''Kicken kannst du notfalls auch mit Kopftuch''
Hin und wieder begegnen sie noch Ablehnung und Vorurteilen, aber ihre Sportbegeisterung kennt keine Grenzen. Beim türkischen Club "Al Dersim Spor" in Berlin trainieren 18 Fußballerinnen aus 6 Nationen. Ariana Mirza berichtet über Frauen, die immer am Ball bleiben wollen.
Nach dem Abpfiff rutscht es der Gegenspielerin heraus: "Ihr seid ja doch ganz nett." Wenn die jungen Fußballerinnen von "Al Dersim Spor" zum ersten Mal gegen eine rein deutsche Auswahl antreten, dann ist dieser merkwürdige Satz häufiger zu hören.
"Viele denken bei uns gleich an kriminelle Ausländerbanden oder an Fundamentalisten. Weil wir ein türkischer Verein aus Kreuzberg sind." Die 26jährige Türkin Safije kennt die Vorurteile. Sie ist in dem Berliner Stadtteil, in dem viele Migranten aus muslimischen Ländern leben, aufgewachsen.
Ihren vier Brüdern machte Safije schon als kleines Mädchen gern den Ball streitig. Die frühe Leidenschaft für den "Jungensport" Fußball wurde von der Familie problemlos akzeptiert. Heute assistiert die 26-Jährige als Spielertrainerin ihrer Mannschaftskollegin Mehtap.
Die 34jährige Mehtap hat früher in der türkischen Nationalmannschaft gespielt und trainiert seit dieser Saison die bunt gemischte Frauenauswahl von "Al Dersim Spor". Griechinnen, Türkinnen, Deutsche, eine Palästinenserin, eine Polin und eine Südkoreanerin im Alter von 17 bis 34 Jahren bilden das Team.
Untereinander nur Lob
"Uns verbindet der gemeinsame Spaß am Kicken." Nicht nur die internationale Zusammensetzung der Frauenauswahl ist ungewöhnlich. Auch die Trainingsmethoden erinnern nicht an gängige Vorstellungen von Drill und Disziplin.
"Untereinander loben wir uns nur. Von Meckern halten wir nicht viel." Eine einfache Devise, die der neu formierten Mannschaft in bislang zwanzig Spielen schon zu 18 Siegen verholfen hat.
Paros, die 26-jährige Torhüterin des Vereins, war bereits zu Grundschulzeiten Safijes talentierteste Bolzpartnerin. Ihre aus Griechenland stammenden Eltern hatten gegen das Hobby der Tochter nie etwas einzuwenden.
Dass Paros aus einer griechisch-orthodoxen Familie stammt und Satije Muslimin ist, störte ihr Zusammenspiel weder früher noch heute. "Ich glaube, wir sind alle auf unsere Weise religiös. Aber da versucht keine, die andere zu bekehren."
Ohne Fußball kein Leben
Ganz unproblematisch, erzählen die Frauen von Al Dersim Spor, verlief ihre Fußballkarriere dennoch nicht immer. "Als Jugendliche haben wir in einem anderen türkischen Verein gespielt, da mussten die Betreuer immer ganz besonders auf uns achten. Damit wir uns nicht heimlich mit Jungen treffen." Eine unberechtigte Sorge, denn den jungen Migrantinnen ist der Sport zumeist sehr viel wichtiger als das Flirten.
Ohne Fußball, so sagen die Frauen einvernehmlich, könnten sie sich ihr Leben nicht vorstellen. Der raue Ballsport bedeute aber keinesfalls, dass sie auf ihre Weiblichkeit verzichten wollten.
So ist die 27jährige Griechin Vicky manchmal sogar auf dem Spielfeld mit perfektem Make-Up zu sehen. Klischees zum Thema Frauenfußball greifen bei diesen Kickerinnen nicht. Dass bei "Al Dersim Spor" die meisten Spielerinnen lange Haare tragen, versteht sich da fast schon von selbst.
Nach der Hochzeit ist oft Schluss
Doch allein die Wahl der "männlichen" Sportart führt manchmal zu Konflikten. Eine Spielerin verlor ihren Freund, weil sie das Kicken nicht aufgeben wollte. "Dabei spielt er selbst Fußball, und ich hatte ihn auf dem Platz kennen gelernt." So mancher Bruder könnte sich einen Sport für seine Schwester vorstellen, bei dem sie nicht "so viel nacktes Bein zeigt".
Und einige Eltern drängen, doch spätestens nach der Hochzeit mit dem "unweiblichen" Bolzen aufzuhören. Eine Meinung, der sich der junge Türke Sinan nicht anschließen mag. Er ist der Ehemann der 24-jährigen Kickerin Hülja und fehlt bei keinem Spiel seiner Frau.
Die Fangemeinde der Spielerinnen von Dersim Spor ist noch klein, aber lautstark und enthusiastisch. "Bei schlechtem Wetter sind es nur die Hartnäckigen, aber bei Sonnenschein oder in der Halle schon mal 100 Fans."
Die zahlreichen Mitglieder der Familie von Valerie und Marlene sind dabei immer mit von der Partie. Die 24-jährigen Zwillingsschwestern gehören zu den deutschen Spielerinnen im Verein.
Es hat Jahre gedauert, bis sich die ersten deutschen Mädchen in eine gemischte Mannschaft getraut haben, berichtet Paros. Aber heute, so erklärt ihre Schwester Stavi, sei das viel eher der Fall. "Die Vorurteile fangen glücklicherweise auf allen Seiten an zu wanken".
Ein Film für die Weltmeisterschaft
Dem Einsatz von Marlene und Valerie ist es zu verdanken, dass die Frauenformation von Dersim Spor sogar bei der Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr präsent sein wird. Im Rahmen des diesjährigen "Berlinale Talent Campus" entstand ihr Kurzfilm "Way to go".
Das filmische Plädoyer für Frauenfußball begeisterte die internationale Fachjury, und so wird der Film im Beiprogramm der Weltmeisterschaft 2006 zu sehen sein. Die Darstellerinnen in "Way to go" sind die Spielerinnen von Dersim Spor.
In dem amüsanten und rasant geschnittenen Clip beweisen die jungen Frauen, dass Fußball auch im Rock gespielt werden kann. Ballkunst und Ausdauer sind eben keine Frage des Geschlechts oder der kulturellen Identität.
Vicky, deren Eltern sie lieber als Balletttänzerin gesehen hätten, nennt ein augenfälliges Beispiel: "Wir hatten in einer früheren Formation auch schon eine muslimische Mitspielerin, die nur mit Kopftuch und langen Hosen auf den Platz gegangen ist." Auf die Spielstärke hat sich das nicht ausgewirkt.
Ariana Mirza
© Qantara.de 2005
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