Ein beschwerlicher Weg zur Demokratie

Die Unterzeichnung des Aceh-Friedensabkommens fällt zeitlich fast mit der Unabhängigkeit Indonesiens vor 60 Jahren zusammen. Welche Unterstützung braucht Indonesien auf seinem steinigen Weg zur Demokratie?

Kommentar von Sybille Golte

Es kann ein Zufall sein, dass die Unterzeichnung des Friedensabkommens für Indonesiens Krisenprovinz Aceh in direktem zeitlichen Zusammenhang mit dem 60. Unabhängigkeitstag des Landes stattfand. Die Symbolik ist dennoch nicht zu übersehen.

Fehlende Einheit

Einheit in der Vielfalt des Vielvölkerstaates, religiöse Toleranz, ein gemeinsamer Wohlstand - das waren die zentralen Grundlagen der Staatsphilosophie des charismatischen Staatsgründers Sukarno vor 60 Jahren. An der Einheit fehlt es noch heute - vor allem auf den äußeren Inseln des Archipels, wo es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen kommt.

Das Aceh-Friedensabkommen von Helsinki könnte Vorbild sein, auch diese Konflikte langfristig zu lösen. Wenn das gelingt, kann Indonesien das Ziel erreichen, dass Sukarno sich und seinen Landsleute vor 60 Jahren gesetzt hat.

Die gemeinsame koloniale Vergangenheit war allenfalls eine brüchige Klammer, um den multiethnischen Staat auf Dauer zusammenzuhalten. Dies vor allem, weil die Idee der indonesischen Staatsphilosophie eines friedlichen Miteinanders der Völker und Religionen in den letzten Jahrzehnten nicht mit Leben erfüllt wurden.

Misswirtschaft und Nepotismus unter Suharto

30 Jahre lang herrschte bis Ende der neunziger Jahre faktisch das Militär unter Führung des Generals Suharto: ein Beispiel für viele Fehlentwicklungen dieser Zeit in den Entwicklungsländern. Allein die pro-westliche Einstellung reichte in Zeiten des Ost-West-Konflikts um einen Machthaber zum Verbündeten zu machen.

Unter Suharto gelangte Indonesien zum zweifelhaften Ruhm, eines der korruptesten Länder der Welt zu sein. Durch ein Umsiedlungsprogramm von Menschen aus dem überbevölkerten Java auf die äußeren Inseln wurden viele Grundlagen für die heutigen ethnischen Konflikte gelegt. Misswirtschaft und Nepotismus beschleunigten die wirtschaftliche Talfahrt im Rahmen der Wirtschaftskrise in Asien.

Suhartos demokratische Erben haben es nicht leicht: ein Verwaltungsapparat, der nur mit Schmiergeld funktionierte, eine korrupte Justiz, Armut und ungelöste ethnische Konflikte - vor dem Hintergrund dieser explosiven Mischung begann Ende der neunziger Jahre der Demokratisierungsprozess.

Dass Indonesien heute die drittgrößte Demokratie der Welt ist, ist kein Verdienst seiner westlichen Partner, die jahrelang auf den Militärmachthaber Suharto gesetzt hatten. Es ist vielmehr ein Zeichen der demokratischen Reife seiner Bevölkerung.

Wahlen als demokratische Reifeprüfung

Viel schneller als manche ihrer Politiker haben die Indonesier den Wert demokratischer Strukturen erkannt und während die Umstrukturierung der staatlichen Institutionen nur langsam vorankommt, hat die Bevölkerung in einem umfassenden Wahlprozess im letzten Jahr ihre demokratische Reifeprüfung abgelegt.

In einer Zeit, in der Krieg und Terror den Dialog mit der islamischen Welt überschatten, kehrt das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt zur Demokratie nach westlichem Vorbild zurück. Dieser Prozess bedarf dringend der Unterstützung, auch weil die Profitgier vieler internationaler Investoren im Zusammenhang mit der Asienkrise zur Verarmung weiter Bevölkerungsschichten in Indonesien beigetragen hat.

Die meisten ethnischen Konflikte in Indonesien haben ökonomische Wurzeln. Auch in Aceh ging es in erster Linie um die Verteilung des natürlichen Reichtums. Gelingt es, diesen Friedensprozess fortzusetzen und auf andere Regionen zu übertragen, dann hat Indonesien eine Chance, die 1945 proklamierten Ziele eines friedlichen Zusammenlebens seiner Völker in Wohlstand endlich zu erreichen

Sybille Golte

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005