Hat Ihnen Ihre Plastikmahlzeit heute geschmeckt?
Plastik zersetzt sich nicht; sie zerfällt lediglich in winzig kleine Teilchen von weniger als 2,5 mm, die man Mikroplastik nennt, und wird zum Bestandteil unserer Nahrungskette. Sie ist krebserregend und verursacht hormonelle Störungen. Ihren Weg in unsere Körper findet sie auf zwei grundlegenden Wegen: Erstens, wenn unser Trinkwasser mit Mikroplastik verschmutzt ist, und zweitens, wenn Tiere versehentlich Plastik, die sie nicht immer von richtiger Nahrung unterscheiden können, fressen und diese Tiere dann auf unseren Tellern landen.
In Entwicklungsländern wie Ägypten, wo das Vieh oft in der Wildnis oder gar auf Mülldeponien gehalten wird, ist es nicht abwegig zu befürchten, dass Plastik einen Teil der täglichen Nahrung unserer Tiere darstellt. Doch selbst auf Farmen, wo die Viehzucht kontrolliert verläuft, hat das Tierfutter sehr wahrscheinlich einen Plastikanteil – das ist nicht nur in Ägypten die traurige Realität.
Das Problem ist nicht das Material Plastik an sich, sondern die daraus gefertigten Einwegprodukte. Denn grundsätzlich ist Plastik ein sehr nützliches und vielseitiges Material, dass in fast allen Gegenständen unseres Alltags verarbeitet ist – in Laptops, Handys, Kleidung, Isolationsstoffen und noch unzähligen anderen Dingen.
Einwegplastik hingegen benutzen wir vielleicht für ein paar Minuten oder nur Sekunden, bevor sie dann bis zu 450 Jahre lang unsere Umwelt, vor allem die Ozeane, verpestet.
Einwegprodukte aus Plastik, wie Tüten, Teller, Becher oder Flaschen, sind zudem so leicht, dass nur ein kleiner Windstoß genügt, um sie in die Lüfte und zum nächsten Gewässer zu befördern: Endstation Ozean. In Ägypten allein wurden 2017 zwölf Milliarden Plastiktüten produziert – eine schwer zu verdauende Information im wahrsten Sinne.
"Plastic Ban Movement": Warum wir ein Verbot brauchen
Alexandria ist Ägyptens größte Küstenstadt und am stärksten von der Vermüllung des Meeres betroffen: also der perfekte Ausgangsort für das Team von Banlastic, um sich mit seiner Anti-Plastik-Initiative den Umweltbewegungen in über 70 anderen Ländern anzuschließen.
Wenn das Leben in unseren Meeren und die allgemeine Ästhetik nicht Gründe genug sind, so kommt auch noch hinzu, dass Plastikprodukte häufig Abflüsse verstopfen und in der Wintersaison Überflutungen verursachen.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen jedoch die dramatischen Auswirkungen, die Plastik auf unsere Ökosysteme hat. Im Sommer 2017 erlebte die Nordküste Ägyptens eine wahre Qualleninvasion, die zum Unmut der Strandgänger das Baden verhinderte. Was hat das mit Einwegplastik zu tun, fragen Sie sich?
Hier die Auflösung: Schildkröten fressen Quallen; doch Plastiktüten können Quallen verblüffend ähnlichsehen und so kommt es vor, dass Schildkröten versehentlich Plastiktüten fressen, an denen sie elendig ersticken.
Einwegplastik hat in diesem Fall das ökologische Gleichgewicht aus der Bahn geworfen und außerdem dazu beigetragen, dass Meeresschildkröten vom Aussterben bedroht sind. Das war für uns der Hauptbeweggrund, Banlastic Egypt in Alexandria ins Leben zu rufen.
Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren haben wir uns moderner partizipatorischer Mittel bedient wie der sozialen Medien, interaktiver Workshops und sogenannter Beach Clean-Ups, also Strandsäuberungen, die sich als effektives Mittel zur Bekanntmachung unserer Anti-Plastik-Bewegung bewährt haben.
