Libanesische Rockband schlägt neue Töne an
Christina Förch aus Beirut berichtet über eine ungewöhnliche Rockgröße.
Angefangen hatte alles 1997: Damals gründeten vier libanesische Studenten die Rockband Leviathan. Sie traten auf, wo immer sie konnten und spielten die ganze Bandbreite von Pink Floyd bis zu Radiohead.
Doch als ein jugendlicher Rockfan Selbstmord beging, geriet Libanons Rockmusik in eine Krise. Platten von Bandgrößen wie Nirvana und Metallica wurden verboten. Musikfans mussten sich des Internets bedienen, um an Neuerscheinungen zu kommen.
Vorläufiges Aus und musikalischer Neubeginn
Das machte den Start für Leviathan umso schwieriger, und zwei Bandmitglieder entschieden sich im Jahr 2000, nach Nordamerika auszuwandern. Das war das Ende der Band. Doch an Weihnachten 2001 kehrten der Leadsänger Jad Souaid und der Bassist Haytham Chalhoub zurück, trafen sich wieder mit dem Gitarristen Miran Gurunian und dem Drummer Jad Aouad.
Die vier Musiker änderten den Namen der Band zu "Blend" und spielten einen selbstkomponierten Titel ein. Das Lied "Belong" wurde der Aufmacher einer arabischen Kompilation – ein erster Erfolg, auch im libanesischen Radio. Und vielleicht bedeutet der Song sogar den Auftakt für eine internationale Karriere.
"Das Lied handelt von der Identitätssuche der Nachkriegsgeneration", erklärt Souaid. "Wir Jugendliche haben während der Kriegsjahre unter grosser Unsicherheit gelitten, wussten nicht, was wir von der Zukunft zu erwarten haben." Der Song "Belong" handelt auch von Religion und Fanatismus – Werte, mit denen die Rockmusiker gar nichts zu tun haben wollen. Letztendlich sei "Belong" ein Liebeslied, denn darin heißt es, man gehöre in die Arme der Person, die man liebt.
Blend - eine libanesische Erfolgsstory
Das Lied "Belong" spach viele libanesische Jugendliche an, und schliesslich wurde auch das internationale Plattenlabel EMI auf die Rockband aufmerksam. Vertreter von EMI Arabia beobachteten Blend während eines Liveauftritts in einem libanesischen Club.
Sie konnten die beiden Auswanderer davon überzeugen, langfristig in den Libanon zurückzukehren, um einen ernsthaften musikalischen Neustart zu versuchen, aber diesmal gleich mit einem internationalen Plattenvertrag. Innerhalb von fünf Jahren soll Blend drei Platten produzieren, die dann weltweit vertrieben werden.
"Wir mochten ihre Musik und ihre Lyrik", meint der Marketingmanager von EMI Arabia, Hubert Ghorayeb: "Sie singen auf Englisch, was sie international vermarktbar macht. Die Texte und die Musik sprechen ein arabisches und ein internationales Publikum an."
Blend ist somit die erste arabische Rockband, die unter dem Vertag eines internationalen Labels steht. Ihre erste CD mit dem Titel Act One kam im Dezember 2003 auf den libanesischen Markt – der weltweite Vertrieb soll in den kommenden Monaten anlaufen.
Schräg, unangepasst und gesellschaftskritisch
Auch in anderer Hinsicht ist Blend bahnbrechend. Während arabische Popmusiker über Liebe singen, spricht Blend von Globalisierung, korrupten Politikern und einer apathischen Bevölkerung in der arabischen Welt, die sich manipulieren lasse.
"Wir haben uns ständig gefragt, wie arabische Sänger über Romantik singen können, wenn in unserer Region täglich viele Menschen getötet werden", meint Souaid. Die Musiker von Blend schreiben und komponieren selbst – auch das ist eine Neuheit. Denn arabische Popstars lassen in der Regel komponieren - oft von Musikprofis.
Das Ergebnis ist nicht nur eine kritische Lyrik, sondern Rockmusik mit einer ganz eigenen Klangfarbe. Die Band hat klassischen Rock angereichert mit elektronischen Effekten und orientalischen Klängen. Ein arabischer Violinist trägt genauso zu einem orientalischen Charakter bei wie die Sängerin Natasha Atlas und der libanesische Rapper Rayess Bek.
"Wir sind mit Umm Khulthum und Fairuz aufgewachsen", sagt Soaid. Und das Ergebnis ist eine neue Art von Rockmusik, mit einer klaren orientalischen Note. Aber einer dezenten Note, die auch ein westliches Publikum durchaus ansprechen kann."
Christina Förch
© Qantara.de 2004
Mehr über Blend erfahren Sie in einem Band-Interview auf Englisch bei LebaneseBands.com