Leidenschaftlich vernarrt in Bücher
Normalerweise liest man für sich allein. Aber Hoda Marmar, die Gründerin von "Bookoholics", weiß, dass die literarische Gemeinschaft im Vorfeld einiges dafür tun muss, damit jeder Einzelne dieser Leidenschaft nachgehen kann. Denn der Literaturbetrieb besteht ja nicht nur aus Autoren, Redakteuren, Übersetzern, Designern, Druckern und Verlegern, sondern auch aus Buch-Bloggern, Buch-Tweetern, Bibliothekaren und anderen Bibliophilen. Selbst für introvertierte Leser spielt diese Gemeinschaft demnach eine wichtige Rolle.
Dennoch agieren die Förderer und Organisatoren von Bücherclubs und Lesekreisen in der literarischen Landschaft weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Dabei sind sie es, auf die wir uns verlassen, wenn die literarische Infrastruktur lückenhaft ist. Denn sie machen neue Bücher bekannt, ermutigen Leser, organisieren Veranstaltungen und fungieren als Lesecoaches.
Hoda Marmar ist eine dieser unermüdlichen und unterschätzten Begleiterinnen, die Beiruts Literaturliebhaber anfeuern. Als solche hat sie mehrere Jobs inne: Lehrerin, Tutorin, Lektorin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Ticketverkäuferin. Der Gruppe "Bookoholics" gilt ihre wahre Leidenschaft.
Bibliophil von Kind an
Marmar liest, solange sie denken kann. Von klein auf empfand ich "ein Staunen, wenn ich ein Buch aufschlug", sagt sie. Die Lehrer in der Sekundarschule förderten ihre Bücherleidenschaft. Diese Leidenschaft wollte sie teilen. Nach der Lektüre eines Buches musste sie unbedingt mit anderen darüber reden: "Als Kind und Teenager konnte ich meine unbändigen Gefühle nicht zurückhalten. Ich verspürte den Drang, das Buch und die damit verbundenen Gedanken mit anderen zu teilen."
Als sie aufwuchs, so erzählt sie, verliebte sie sich in Bücher von Toufik Youssef Awwad und Mikha'il Na'ima auf Arabisch und Victor Hugo und Charles Baudelaire auf Französisch. Später halfen ihr englischsprachige Romane beim Erlernen dieser Sprache. Allmählich wechselte sie von einfachen zu anspruchsvollen, mehrschichtigen Texten.
2010 arbeitete Marmar in der Bibliothek ihrer damaligen Universität. Schon damals sprach sie gerne Leseempfehlungen aus – vom Anfänger bis zum Dozenten.
"Ich versuchte damals, einen Bücherclub an der Universität zu gründen. Doch weder die Studierenden noch die Universität konnten sich dafür erwärmen. Ich wandte mich dann online an Leser im gesamten Libanon. Mit steten kleinen Schritten konnte ich am 18. Juli 2012 das erste Treffen des Bücherclubs in einem Café in der Rue Hamra in Beirut bekannt geben."
Fokus auf Freiheit und Unabhängigkeit
Von Anfang an war es Marmars Absicht, eine Büchergruppe zu gründen, die kein Resonanzraum war, sondern Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Überzeugungen zusammenführte.
Die "Bookoholics" sollten so vielfältig sein wie das Land und unabhängig bleiben, ohne "finanzielle, politische oder religiöse Zugehörigkeiten jeglicher Art[.]"
In den letzten sechs Jahren konnte "Bookoholics" mehr als 80.000 Facebook-Follower gewinnen. Bei regelmäßigen persönlichen Treffen lesen und besprechen die Mitglieder Bücher. Inzwischen sind es 125 Bücher in fast 100 Sitzungen geworden.
Mittlerweile rezensieren sie Bücher auch über Instagram und Goodreads. Selbstverständlich treffen sich nicht alle 80.000 Facebook-Mitglieder bei Buchbesprechungen. Aber laut Marmar sagten selbst Online-Mitglieder, dass "der Club sie ermutige, mehr zu lesen, und sie fragen häufig nach Buchempfehlungen".