Die Interaktion mit den Strandbesuchern, die oft ganz direkt zur Vermüllung der Küsten und Meere beitragen, war für uns eine Priorität. Wir sprachen mit ihnen, zeigten ihnen Bilder von den dramatischen Einflüssen von Plastik auf die Tierwelt, involvierten Kinder spielerisch in die Müllsammlung und belohnten sie dafür mir plastikfreien Snacks. Im Sommer 2019 waren wir so in der Lage, hunderte von Besucherinnen und Besucher in Alexandria zu erreichen und involvieren.
Ein neuer Ansatz, den wir in der Woche des Klimastreiks am 21. September 2019 verfolgt haben, war es Fotos von umweltschädlichen Verpackungen zu machen, auf den sozialen Medien hochzuladen und die Firmen hinter den jeweiligen Produkten zu taggen. So wollten wir Druck auf sie ausüben, damit mehr Geld in die Entwicklung von umweltfreundlichen Verpackungen investiert wird. Die teilnehmenden Studentinnen und Studenten entwarfen für den Klimastreik Plakate, die sie in den sozialen Medien verbreiteten.
Wie effektiv sind Aktionen wie "Beach Clean-Ups"?
In Umweltschutzkreisen und allgemein wird diskutiert, ob Aktionen wie Beach Clean-Ups wirklich dabei helfen, dass Müllproblem zu lösen, wenn Strandbesucher gleichzeitig nichts an ihrem rücksichtslosen Verhalten ändern. Welchen Unterschied machen unsere Strandsäuberungen, wenn die Kultur gleichbleibt?
Manche verstehen unter diesen Aktionen jedoch friedliche grüne Demonstrationen, die die Menschen einerseits auf die Schäden, die ihr Müll verursacht, und andererseits auf die Schönheit sauberer Strände aufmerksam machen. Beach Clean-Ups üben außerdem sozialen Druck auf Umweltverschmutzer aus. Sie fordern die stillschweigende gesellschaftliche Akzeptanz der Vermüllung heraus und tragen im Gegenzug dazu bei, umweltbewusste und rücksichtsvolle Haltungen zu normalisieren.
Wenn Menschen das Gefühl haben, die Gesellschaft könnte ihr Verhalten verurteilen, ist es wahrscheinlicher, dass sie sich entsprechend anpassen. Der andere Teil der Gleichung ist die Regierung. Strandsäuberungen können die Regierung dazu bewegen sich stärker für die Sauberkeit unserer Küsten einzusetzen, zum Beispiel durch die Bereitstellung von mehr Mülleimern oder das Verbot von Einwegplastik an Stränden und schrittweise auch in anderen Kontexten, wie dem Supermarkt.
Aber auch an anderer Stelle gibt es für die Regierung dringend Handlungsbedarf. Denn die Verschmutzung durch Plastik hat nicht nur Auswirkungen auf das Meeresleben, sondern auch auf unser Trinkwasser. In Ägypten sind die meisten Mülldeponien wild und ungeordnet, das heißt sie besitzen keinerlei Bodenisolierung.
Wenn Plastik diese Deponien erreicht, beginnt es unter dem Einfluss verschiedener Faktoren wie Sonneneinstrahlung, Hitze, Wachstum aerober Bakterien und organischen Abfallreaktionen auseinanderzubrechen, dringt in den Erdboden ein und verschmutzt das Grundwasser. Wird dieses Wasser dann zum Trinken oder Bewässern genutzt, kann es viele Gesundheitsprobleme verursachen.
Auch führt die Anhäufung von Plastikmüll im Erdboden und in Kanälen zur Erhöhung der Verdunstungsrate und verschärft so die Wasserknappheit, unter der die Region ohnehin schon leidet. Wenn sich Plastik im Boden anhäuft, erzeugt es kleine Kanäle, durch die sich das Wasser frei bewegen kann. Es wird so viel mehr der Atmosphäre ausgesetzt und verdunstet.
