Hürriyet für Europa

Mit täglich 600.000 gedruckten Exemplaren ist die "Hürriyet" die auflagenstärkste Zeitung der Türkei. Die Europa-Ausgabe wird die in 24 Ländern vertrieben.

Von Suzanne Cords

Als vor zwei Jahren in Mörfelden-Walldorf südlich von Frankfurt das neue Druck und Verlagshaus der türkischen Dogan Media Group eingeweiht wurde, appellierte der türkische Vize-Premier Mesut Yilmaz an die Verantwortung der Medien "Brücken der Verständigung zwischen den Kulturen" zu bauen.

Zum Medienkonzern Dogan gehören verschiedene Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunkstationen und Fernsehsender. Flagschiff ist das populäre Boulevardblatt "Hürriyet", auf deutsch "Freiheit" bzw. "Unabhängigkeit".

Deutschland im Fokus

Die konservative Tageszeitung war bis dahin eher dafür bekannt, ein nicht gerade positives Deutschlandbild zu zeichnen und die Heimat zu glorifizieren. Dennoch hat sich Hürriyet besonders der "Brücke der Verständigung" verschrieben.

Zunächst war es eine Brücke für die ausgewanderten Türken zur alten Heimat. "Hürriyet" wurde 1965 erstmals für türkische Gastarbeiter in Deutschland eingeflogen. Seit 1973 gab es immer wieder Deutschland-Beilagen.

Anfang 2002 beschloss man, die Beilage ganz auf Deutsch zu gestalten, um besonders die jungen Türken der dritten Generation anzusprechen. In der Redaktion wird allerdings Türkisch gesprochen.

Die europäische "Hürriyet"

Die "Hürriyet" ist mit einer Auflage von 600.000 Stück die meistgelesene türkische Tageszeitung, der in Walldorf ansässige Ableger "Europa-Hürriyet" bedient mit rund 100.000 Exemplaren die Landsleute, die im Ausland leben, erklärt der stellvertretende Chefredakteur Ayhan Can.

"Wir erscheinen in über 20 Ländern von Kanada bis nach Australien, in den ganzen europäischen Ländern bis hin nach Mazedonien", erzählt Can. "Wir haben in vielen europäischen Großstädten Korrespondenzbüros, in London, in Brüssel, in Kopenhagen, in Amsterdam und auch natürlich in vielen Großstädten Deutschlands."

In Deutschland, wo mit circa 70.000 Ausgaben immerhin fast drei Viertel der gesamten Europaauflage verkauft werden, verfügt die Europa-Hürriyet über ein breit gefächertes Korrespondentennetz mit Büros in Berlin, München, Hamburg und Köln.

Ran an den Alltag

Im Juli 2002 zog die Europa-Hürriyet um: vom südlich von Frankfurt gelegenen Zeppelinheim ins benachbarte Städtchen Walldorf. "An der Brücke 20-22" errichtete die Dogan Media Group ein hochmodernes Druck- und Verlagszentrum, eine der größten Investitionen des türkischen Unternehmens in Europa.

Um die 25 Millionen Euro verschlang der Komplex, inklusive Bau- und Grundstückskosten. Hier werden nun die Sportzeitung "Fanatik", die sozial-demokratisch orientierte Tageszeitung "Milliyet", aber auch das "Wallstreet Journal Europe" und die "Sportwelt" gedruckt.

Dort, wo viele Türken leben, da sind auch die Journalisten präsent. "Die Hürriyet in Europa ist der verlängerte Arm der Hürriyet in der Türkei. Wir sammeln hier Nachrichten und schicken sie in die Türkei", berichtet Can.

Die Kollegen in der Türkei bestücken damit die Seiten und schicken das fertige Produkt per Linkleitung nach Deutschland zurück. Gedruckt wird hier. Dass das Dogan-Imperium seine Europazentrale vor 36 Jahren ausgerechnet in Deutschland ansiedelte, ist nicht verwunderlich. Immerhin leben hier rund 2,6 Millionen Türken, mehr als in jedem anderen Land außerhalb der Türkei.

Sprachrohr und Meinungsmacher

Als türkische Gastarbeiter in den 1960er Jahren nach Deutschland kamen, folgten ihnen die "Hürriyet" auf den Fuß. Das Blatt war die Nabelschnur nach Ankara, versorgte die Türken mit Nachrichten aus dem Heimatland und verstand sich als Ratgeber auf dem Weg durch das deutsche Alltagsleben.

"Wir haben gerade für die erste Generation bei komplexen Themen wie Rente, Sozialversicherung, Betriebsrente die 'Übersetzer' gespielt. Die Aufklärungsarbeit kam sehr gut an", erinnert sich Can.

Die erste Generation der türkischen Einwanderer ist zum großen Teil schon im Ruhestand, ihre Kinder und Enkel, die zweite und dritte Generation, sind in Deutschland aufgewachsen. Grund genug für die Zeitungsmacher bei "Hürriyet", sich auf veränderte Lebensgewohnheiten einzustellen und immer wieder das Schlagwort "Integration" in den Mittelpunkt zu stellen.

"Hürriyet" auf Deutsch

Medienmogul Ayit Dogan, ein lautstarker Befürworter des EU-Beitritts, wurde hellhörig. Bis dato hatten Blätter wie die "Hürriyet" nicht selten nationalistische Töne angestimmt.

Das sollte sich jetzt ändern: Dogan ließ in der Europa-Hürriyet nicht nur Johannes Raus Rede über das Zusammenleben verschiedener Kulturen in türkischer und deutscher Sprache abdrucken, sondern überreichte dem Bundespräsidenten im Januar 2002 ein Geschenk: die ersten deutschsprachigen "Hürriyet"-Seiten.

Suzanne Cords

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004