Was Corona für junge afrikanische Frauen bedeutet
Wer den Panafrikanischen Frauentag am 31. Juli beging, hatte dieses Jahr noch mehr Grund zum Feiern. Zwei Tage zuvor lancierte die Afrikanische Union ihre Publikation „Sauti“, was auf Arabisch und Kisuaheli „meine Stimme“ bedeutet. Sauti ist eine digitale Sammlung preisgekrönter Geschichten von fünfundzwanzig jungen Frauen aus den fünf Regionen Afrikas und seiner Diaspora – und der erste feministische Blog dieser Art überhaupt.
Junge afrikanische Frauen waren eingeladen, ihre Beiträge in schriftlicher, bildlicher, akustischer oder videografischer Form zu teilen und so ihre Gedanken und Ideen angesichts von COVID-19 sowie ihre alltäglichen Schwierigkeiten während der aufkommenden Pandemie vorzustellen.
Aus insgesamt 460 Einreichungen wählte ein Ausschuss fünfundzwanzig herausragende Beiträge aus. Diese wurden auf der Website der Afrikanischen Union und in der Online-Publikation vorgestellt. Für ihre kreative Arbeit erhielten die Gewinnerinnen zudem einen Geldpreis von je 200 US-Dollar.
Ein Einsatz zur Stärkung der Frauenrechte
„Wir wollten fünfundzwanzig jungen afrikanischen Frauen zum Gedenken an den 25. Jahrestag der Pekinger Aktionsplattform eine Stimme geben, da deren Geschichten im Allgemeinen nicht erzählt werden oder unterrepräsentiert sind“, sagte die Herausgeberin von Sauti, Rim Menia. Die Pekinger Deklaration und Aktionsplattform ist nach wie vor ein Meilenstein und ein starker Appell zur Stärkung der Frauenrechte.
Laut Menia dient Sauti dazu, die Stimmen junger afrikanischer Feministinnen zu „verstärken“ und darauf aufmerksam zu machen, was COVID-19 für ihr Leben bedeutet und was sie im Kampf gegen diese globale Gesundheitskrise unternehmen.
Die Beiträge sollten eines der folgenden Themen behandeln: Jugend bringt die Waffen zum Schweigen, Stimmen junger Flüchtlinge, Schluss mit der Gewalt gegen junge Frauen, Vereinbarkeit von Arbeit und Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden junger Frauen sowie junge Friedensarbeiterinnen.
Sauti soll als jährlicher Blog weitergeführt werden und wendet sich als geschlechtsspezifische Plattform für Dialog und Aktion an junge Frauen. „Unsere Publikation ist ein afrikanisch geführtes und von jungen Frauen getragenes Projekt“, betonte die Herausgeberin.
Sammy's Kitchen
Die 23-jährige Medizinstudentin Daina Mandewo aus Simbabwe hatte bislang noch nie an einem Wettbewerb teilgenommen, bis sie auf der Website des AU Office of the Youth Envoy (Jugendbeauftragtenbüro der Afrikanischen Union) auf die Ausschreibung stieß. Sie wollte unbedingt daran teilnehmen und ihre Erkenntnisse darüber beitragen, wie Frauen während der Coronavirus-Pandemie gegen Armut und Hunger kämpfen.
Ihre Geschichte „Sammy's Kitchen“ dreht sich um ihre Freundin Samantha, genannt Sammy, eine auf Einwanderungsrecht spezialisierte Anwältin, die ihre eigene Hilfsküche einrichtete, um bedürftige Menschen in der Gemeinde Chitungwiza während des Lockdowns in Simbabwe zu versorgen. Am ersten Tag kochte sie für 14 Menschen aus eigener Tasche. Nachdem mehrere Organisationen über soziale Medien von ihrer Initiative erfahren hatten, sprangen diese mit Spenden bei. Zusammen mit 20 Freiwilligen kocht Samantha derzeit für mehr als eintausend bedürftige Menschen täglich kostenlos und stellt ihnen Hygiene-Sets zur Verfügung.