Andererseits verringert die Ansammlung von Plastik in Wasserstraßen den allgemeinen Wasserfluss und vergrößert dadurch die Chance, dass das Wasser verdampft noch ehe es zu den Feldern, die es bewässern soll, gelangt.
Unsere Wasserreserven stehen auf dem Spiel
Aber hier hört das Problem nicht auf. Ein wichtiger Akteur der aktuellen Krise ist die Mineralwasserindustrie. Wenn hier Wasser in Flaschen abgefüllt und verpackt wird, wird in erster Linie Plastik produziert und nicht Wasser. Für jeden abgefüllten Liter Wasser werden drei Liter Trinkwasser für den Herstellungsprozess der Flasche verbraucht. Diese Industrie schadet nicht nur der Umwelt, sondern verschlimmert auch unsere Wasserkrise.
Mineralwasserfirmen verbrauchen die Grundwasservorräte kleiner Dörfer, indem sie tiefe Bohrbrunnen anlegen und das Wasser abpumpen. Den dortigen Gemeinden fehlt es dann am nötigen Wasser zum Trinken und Bewässern der Felder. Besonders dramatisch ist die Situation in sehr abgelegenen Gegenden, wo die Menschen nicht über die Technologien verfügen, um tiefer gelegene Wasservorkommen für ihren täglichen Bedarf zu nutzen
Das Dorf Plachimada in Kerala, Indien, ist ein perfektes Beispiel. Eine Coca-Cola Fabrik nutzte das Grundwasser des Dorfes um Plastikflaschen herzustellen und entließ es danach wieder in die umliegenden Flüsse. Das führte nicht nur dazu, dass das Grundwasser sank und für die Landwirtschaft nicht länger ausreichte. Auch das Trinkwasser wurde verschmutzt.
Der Gemeinderat des Dorfes, das Panchayat, ging mit dem Fall zum Obersten Gerichtshof des Landes, um die Stilllegung der Fabrik zu bewirken. Seine Klage musste er mit wissenschaftlichen Belegen untermauern. Viele Lobbyisten und Interessenparteien waren in den Fall involviert, bis das Dorf schließlich den Fall mit Unterstützung internationaler Forschungseinrichtungen gewann.
Zweifellos war dies nicht der erste Fall seiner Art und wird auch nicht der letzte sein. Überall auf der Welt müssen kleine Dörfer riesigen Konzernen die Stirn bieten, die ihre Ressourcen verbrauchen oder verschmutzen und den Zugriff auf sauberes Wasser behindern – zugunsten der Herstellung von Einwegplastik.
Wir könnten der Vermüllung unserer Meere entscheidend Einhalt gebieten, indem wir Einwegplastikprodukte einfach boykottieren. Warum besinnen wir uns nicht auf die praktische Weisheit unserer Großmütter zurück: bringen eigene Behälter mit, um ful (Bohnen) zu kaufen, verwenden ein Netz für unser balady-Brot, gehen mit unseren Stoffbeuteln einkaufen und füllen unsere Glasflaschen auf? Vor allem aber müssen wir auf solch unsinniges Zeug wie Plastikstrohalme verzichten – oder zumindest, wenn es wirklich sein muss, auf Edelstahl, Papier oder Bambus umsteigen.
Wenn Sie das nächste Mal eine Wasserflasche oder ein abgepacktes Essen kaufen wollen, stellen Sie vielleicht fest, dass auch Ihnen der Appetit auf Plastik vergangen ist.
Manar Ramadan
© Goethe-Institut/Perspektiven 2020
Manar Ramadan ist die Mitbegründerin der NGO Banlastic Egypt, welche daran arbeitet Einwegplastikprodukte verbieten zu lassen. Manar hat einen B.SC. in Elektrotechnik und einen MA in nachhaltiger Entwicklung.