Schaden für Wirtschaft und Umwelt
Der florierende Recyclingbetrieb von Raja Mohammed Akhtar Khan kam vor einigen Wochen zum Stillstand. Der 48-jährige Geschäftsmann verdiente monatlich bis zu einer Million pakistanische Rupien. Die von der Regierung angeordnete massenhafte Abschiebung afghanischer Flüchtlinge, von denen viele mit der Sammlung von Müll und Schrott beschäftigt waren, hat seinem Geschäft schweren Schaden zugefügt.
Khan, der aus Jora Pul im Osten Pakistans stammt, ist seit über 22 Jahren im Recyclinggeschäft tätig. Im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW) betont er, dass die afghanischen Flüchtlinge zu den fleißigsten Menschen in Pakistan gehörten.
"In meiner Gegend sammelten afghanische Flüchtlinge täglich etwa 200 Kilogramm Plastik und brachten es in meinen Laden", sagt Khan und gibt zu, dass sie für ihre Arbeit viel weniger als ihre pakistanischen Kollegen berechnet hätten. "Jetzt erhalte ich nur noch 35 kg Plastik pro Tag, was mein Geschäft schwer beeinträchtigt. Für mich bedeutet das einen Verlust von fast 700.000 Rupien pro Monat". Khan fügt hinzu: "Etwa 200 Unternehmen in meiner Region befinden sich in derselben Situation wie ich."
Nachteile für die Industrie
Seit Mitte September 2023 haben die pakistanischen Behörden über 375.000 Afghanen ausgewiesen. Davon sollen rund 20.000 laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bereits deportiert worden sein. Die Abschiebung von Afghanen macht sich nun in großem Maßstab beim Kunststoffrecycling bemerkbar. In diesem Bereich waren bis jetzt vor allem afghanische Arbeitskräfte tätig.
In Pakistan entstehen jedes Jahr etwa 49,6 Millionen Tonnen feste Abfälle. Dieser Müll nimmt laut dem US-Handelsministerium jedes Jahr um mehr als 2,4 Prozent zu, wobei etwa 9 Prozent des Mülls aus Kunststoff besteht.
Laut dem World Wide Fund for Nature (WWF) gibt es in Pakistan rund 250 Millionen Tonnen Müll, der zu großen Teilen aus Plastiktüten, PET-Flaschen und Essensresten besteht. Ein Teil davon wird in 19 Recyclinganlagen in ganz Pakistan zur Wiederverwendung aufbereitet.
Waleed Hameed, Leiter der Abteilung für soziale Verantwortung bei "Five Star Polymer Private Limited", einer Recyclingfabrik in Lahore, sagt im Gespräch mit DW, dass mehrere Recyclinganlagen von afghanischen Arbeitern abhängig seien.
Hameed sagt, seit der Entscheidung der Regierung, afghanische Flüchtlinge abzuschieben, sei die Sammlung von Plastikabfällen um 43 Prozent eingebrochen und die Polyesterproduktion um 50 Prozent gesunken. Zugleich seien die Kosten für Arbeitskräfte gestiegen, was es der Recyclingindustrie schwer mache zu überleben. "Wenn das so weitergeht, wird die Branche wahrscheinlich enorme finanzielle Verluste erleiden", befürchtet Hameed im Gespräch mit der DW.
Nasir Khan, ein Schrotthändler aus Pakistans südlicher Hafenstadt Karachi, sagt, die Sammlung von Kunststoff und anderen Materialien sei drastisch zurückgegangen. Die Sammlung von Kunststoff und Schrott sei das "alleinige Gebiet der afghanischen Flüchtlinge" gewesen, die 16 bis 18 Stunden pro Tag lang Müll gesammelt und sortiert hätten, sagt Khan im Gespräch mit der DW.
Ein Inspektor der "Capital Development Authority" in Islamabad, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagt der DW, dass das Recycling von Müll in Pakistan nach Beginn der Abschiebungen afghanischer Flüchtlinge extrem schwierig geworden sei. "Mit den reduzierten Arbeitskräften ist es für uns unmöglich, eine solche Sortierung überhaupt vorzunehmen."
Ökologische Folgen
Umweltschützer warnen davor, dass der Niedergang der Recyclingindustrie in Pakistan die Umweltverschmutzung im Land weiter verschärfen könnte. Nach Angaben des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) weist Pakistan eine der höchsten Mengen an schlecht entsorgtem Plastik in ganz Südasien auf.
In Pakistan werden jedes Jahr mehr als 3,3 Millionen Tonnen Plastik verschwendet, wobei der Großteil davon auf zum Teil auch unbewirtschafteten Mülldeponien landet oder über Land und Gewässer im ganzen Land verstreut wird.
Afia Salam, eine Umweltschützerin, sagt der DW, Unternehmen in Pakistan hätten gerade erst begonnen, sich für das Recycling von Kunststoffen zu interessieren. Nun belaste die Abschiebung afghanischer Flüchtlinge diesen gerade erst entstehenden Geschäftszweig.
Schon jetzt seien negative Auswirkungen sichtbar wie sinkende Produktion und ein schwindendes Angebot an Plastikflaschen, sagt Salam und betont: "Es wird voraussichtlich einige Zeit dauern, bis die Lücke durch pakistanische Arbeiter gefüllt werden kann".
Arbeitskräftemangel mit Folgen
Muhammad Saad Saleem, ein auf nachhaltige Entwicklung spezialisierter Experte aus Islamabad, bezweifelt, dass pakistanische Arbeiter diese Lücke füllen können. "Dies ist eine extrem arbeitsintensive Arbeit. Pakistanische Arbeiter, insbesondere im Punjab, werden nicht bereit sein, sie zu übernehmen". Gegenüber der DW sagt Saleem für die kommenden Monaten massiven Arbeitskräftemangel auf dem Recyclingmarkt voraus.
Hameed sagt, dass sein Unternehmen 32 Produkte aus PET-Flaschen herstellt. Im vergangenen Jahr seien mehr als 18.000 Tonnen Plastikflaschen recycelt worden. "Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir die gleiche Menge auch im nächsten Jahr recyceln können - nach der Abschiebung von Hunderttausenden von afghanischen Abfallsammlern und Arbeitern", sagte Hameed. Er fügt hinzu, dass in Pakistan jährlich 170.000 Flaschen für die Getränkeindustrie hergestellt werden. "Diese und anderen Plastikabfall ohne afghanische Flüchtlinge zu sammeln, wird eine schwierige Aufgabe sein."
S. Khan
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