„Ich wollte zeigen, wie junge Frauen in ihren Gemeinschaften selbst etwas bewirken können, anstatt auf die Hilfe der Regierung oder einer gemeinnützigen Organisation zu warten“, erklärte Mandewo auf die Frage, was sie dazu bewogen habe, ihren Bericht zu schreiben, der dann tatsächlich für den Sauti-Blog-Preis ausgewählt wurde. „Meine Freundin Sammy eröffnete ihre Gemeinschaftsküche mit nicht viel mehr als einer Packung Reis und einer Handvoll Bohnen. Mittlerweile betreibt sie ihre Küche seit mehr als hundert Tagen und hat auch andere Frauen inspiriert, ähnliche Küchen in anderen Teilen des Landes zu eröffnen“, so Mandewo.
Patricia Lamwaka, eine 24-jährige ugandische Jurastudentin, ist eine weitere Finalistin des Wettbewerbs. Sie nahm den neuen Blog als einen besonderen Raum wahr, in dem sie zu Fragen gehört werden kann, die die Auswirkungen von COVID-19 auf junge afrikanische Frauen betreffen.
Ihr Audiobeitrag schildert die prekäre Lage eines Mädchens in Uganda, das während des nationalen Lockdowns zusammen mit ihrem arbeitslosen Vater zu Hause festsitzt. Ihre Mutter als Alleinverdienerin muss währenddessen in ihrem Lebensmittelstand in Quarantäne bleiben, um weiterhin als Marktverkäuferin Geld verdienen zu können.
Fokus auf besondere Probleme junger Frauen
„Das Mädchen steht vor einer schwierigen Entscheidung: Soll sie bleiben und weiter die Ungewissheit ertragen oder soll sie das Risiko eingehen und von zu Hause fortgehen?“, erläutert Lamwaka. „Ganz gleich, wofür sie sich entscheidet: Ich will mit meiner Geschichte den Konflikt verdeutlichen und nachvollziehbar machen.“
Aus Sicht einer jungen Frau wollte ich die Botschaft vermitteln, dass viele von uns täglich mit Problemen konfrontiert sind. Aber ich wollte auch daran erinnern, dass wir Frauen nicht allein sind“, betonte die Uganderin, die darauf verweist, dass afrikanische Mädchen wegen der patriarchalischen Dominanz in ihren Gesellschaften nur selten Gelegenheit haben, sich zu Wort zu melden.
Eine weitere Finalistin des Wettbewerbs ist die 24-jährige malische Bloggerin Tenin Samake. Sie dokumentiert in ihrem Bericht die Lage junger Frauen in Mali, die normalerweise abends ihrer Arbeit nachgehen, zum Beispiel als Kellnerin, Bardame, Kassiererin oder Straßenverkäuferin, aber die wegen der Ausgehbeschränkungen nun um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen.
„Diese jungen Frauen sind am härtesten vom Shutdown betroffen. Weil ihr Tageslohn wegfällt, können sie ihre Familien nicht mehr ernähren“, betont die junge Feministin. „Sie sind in unserer Gesellschaft am stärksten marginalisiert und werden am wenigsten gehört“ so Tenin Samake. „Ich fand es wichtig, den Alltagsproblemen dieser Frauengruppe eine Stimme zu verleihen.“
Angesichts der weiteren Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Lebensgrundlagen junger afrikanischer Frauen fordert Samake, dass Regierungen – in Partnerschaft mit internationalen Organisationen und NGOs – gesellschaftliche und berufliche Initiativen ins Leben rufen, „die sich gezielt an Frauen und Mädchen wenden“ und die ihnen eine gesicherte Beschäftigung ermöglichen.
COVID 19 hat die Geschlechterdisparität erheblich verschärft. Gleichzeitig hat die Gewalt gegen Frauen als Folge der Lockdown-Maßnahmen zugenommen. Doch trotz dieser Schwierigkeiten seien junge afrikanische Frauen resilient und arbeiteten an Lösungen für lange vernachlässigte Probleme, um eine nachhaltige Wirkung in ihren Communities zu erzielen, wie die Herausgeberin von Sauti betont.
Alessandra Bajec
© Qantara.de 2020
Aus dem Englischen von Peter Lammers