Die Rache des Königs
Als ob es damit getan wäre, lediglich die Spuren zu beseitigen, um die Proteste ungeschehen zu machen. Bahrains Königshaus hat alle zur Verfügung stehenden Bagger, Planierraupen, Betonmischer und Steinmetze zusammengetrommelt, um der Verkehrsinsel an der Einfahrt zum Großmarkt in Manama ein anderes Gesicht zu geben.
Denn dort befand sich bis vor Kurzem ein aus weißem Kalkstein gemeißeltes Monument mit einer Perle obendrauf, um das sich seit Mitte Februar eine Zeltstadt von Demonstranten entwickelte, ganz im Stile des Tahrir-Platzes in Kairo.
Doch während in Ägypten schon die ersten Touristen stolz an den Revolutionsplatz geführt werden, wird er in Bahrain platt gemacht. Zunächst wurde das Monument abgerissen, jetzt wird der Platz planiert. Wie ein Schlachtfeld sieht die Umgebung des einstmals symbolträchtigen Ortes aus.
Hunderte von Autos stehen zerschossen oder ausgebrannt auf den angrenzenden Freiflächen, und jedes von ihnen erzählt eine Geschichte des Grauens. Aus den offen stehenden Türen hängen Kinderkleider und Damenschals. Spielzeuge und kleine Plastiksitze liegen verteilt auf dem Sandboden.
Platte Reifen, zerschossene Scheiben, halbleere Coladosen und Computerersatzteile, die wahrscheinlich kurz davor in der naheliegenden "Dana Mall" gekauft wurden. Die Sattelschlepper vermögen es kaum, so viele Autowracks zu beseitigen, wie die Rache des Königs gegen seine aufmüpfigen Untertanen gefordert hat.
Willige Helfer
Am 15. März galt in Bahrain das Kriegsrecht. König Hamad bin Isa al-Chalifa holte sich Hilfe bei seinem Kollegen in Saudi-Arabien, um die Proteste mit beispielloser Gewalt niederzuschlagen. Saudische Panzer rollten über den "King-Fahd-Causeway", eine 25 Kilometer lange Brücke, die seit 1986 das Königreich Saudi-Arabien mit dem Inselstaat Bahrain verbindet.
Die Bilanz nach zweieinhalb Monaten Militäroperation: 30 Tote, Hunderte Verletzte, über 1.000 Festnahmen. Dutzende Menschen verschwanden spurlos und mindestens 2.000 weitere verloren ihre Arbeit, weil sie sich an den Protesten beteiligt hatten.
Nun wurde zum 1. Juni der Ausnahmezustand aufgehoben, doch die saudischen Panzer und mehr als 5.000 Soldaten der Länder des Golfkooperationsrates (GCC) bleiben in Bahrain stationiert. Als Danksagung an die "Helfer" des Nachbarlandes lässt die bahrainische Herrscherfamilie derzeit überall saudische Fahnen aufhängen, bringt übergroße Konterfeis des saudischen Königs auf Plakatwänden an. Den knapp über eine Million Einwohnern Bahrains wird schnell klar, wer in ihrem Land nu wirklich das Sagen hat.
Dass sich mit der Aufhebung des Ausnahmezustandes nicht zwangsweise etwas ändert, zeigt das Beispiel Syrien. Zwei Tage nachdem Bashar al-Assad ihn dort aufgehoben hatte, befehligte er flächendeckende Militäroperationen, die noch immer nicht zu Ende sind.
Angst vor demokratischen Verhältnissen
In den vergangenen Tagen zog auch die Regierung Bahrains die Daumenschrauben noch einmal an: Sie ließ Journalisten festnehmen und stellte einen 15-jährigen Jungen vor das Militärgericht. Es ist also davon auszugehen, dass weitere Übergriffe der Sicherheitskräfte auf Demonstranten erfolgen werden – ob nun mit oder ohne Ausnahmezustand. Denn Saudi-Arabien wird es niemals zulassen, dass in Bahrain demokratische Verhältnisse einziehen.
Die Angst, der Einfluss Irans breite sich bis vor die Haustür der Saudis aus, ruft eine Panik hervor, die kaum zu überbieten ist. Sollte die schiitische Mehrheit der Einwohner Bahrains das Recht zu demokratischen Wahlen erhalten, so die Überzeugung in Riad, wären die Tage des sunnitischen Königshauses in Manama gezählt. Mit den Schiiten säße dann automatisch der Iran mit am Tisch. Auch die schiitische Minderheit im sunnitisch geprägten Saudi-Arabien könnte dann mehr Rechte für sich einfordern.
Diese Vermutung ist jedoch insofern absurd, da der iranische Einfluss in Bahrain minimal ist. Sollte die jahrhundertealte Konfrontation zwischen den beiden muslimischen Religionsgruppen jedoch weiter aufbrechen und sich verschärfen, sind die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten im Irak wohl nur der Anfang gewesen.
Das Doppelspiel der Golfstaaten
Doch das gegenwärtige Doppelspiel der Golfstaaten ist zynisch. Katar und Kuwait unterstützen zwar die libyschen Rebellen im Krieg gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi.
Als erstes arabisches Land sandte die Führung in Doha sogar Flugzeuge zur Überwachung der Flugverbotszone, erkannte gleich nach Frankreich – und vor allen anderen arabischen Staaten – den Rebellenrat in Bengasi als legitime politische Vertretung Libyens an und verkauft seitdem das Öl der Rebellen auf dem Weltmarkt. Und auch Kuwait überwies kürzlich den Aufständischen in Bengasi 120 Millionen Euro.
Doch während beide Staaten die Protestbewegung gegen Gaddafi unterstützen, stehen sie in Bahrain auf der anderen Seite und akzeptieren, wie dort die Demokratiebewegung niedergeknüppelt wird. Mehr noch: Als Mitglieder des Golfkooperationsrats (GCC), dem neben Saudi-Arabien auch Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Emirate angehören, sind sie sogar mitverantwortlich für die tödliche Militäroperation.
Einzig Kuwait hat sich negativ über den Einmarsch der GCC-Truppen geäußert, wurde dann aber schnell von Saudi-Arabien zum Schweigen gebracht. Auch in Kuwait lebt eine große schiitische Minderheit. Aus dem Munde des katarischen Herrschers kommt indes kein Wort zur Situation von dem nur 35 Kilometer entfernten Nachbarn.
Auch der in Doha beheimatete Nachrichtensender Al Jazeera, der vom Emir ins Leben gerufen und maßgeblich finanziert wird, blendete die Berichterstattung über den Nachbarstaat anfangs fast völlig aus, schaltete jedoch jede Menge Sondersendungen zu den anderen Aufständen im Nahen und Mittleren Osten.
Doch die Kritik an den Zuständen in Bahrain wurde immer lauter – vor allem seitens der westlichen Medien. So musste auch Al Jazeera umschwenken. In den letzten Wochen sieht man vermehrt Berichte über den Nachbarn. Nun hat auch Barack Obama in seiner Rede über die Revolten in der arabischen Welt die Machthaber in Bahrain zum Dialog mit der Protestbewegung aufgefordert. Bahrains König hat jetzt den 1. Juli als Beginn dafür genannt.
Birgit Svensson
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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de