 2009 unter Pseudonym auch in einem Blog für die BBC vor. An jenem Dienstag stürmen Taliban den Schulbus, fragen: "Wer ist Malala?" und schießen ihr in den Kopf. Es sieht zunächst nicht gut aus. Malala wird notoperiert und nach Großbritannien ausgeflogen, wo sie sich innerhalb der nächsten Monate zurück ins Leben kämpft. Bis heute lebt sie dort zusammen mit ihrer Familie.
Aufgewacht als Ikone
"Gott sei Dank, ich bin nicht tot." Das seien ihre ersten Gedanken gewesen, als sie knapp eine Woche nach dem Attentat in einem Krankenhaus in Birmingham aus dem Koma wieder zu sich kam, schreibt Malala in ihrem Buch. Und weiter: "Ich hegte aber keine bösen Gedanken, wenn ich an den Mann dachte, der auf mich geschossen hatte. Ich wollte keine Rache."
Ihre Genesung wird von den internationalen Medien akribisch verfolgt. Ihr Schicksal macht Malala zur Ikone, zu einer Symbolfigur im Kampf gegen die Unterdrückung von Mädchen und Frauen. Und schnell wird auch klar, dass die Taliban ihr Ziel, das Mädchen zum Schweigen zu bringen, verfehlt haben. Malala meldet sich wieder zu Wort, unerschrocken - und auf weitaus größerer Bühne als je zuvor. Der neugegründete Malala Fund, eine Non-Profit-Organisation, unterstützt den Schulbesuch von pakistanischen Mädchen durch Finanzhilfen. Malala fasst ihr zentrales Anliegen in ihrer Autobiografie zusammen: "Ich möchte, dass jeder weiß: Ich will keine Hilfe für mich selbst. Ich wünsche nur, dass man meine Sache unterstützt: Frieden und Bildung."
An ihrem 16. Geburtstag im Juli 2013 spricht Malala vor der Jugendversammlung der UN in New York, erhält stehende Ovationen. Sie wird von der britischen Queen eingeladen. Für ihr ungebrochenes Engagement wird Malala im Westen gefeiert und mit Preisen ausgezeichnet. Sie bekommt unter anderem den internationalen Kinderfriedenspreis und wird von Amnesty International zur "Botschafterin des Gewissens" ernannt. Im November 2013 erhielt sie vom EU-Parlament in Straßburg den renommierten Sacharow-Preis für geistige Freiheit, auch EU-Menschenrechtspreis genannt.
Begeisterung - aber auch Ressentiments
"Es ist es fast so, als hätten wir alle den Preis bekommen", sagte damals die Sechstklässlerin Gul Panrha aus dem Swat-Tal als Reaktion auf die Sacharowpreis-Verleihung. Ähnlich sah es auch Fazal Khaliq, Lehrer an Malalas ehemaliger Schule. Er sei sehr stolz auf seine frühere Schülerin. "Durch das, was sie erlitten hat, hat sie Gutes für ihre Heimat getan. Früher war der Name Swat-Tal mit dem Begriff Terrorismus verbunden", erklärte er. Malala sei es zu verdanken, dass die Menschen überall auf der Welt jetzt wüssten, dass im Swat-Tal auch friedliche, bildungshungrige Menschen leben.
Doch Malala hat in Pakistan nicht nur Anhänger. Im Gegenteil. "Nach dem Attentat und ihrer Ausreise und besonders nach ihrer Rede vor den Vereinten Nationen gab es hierzulande eine regelrecht widerliche Kampagne gegen sie", erklärte Britta Petersen. Sie hatte als Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Islamabad beobachtet, wie unterschiedlich Malalas Engagement bei der pakistanischen Bevölkerung ankommt. Das Thema sei emotional sehr aufgeladen. "Malalas Vater wird vorgeworfen, seine Tochter zu instrumentalisieren. Er wird als Zuhälter beschimpft und sie als eine 'Hure des Westens'."
Große Zukunftspläne oder Wunschvorstellung?
Anlässlich der Buchveröffentlichung gab Malala Yousafzai der BBC ein Fernsehinterview. Darin rief sie zum Dialog mit den Taliban auf. Das sei "der beste Weg, um Probleme zu lösen und gegen den Krieg zu kämpfen". Außerdem äußerte sie den Wunsch, sobald wie möglich nach Pakistan zurückzukehren und in ihrer Heimat politisch aktiv zu werden. Britta Petersen hält dieses Vorhaben allerdings für unrealistisch. "Momentan sieht es so aus, dass Malala nicht zuletzt deswegen in Großbritannien lebt, weil es in ihrer Heimat viel zu gefährlich für sie ist."
Die Chancen, dass Malala ihren Traum von der Rückkehr in die Tat umsetzen und wirklich Einfluss auf die Zukunft Pakistans haben kann, sind ihrer Meinung nach "eher gering". Eine Einschätzung, die auch ein knappes Jahr später noch Gültigkeit haben dürfte, auch wenn Pakistan Premier Sharif Malala als "Stolz Pakistans" anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis bezeichnete.
Esther Felden
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