Lindau als große Bühne der Religionen
Noch ist es nur ein kleines Modell, rund zwanzig Zentimeter hoch. In gut zwei Monaten soll der "Ring for Peace" als 7,5 Meter hohe Holz-Skulptur dauerhaft in einem Park der Bodensee-Stadt Lindau Heimat finden. Und der Ring wird gefertigt aus Hölzern, die aus verschiedenen Weltregionen stammen.
Vom 20. bis 23. August steht in der süddeutschen Kreisstadt das in diesem Jahr wohl weltweit wichtigste Treffen von führenden Religionsvertretern an. Zur zehnten Weltversammlung von "Religions for Peace" erwarten die Veranstalter 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 17 Religionen und mehr als 100 Ländern. 1961 wurde die in New York ansässige Nichtregierungsorganisation gegründet. Nun kommt ihre Weltversammlung, die etwa alle fünf bis sechs Jahre stattfindet, erstmals nach Deutschland. In Berlin stellten die Verantwortlichen das Programm nun vor.
Geistliche aus Israel und dem Iran
Die Stadt, sagt Ulrich Schneider, Geschäftsführer der für die Durchführung der Weltversammlung zuständigen Stiftung, habe mit ihrer Nähe zu Österreich und der Schweiz "eine internationale und doch dezentrale Lage". Beides sei den Veranstaltern wichtig. Die Lage "weit entfernt von jedem Regierungs- und Bischofssitz" biete die Möglichkeiten zum gemeinsamen Austausch auch bei sehr umstrittenen Positionen.
So erwartet "Religions for Peace" auch Religionsvertreter aus Russland und der Ukraine, aus dem Iran und Israel, aus Myanmar und Bangladesch. Falls sich für die Repräsentanten dieser Regionen Gespräche ergeben, werden sie in Lindau in kleinem Rahmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit begleitet.
Der offizielle Titel der Veranstaltung lautet etwas blumig "Für unsere gemeinsame Zukunft sorgen – das Gemeinwohl für alle fördern". Dahinter steht die Frage nach der gesellschaftspolitischen Verantwortung der Religionen. Vor einigen Jahren entstand im deutschen Auswärtigen Amt ein eigenständiger Bereich "Friedensverantwortung der Religionen". Und es ist ein Trend auch in der internationalen Politik, die Religionen als Gesprächspartner einzubinden.
Die doppelte Rolle von Religion
Denn Religion hat eine doppelte Rolle. "Religion ist bei vielen Konflikten Teil des Problems, aber Religion ist eben auch Teil der Konfliktlösung", sagt der Norweger Gunnar Stalsett, früherer lutherischer Bischof und heute Ehrenpräsident des World Council von "Religions for Peace". Deswegen sei es so wichtig, die dialogbereiten Kräfte in den verschiedenen Religionen zu stärken und sie zur Mitsprache in ihren Zivilgesellschaften zu ermutigen.
William F. Vendley, scheidender "Religions for Peace"-Generalsekretär, nennt Beispiele, in denen die Organisation in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich dafür gesorgt habe, dass Repräsentanten über religiöse Grenzen hinweg bei blutigen Konflikten zusammengestanden hätten. Das gelte beispielsweise in Bosnien, wo die verschiedenen Religionen sich gemeinsam zu Grundsatzfragen äußerten, in Sierra Leone oder in Myanmar.
Zugleich nennt Vendley auch Regionen, in denen "Religions for Peace" gescheitert sei. Das gelte für Syrien und den Irak. Und der Generalsekretär betont die weltweiten Zusammenhänge: "Das Gemeinwohl ist zunehmend global. Langfristig sind wir alle nicht sicherer als die Unsichersten unter uns."
Erstmals eine Frauenquote
In Lindau wird es im Vergleich zu den bisherigen Weltversammlungen der Religionen mehrere Neuerungen geben. So sorgen erstmals eingeführte Quoten für Frauen und für jüngere Teilnehmer für eine Abkehr von einer Kaste älterer Männer. Religion sei "weltweit hauptsächlich männlich besetzt", sagt Ulrich Schneider.
Deshalb sei es wichtig, "dass bei den Delegierten darauf geachtet wurde, dass es einen Mindestanteil an Frauen gibt, die gleichberechtigt mitreden. Und dass eben nicht die männer-dominierten bekannten Kreise nur hier diskutieren." Ein Schwerpunktthema in Lindau wird die Rolle von Frauen in Friedensprozessen sein. Und auf einem der Hauptpodien zur Situation im Nahen Osten und in Nordafrika sitzen ausschließlich prominente weibliche Delegierte.
Ulrich Schneider erläutert, dass weitere Schritte geplant seien, um in Lindau die lokale Bevölkerung einzubinden. So planten die christlichen Kirchen vor Ort eine "lange Tafel der Religionen", an denen Delegierte und Interessierte miteinander ins Gespräch kommen sollen.
An verschiedenen Orten der 25.000 Einwohner-Stadt besteht die Möglichkeit zur Mitfeier bei ganz unterschiedlichen religiösen Feiern. Und dann ist da noch der Ring, der als bleibendes Symbol für das Miteinander der Religionen im Luitpoldpark der Stadt seinen Standort haben soll. An seiner Enthüllung und am Auftakt der Weltversammlung will auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teilnehmen.
Christoph Strack
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