Die Wut einer ganzen Generation
Wie erklären Sie sich den Unmut Ihres Protagonisten in "Asabani Nistam" ("Ich bin nicht wütend!")?
Reza Dormishian: Sein Unmut korrespondiert mit der zunehmenden Frustration junger Iraner in den letzten acht Jahren.
Welchen Stellenwert hatte die grüne Protestbewegung und der Widerstand gegen Ahmadinedschad für Navid und seine Freunde im Sommer 2009?
Dormishian: Navid ist ein sehr friedlicher Mensch, der auch während der Demonstrationen darum bemüht war, die Gewalt zu stoppen. Er wurde schließlich vom Studium ausgeschlossen, weil er an einer Demonstration teilnahm und das Auto eines Professors mit Farbe beschmierte. Er verändert sich. Nach einer Weile beginnt er, seine Mitmenschen zu hassen und sie zusammenzuschlagen.
Viele Studenten im Iran müssen aufgrund ihrer Einstellungen oder ihrer Aktivitäten das Studium abbrechen – ein Erbe der früheren Regierung. Doch jetzt hat der neue Bildungsminister angeordnet, 400 ehemaligen Studenten die Rückkehr an die Universität zu erlauben. Studieren ist ein Grundrecht.
Navids Freunde raten ihm auszureisen, aber seine Freundin Setareh will im Land bleiben. Wie sehr beschäftigt die junge Generation im Iran heute das Thema Auswanderung?
Dormishian: Auswanderung ist derzeit wohl eines der meist diskutierten Themen unter jungen Iranern. Sie fragen sich, ob es sich angesichts der zahlreichen Probleme im Iran überhaupt noch lohnt, im Land zu bleiben oder dem Land endgültig den Rücken zu kehren. Ich habe in dieser Frage bislang gezögert.
Und was hält Sie noch im Iran?
Dormishian: Ich möchte im Iran Filme machen und sie dort zeigen. Es ist sehr wichtig für mich, mein Land im Ausland zu präsentieren und über meine Mitmenschen Filme zu drehen, die ich ja am besten kenne. Daher habe ich diesen Film im Iran gedreht und alle notwendigen Genehmigungen erhalten. Eines Tages werde ich diesen Film gewiss auch im Iran zeigen – allen Widerständen zum Trotz.
Welche Genehmigungen brauchten Sie, um diesen Film zu drehen?
Dormishian: Zuerst mussten wir das Drehbuch im Kulturministerium vorlegen. Sobald es genehmigt wurde, mussten wir die Darsteller und die Mitarbeiter aussuchen. Diese müssen von der sogenannten iranischen Filmallianz anerkannt werden, dem "Haus des Kinos". Nach den Dreharbeiten brauchten wir dann noch eine Genehmigung zur Ausstrahlung, die wir schließlich auch erhalten haben.
Mussten Sie Ihren Film letztlich selbst produzieren?
Dormishian: Ich hatte keine andere Wahl und musste dieses Risiko und einige Kompromisse eingehen. Iranische Filme werden entweder durch staatliche Unternehmen oder private Firmen produziert, oder es handelt sich quasi um Low-Budget-Produktionen. Wir mussten sehr hart arbeiten, weil wir insgesamt nur 550.000 US-Dollar zur Verfügung hatten.
Laut Presseberichten war Ihr Film der Publikumsfavorit auf dem jüngsten Teheraner Filmfestival, doch wurde er vom Wettbewerb ausgeschlossen. Warum?
Dormishian: Wir haben uns an die ständigen Probleme hier mittlerweile gewöhnt. Viele Iraner finden meinen Film gut, weil er ihre Realität reflektiert. Das, was auf dem Festival mit dem Film geschehen ist, war sicherlich sehr traurig und dermaßen unerfreulich, dass ich darüber hier gar nicht weiter reden möchte.
Könnte ein Filmerfolg im Ausland, wie etwa auf der Berlinale, womöglich dazu beitragen, dass sich etwas an dieser misslichen Situation ändert?
Dormishian: Drücken Sie uns die Daumen (lacht)! Wenn mein Film außerhalb des Irans vertrieben wird, fördert das auch dessen Verbreitung im Iran – auch wenn es keinesfalls dazu beiträgt, eine Genehmigung für die Ausstrahlung im Iran zu bekommen oder ihn als Video zu verbreiten. Auf dem Schwarzmarkt kann man illegale Kopien erwerben, sogar der neusten US-Produktionen.
Interview: Igal Avidan
© Qantara.de 2014
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de