Auf Jahre hinaus verseucht
Eine Gruppe Freiwilliger in weißen Overalls steht am Strand von Byblos. Die 15 Volontäre aus der Stadt nördlich von Beirut arbeiten in der prallen Sonne. Auf einer Plane haben sie schwarze Plastiksäcke voll mit Öl verschmiertem Sand, Holz und anderen Gegenständen gestapelt. Ein Teil des Strandes gleicht der Bountywerbung und ist so sauber wie nie.
Als die israelische Armee am 12. Juli 2006 ihren 33-tägigen Angriff auf den Libanon begann, dauerte es nur einen Tag, bis die Bomben und Raketen die Öltanks des Kraftwerks in Jiyye 30 Kilometer südlich von Beirut in Brand setzten und die fünf Tanks Leck schlugen.
Das Öl lief ins Mittelmeer. Die in dieser Jahreszeit vorherrschende Strömung und der Wind trieben die rund 12.000 Tonnen Heizöl nach Norden in Richtung Beirut und Byblos. Die Küste ist auf einer Länge von 100 Kilometern - je nach den Strömungsbedingungen - unterschiedlich betroffen. Der Hafen in Byblos gehört zu einem der 31 so genannten "schwer verschmutzen" Gebiete.
Staat reagierte zu spät
Nicht nur die Zerstörung dieser Anlagen, auch die gezielten Schläge gegen die Infrastruktur im gesamten Südlibanon sorgten dafür, dass sich noch über Wochen aus den brennenden Tanks die schwarze Masse ins Meer ergoss. Rund 20 Prozent, so Nick Nuttall, vom U.N. Environment Program, sind wahrscheinlich verdunstet, der Rest wird sich nun an den Stränden und auf dem Meeresboden wiederfinden.
"Die Verspätung ist nicht ideal", so die diplomatische Formulierung Rick Steiners, ein Experte, der schon 1989 beim Tankerunglück von Exxon Valdez in Alaska bei der Eindämmung der schwarzen Pest mit von der Partie war. Die Ölverschmutzung im Libanon ist, laut Steiner, gefährlicher als die in Alaska, weil der libanesische Staat so spät reagiert habe.
"Kein Notplan, keine Ausrüstung, selbst die im Ausland ausgebildeten Mitarbeiter des Ministeriums für Umweltschutz haben ihr Wissen nicht umgesetzt", klagt Ali Darwish, Vorsitzender der libanesischen Umweltorganisation Greenline.
"Bei vergleichbaren Unfällen", so Darwish, "sind viele Menschen im Einsatz und säubern die Küste". Hier wurden die ersten Aufräummaßnahmen von ein paar NGOs organisiert. "Wir hatten aber Probleme mit den Ministerien, die unsere Arbeit nicht unterstützten, sondern uns durch das Einholen von Genehmigungen behinderten."
Aus der Katastrophe Kapital schlagen
Der Journalist der arabischen Tageszeitung Akhbar, Bassam Qantar, kritisiert, dass "die Organisation 'Meer Libanon', die der Hariri-Familie nahe steht, die Aufräumarbeiten monopolisiert" habe.
Die Organisation hatte fünf Million Dollar aus Frankreich erhalten und kündigte vollmundig die Säuberung der gesamten libanesischen Küste an. Ein Rennen um die internationalen Gelder setzte ein und behindert die effektive Koordination der Arbeit zwischen den Ministerien, den NGOs und den internationalen Organisationen.
Andere gesundheitliche Belastungen durch Bomben und Staub sind nicht so deutlich sichtbar. Die international geächteten Polychlorierte Biphenyle (PCBs) werden im Libanon in elektrischen Anlagen verwendet. Bei Verbrennung werden giftige Gase freigesetzt, die Geburtsfehler hervorrufen können.
Wenn der Stoff in die Nahrungskette gelangt, schwächt er das Immunsystem. Auch die 40.000 Tonnen verbranntes Kerosin und andere Staub- und Aschepartikel stellen ein Gesundheitsrisiko dar.
Ein weiteres Umweltübel ist der Abraum der zerstörten Gebäude. Nach den ständig aktualisierten Zahlen sind 30.000 Häuser unbewohnbar und müssen abgerissen werden. Vor allem in der südlichen Vorstadt Beiruts wurden bereits Gebäude abgetragen.
Der Abraum wurde vor allem an zwei seenahe Orte im Stadtteil Ouzai gebracht. "Während der ersten drei Tage wurden die Trümmer direkt ins Meer geworfen", so Omer Elnaien, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei Greenpeace in Beirut.
Langzeitfolgen noch nicht abzusehen
"Dann intervenierten Umweltaktivisten", so Elanaien. Mittlerweile sind zwei Schutthügel beim Beiruter Flughafen in den Himmel gewachsen.
Ali Darwish hält diese Praxis für höchst fragwürdig: "Die Trümmer werden nur unzureichend getrennt, und viele Schadstoffe sind zwischen dem Schutt verborgen. Sie werden bald in die Umwelt, das Grundwasser und das Meer abgegeben. Vor allem jetzt, da die Herbstregen eingesetzt haben", so Darwish.
"Die wirklichen Langzeitfolgen dieser Umweltkatastrophe will Greenline weiter untersuchen", so Darwish. So sauber die Strände nach den Aufräumarbeiten scheinen, so komplex ist die Belastung des Biosystems.
"Unsere Organisation will mit internationalen Partnern die Auswirkungen auf die Umwelt wissenschaftlich untersuchen". Auch Greenpeace fordert eine regionale Bestandsaufnahme der Auswirkung des Krieges auf die Umwelt.
Greenline will aber auch den Verursacher – Israel – zur Rechenschaft ziehen. "Mit einer Gruppe von Aktivisten aus Holland bereiten wir eine Klage gegen Israel vor. (…) Wir gehen von einer gezielten Strategie Israels aus, die die Umweltschäden als Druckmittel einsetzten".
Der Kampf für die Umwelt an verschiedenen Fronten wird wohl noch Jahre dauern.
Bernhard Hillenkamp
© Qantara.de 2006
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