Blutbad in Kana von Hisbollah provoziert?

Israel hat nach dem Blutbad in der libanesischen Stadt Kana eine begrenzte Waffenruhe verkündet. Angriffe auf Hisbollah-Stellungen werde man jedoch weiter führen.

Von Peter Philipp

​​Die Bilder ähneln sich: Eine palästinensische Familie, die am Strand von Gaza durch Granatfeuer umkommt; UNO-Beobachter, deren Unterstand im Bombenhagel zum Grab wird; und nun Frauen und Kinder, die im südlibanesischen Dorf Kana vom Schutt des Hauses begraben werden, in dem sie Zuflucht gesucht hatten vor israelischen Angriffen. Und jedes Mal die spontane israelische Erklärung, man bedaure den Verlust unschuldigen Lebens.

Der Vorfall von Kana soll untersucht werden - wie die anderen Fälle auch untersucht wurden. Und das Ergebnis wird ähnlich unbefriedigend sein. Denn schon jetzt heißt es, Hisbollah habe den Tod von mehr als
50 Frauen und Kindern provoziert, indem sie aus dem Ort Kana heraus Raketen auf Israel abgefeuert habe.

Nun stimmt es zwar, dass Hisbollah - wie andere militante Gruppen anderswo auch - nicht zögert, sich hinter solch einem "menschlichen Schutzschild" zu verstecken. Heißt das aber, dass Israel deswegen keine Fürsorgepflicht mehr hätte gegenüber den Zivilisten im Kriegsgebiet?

Noch gilt das Völkerrecht, nach dem Krieg führende Parteien Rücksicht zu nehmen haben auf Nicht-Kombattanten und unschuldige Zivilisten.

Und ein zweites: Israel will mit seinen Angriffen die Sicherheit seiner eigenen Bevölkerung wiederherstellen und gewährleisten. Kann - und darf - es das aber tun, indem es scheinbar blind Zivilisten auf der Gegenseite angreift?

In Israel selbst rührt sich Protest: Man sehe immer nur das eigene Leid, nicht aber, was man den anderen zufüge. International hieß das: Israel reagiert unverhältnismäßig hart und es bestraft eine ganze Bevölkerung für die Taten einiger Radikaler.

Natürlich ist man im Ausland bereit, Israel ein Recht auf Selbstverteidigung zuzugestehen. Ganz besonders in Deutschland tut man dies. Das rücksichtslose Vorgehen gegen Zivilisten und die Infrastruktur des Libanon hat solches Verständnis in den letzten Tagen aber schwer lädiert.

Noch scheint die Welt ratlos und hilflos: Die eigenen Staatsbürger hat man evakuiert und zu humanitärer Hilfe ist man bereit. Aber man setzt dem Blutvergießen kein Ende: Von einer internationalen Truppe wird nur geredet. Und Aufrufe nach Waffenruhe scheitern an Washingtons Solidarität mit Israels Kriegsziel.

Ein Kriegsziel, das man - wie die Geschichte zeigt - nicht mit Kampfbombern und Panzern erreichen kann. Im Kampf mit Hisbollah bekommt Israel deutlich die Nachteile zu spüren, die solch ein "asymmetrischer" Konflikt mit sich bringt.

Israel kann und wird diesen Krieg nicht gewinnen. Keiner kann hier gewinnen, alle werden Verlierer sein und sind es schon. Je früher das aufhört, desto besser.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2006

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