Doch ein Bücherclub ist nicht nur dazu da, Titel zu empfehlen. Marmar und "Bookoholics" ermutigen die Gemeinschaft dazu, sich intensiver und eingehender mit einem Buch zu beschäftigen. "Wenn man die Leser zusammenbringt und die richtigen Fragen stellt, taucht man viel tiefer ein und geht über das Buch hinaus." Auf jede Besprechung bereitet sich Marmar intensiv vor. Das Endergebnis macht sie glücklich. Und es ist ihre Art "wie ich den Autoren zurückzahlen kann, was sie an Mühe und Herzblut in ihre Bücher hineinstecken."
"Wir finden immer einen Weg"
Die Gruppe feierte kürzlich ihr sechsjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass durchforsteten die Mitglieder die Liste der bislang gelesenen Bücher und stimmten über sechs englischsprachige und sechs arabischsprachige Favoriten ab. Die arabische Auswahl reichte von Klassikern wie Emily Nasrallahs Flug gegen die Zeit bis hin zu neueren Büchern wie Selim Battis I'm Not Leaving My House, Bothayna al-Essas Maps of Wandering und Sinan Antoons Ave Maria, übersetzt ins Englische von Maia Tabet als The Baghdad Eucharist.
Blind Date mit einem Buch
Bookoholics hat auch andere Veranstaltungen maßgeblich mitgestaltet, wie beispielsweise "Lesen auf Arabisch", "Lesen in der Öffentlichkeit" und "Blind Date mit einem Buch". Die letztgenannte Veranstaltung findet zu Beginn des neuen Jahres statt. Zu diesem "Date" gehen die Mitglieder gemeinsam essen und tauschen anschließend Bücher aus.
"Bookoholics" ist nicht die einzige Büchergruppe im Libanon. So gibt es noch den "Lebanon Book Club". Auch mehrere Buchhandlungen und Bibliotheken unterhalten Lesegruppen. Darüber hinaus formierte sich an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Libanesischen Universität eine Gruppe, die sich laut Marmar "hauptsächlich auf Lyrik spezialisiert". Marmar erhebt keinen Alleinanspruch. Die "Bookoholics", so sagt sie, suchten den Austausch mit anderen Gruppen, wie beispielsweise der Gruppe "Alef" in Beqaa oder der Gruppe "Zwischen den Buchdeckeln" in Zgharta.
Auch wenn in vielen arabischen Ländern der Büchervertrieb ein potenzielles Hindernis für die Lesegruppen darstelle, so sei die Verfügbarkeit dennoch kein wichtiges Kriterium für die Auswahl neuer Lektüre, meint Marmar. Die Titel werden lange im Voraus ausgewählt. Einige Mitglieder kaufen die Bücher während der einschlägigen Beiruter Messen "Salon du Livre" und "Beirut Arabic Book". "Es kommt selten vor, dass ein Buch vergriffen oder nicht erhältlich ist. Und falls das einmal passieren sollte, finden wir immer einen Weg."
Marmar und "Bookoholics" machen sich viele Gedanken darüber, welche Bücher sie besprechen wollen. Es hat Zeit gebraucht, sagt Marmar, aber inzwischen gelingt es ihr, "die Mitglieder besser zu verstehen und nach den für sie interessanten Buchthemen, Autoren und Genres zu suchen. Einige besonders beliebte Themen betreffen Bücher, die auf wahren Geschichten basieren, Bücher über das Muttersein, Bücher aus verschiedenen Ländern, Bücher mit verschiedenen Genres, Bücher von lokalen Autoren, Bücher über Gesundheitsfragen."
Für diejenigen, die ihren eigenen Club gründen möchten, hält Marmar einen Ratschlag bereit. Das, was einen Club letztlich zusammenschweißt, sagt sie, "ist das richtige Buch, die richtigen Gesprächsfragen, ein sicherer Ort für Interaktionen und echtes Engagement."
Marcia Lynx Qualey
© Qantara.de 2018
Aus dem Englischen von Peter Lammers