Furcht vor "sanften Revolutionären"
Seit Wochen geht Präsident Bashar Al-Assad mit harter Hand gegen Oppositionelle vor. Grund: Das Regime in Damaskus befürchtet, dass die USA auch in Syrien versuchen, mit Hilfe von einheimischen Oppositionellen ihren Machtanspruch zu gefährden. Von Kristin Helberg
Pelican Mourad sitzt in ihrem Büro im Goethe-Institut von Damaskus und starrt ins Leere. Die 47jährige, die als Programmassistentin für das deutsche Kulturinstitut arbeitet, kommt gerade aus dem Gefängnis, wo sie erstmals ihren Mann besuchen durfte.
Riad Seif, einen der prominentesten Oppositionellen des Landes: Seif leidet an Prostata-Krebs, an erhöhtem Blutdruck und einem verstopften Herzkranzgefäß. Pelican Mourad durfte ihrem Mann Geld und Medikamente bringen, frische Kleidung lehnte die Gefängnisleitung ab.
Erzwungene Geständnisse
Neben Seif sind in den vergangenen Wochen elf weitere Oppositionelle verhaftet worden. Sie waren zwischen einem und eineinhalb Monaten verschwunden, festgehalten in einer Geheimdienstzentrale.
Razan Zeitoune, eine syrische Rechtsanwältin, war dabei, als zehn von ihnen dem Untersuchungsrichter vorgeführt wurden: "Ich war schockiert als ich sie sah, wie sehr sie am Ende ihrer Kräfte waren, müde und abgemagert. Sie wurden geschlagen und gezwungen, Aussagen zu unterschreiben, die nicht von ihnen stammten."
Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte ist für Zeitoune eine Reaktion auf den letzten großen Coup der Opposition: Am 1. Dezember vergangenen Jahres hatten sich 163 Regime-Kritiker in der Wohnung von Riad Seif getroffen, um die Damaszener Erklärung neu zu organisieren, ein loses Bündnis verschiedener Parteien, Gruppen und Individuen.
In einer der am besten überwachten Wohnungen Syriens wählten die Oppositionellen ungestört ein neues Führungskommittee und Riad Seif zu dessen Vorsitzenden.
Ein Schock für die Geheimdienste, meint die 31jährige Anwältin: "Sie haben das Gefühl, die 'Damaszener Erklärung' macht große Fortschritte, sie wird stärker und effektiver und erreicht immer mehr Leute. Das gefällt dem Regime nicht, deshalb versetzt es ihnen diesen heftigen Schlag. Die Leute, die verhaftet wurden, sind nicht nur politische Führer, sondern auch die dynamischsten und aktivsten Oppositionsvertreter."
Gefahr einer "sanften Revolution"?
Einige von ihnen haben gute Kontakte in die USA, sagt Janbulat Shakai. Der syrische Journalist sieht darin den Hauptgrund für die Verhaftungen. Denn nach Afghanistan und Irak könnte Washington auch in Syrien versuchen, mit Hilfe von einheimischen Oppositionellen das Regime zu stürzen: "Das Regime fürchtet die Opposition nicht wegen ihres Rückhalts in der Bevölkerung, sondern weil sie in kürzester Zeit Beziehungen zu den USA aufbauen könnten", sagt Shakai. "Das ist aus Sicht der syrischen Machthaber völlig inakzeptabel, deshalb das harte Vorgehen gegen sie."
Ohne den Druck von außen hätte die syrische Opposition mehr Handlungsspielraum, meint der Journalist. Das Treffen am 1. Dezember wurde seiner Meinung nach bewusst zugelassen:
"Eine Veranstaltung solchen Ausmaßes findet nicht ohne das Wissen der Geheimdienste statt. Sie wollten sehen, wohin die Opposition will, wer sie sind und was sie für die Zukunft planen", sagt Shakai. "Der Beweis ist, dass die Verhaftungen unmittelbar nach dem Treffen begannen. So konnten sie die Opposition insgesamt entscheidend schwächen."
Kein fairer Prozess erwartet
Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier, US-Präsident George W. Bush und Vertreter der Europäische Union haben bereits die Freilassung der Inhaftierten gefordert. Vergeblich, die 12 Aktivisten warten nun auf ihre Prozesse.
Die syrische Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, einer geheimen Organisation anzugehören, die das politische und wirtschaftliche System verändern will, zu ethnischen Unruhen aufzurufen und falsche Informationen zu verbreiten, die das Nationalgefühl schwächen. Anwalt Razan Zeitoune ist sich sicher, dass es in dem Prozess politische und keine fairen Urteile geben wird.
Kristin Helberg
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
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