Quo vadis Iran?

Beim dritten "Deutsch-Iranischen Mediendialog" in Berlin waren sich die iranischen Delegierten einig: Das Land braucht Reformen. Aber welche? Peter Philipp nahm an der vom Auswärtigen Amt und vom Institut für Auslandsbeziehungen organisierten Veranstaltung teil.

Foto: Markus Kirchgessner

​​Reformen wollten alle politische Lager in Iran, aber man sei sich nicht einig über das beste und vernünftigste Vorgehen. Dies war die Botschaft der iranischen Teilnehmer an einem mehrtägigen deutsch-iranischen Mediendialog, der am 7. Dezember 2003 in Berlin zu Ende ging. Auf Einladung des Auswärtigen Amtes trafen sich iranische Journalisten, Publizisten und Akademiker mit deutschen Kollegen und versuchten, in einer dritten Runde dieses seit Jahren gepflegten Austauschs Brücken zu schlagen und das gegenseitige Verständnis zu vertiefen.

"Imperiale Sicherung von Wohlstandszonen"

Es war nicht zu verhindern, dass die Diskussionen immer wieder um die jüngsten Entwicklungen in der Region kreisten und dass man immer wieder auf die Rolle der USA zu sprechen kam. Der Politologe Prof. Herfried Münkler von der Humboldt-Universität Berlin sprach in diesem Zusammenhang von der so genannten Asymmetrie moderner bewaffneter Konflikte.

Diese zeichnen sich dadurch aus, dass im Gegensatz zu früher verstärkt nichtstaatliche Akteure, wie beispielsweise Terrorgruppen, ins Spiel kommen. Die europäische Antwort auf diese Entwicklung ist die Stärkung staatlicher Institutionen – wie im Balkan oder in Afghanistan. Die von den USA praktizierte Alternative beschrieb Münkler als "imperiale Sicherung von Wohlstandszonen".

Münkler sprach des Weiteren über "eine Einflusssphäre (…) der Amerikaner, innerhalb derer allerdings ihre Verbündeten je nach Treuegrad auch unterschiedlich weit reichende Mitspracherechte bekommen; auch je nachdem, wie sie sich der amerikanischen Politik fügen. Das haben wir ja im Prinzip im Verlaufe dieses Jahres sehen können. Wobei diese imperialen Räume hinsichtlich ihrer Rechtsbindung und Selbstbindung zur Peripherie hin immer schwächer werden und auch gewissermaßen rechtsfreie Räume wie Guantánamo Bay in sie eingesprengt sind."

Europa als Gegengewicht

Die Vision einer solchen Rückkehr in die Zeit vor dem Entstehen der Nationalstaaten verstärkt natürlich die Entschiedenheit, mit der die iranischen Teilnehmer die amerikanische Politik ablehnten. Europa solle nicht zusehen, wie die USA ihre Vormachtstellung missbrauchten, mahnte etwa ein Vertreter der Reformbewegung "Musharekat". Und auch andere meinten, dass Europa eine klarere Rolle gegenüber den USA einnehmen solle.

Die deutschen Teilnehmer waren hingegen überwiegend der Meinung, dass kaum mit einer weiteren Polarisierung zwischen Europa und den USA zu rechnen sei, wenngleich man auch weiterhin zu unterschiedlichen Fragen unterschiedliche Positionen einnehme.

Die Wahlen werden den Reformprozess nicht aufhalten

Was den Reformprozess in Iran betrifft, so schienen sich die iranischen Teilnehmer einig, dass dieser in vollem Gange sei und sich auch dann nicht – oder kaum – verlangsamen werde, wenn im Frühjahr die Konservativen die Parlamentswahlen für sich entscheiden sollten. Dies könnte durchaus der Fall sein, wenn die Wahlbeteiligung nur sehr niedrig sein sollte. Aber es sei jetzt noch zu früh, klare Vorhersagen zu treffen – viele Entwicklungen könnten noch im letzten Moment eine andere Richtung nehmen.

Überhastete Reformen verpuffen in ihrer Wirkung

Amir Mohebbian von der konservativen Tageszeitung "Resalat" räumte offen ein, dass auch seine politischen Freunde die Wünsche und Träume der iranischen Jugend respektieren müssten, aber er mahnte vor allzu forschem Vorgehen. Das sei wie in der Natur: Ein starker Regenguss fließe ab, ohne dass die Erde das Wasser aufnehmen könne. Schnee hingegen komme langsam und ruhig und sickere beim Tauen in die Erde ein. Man suche deswegen nach einem "dritten Weg" anstelle einer rein religiösen oder einer antireligiösen Herrschaft.

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Dass diese Alternative in einer säkularen Demokratie liege, wollte Mohebbian nicht unbedingt akzeptieren. Die Begründung: die Mehrheit der Iraner sei religiös, und man müsse ihre Gefühle berücksichtigen. Ein Zeichen vielleicht, dass der Dialog in Deutschland nicht alle Meinungsunterschiede abgebaut hat. Aber die Teilnehmer waren zufrieden. Das Treffen soll nächstes Jahr in Teheran stattfinden.

"Seminare wie dieses abzuhalten hilft, einander besser zu verstehen als vorher", bilanzierte Amir Mohebbian. "Und anstatt den Krieg der Kulturen zu befeuern, unterstützt eine solche Aktion den Dialog der Kulturen. Es war eine gute Idee, dieses Seminar abzuhalten."

Peter Philipp

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