Allein auf der "Achse des Bösen"
Wie kann ein Staat den "Schwarzhandel" effektiv organisieren? Eine merkwürdige Frage, möchte man meinen: Der Staat ist doch gerade dafür da, Schmuggel und Schieberei zu bekämpfen – nicht zu organisieren.
Aber der Einwand ist nur im Prinzip richtig, denn es gibt Ausnahmen und Sonderfälle. Ein Staat, der den "Schwarzhandel" bekämpfen will, muss selbst ein halbwegs normaler Staat sein; außerdem muss die Zeit, in der er agiert, ebenfalls eine normale, will heißen, eine Friedenszeit sein. Und genau diese Ausnahmen sind es, die uns zum Iran und zu seinem Erdöl führen.
Die Islamische Republik Iran ist kein normaler Staat. Sie ist jedenfalls keine Republik im herkömmlichen Sinne. Und dieser besondere Staat befindet sich gegenwärtig in einer Art Kriegszustand. Und deshalb sieht er sich gezwungen, Schwarzhandel zu betreiben, anstatt diesen zu bekämpfen. Denn der "Gottesstaat" sucht in diesen sonderbaren Zeiten dringend Wege und Methoden, um dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, ein Schnippchen zu schlagen. Und er glaubt, fündig geworden zu sein.
"Schmerzhafte Sanktionen"
Trump sprach von "schmerzhaften Sanktionen" in Hinblick auf den Iran. So will er etwa die Bankverbindungen des Landes zur Außenwelt kappen, den Verkauf bestimmter Güter an den Iran verbieten und den Kauf iranischen Erdöls unter Strafe stellen. Doch die Machthaber in Teheran haben sich einiges einfallen lassen, um ihr wichtigstes Exportgut weiterhin an den Kunden bringen zu können.
Mitte Oktober eröffnete der iranische Vizepräsident Ishagh Jahangiri in Teheran eine Börse, die in ihrer Art einmalig in der Welt sein dürfte. Sie nennt sich Energiebörse. Der Staat tritt dort als Verkäufer auf und bietet Erdöl an: zu verschiffen am Persischen Golf und pro Barrel bis zu fünf Dollar billiger als der Tagespreis auf dem Weltmarkt. Der Käufer bleibt anonym, damit die USA ihn nicht bestrafen können. Er muss allerdings kleine wendige Tankschiffe zur Verfügung haben. Diese Schiffe dürfen außerdem höchstens 37.000 Tonnen Öl laden und müssen ohne Navigation auf den Weltmeeren unterwegs sein, um nicht geortetet werden zu können. Der Käufer zahlt im voraus 20 Prozent des Preises in iranischer Währung, den Rest nach dem Weiterverkauf des Öls in US-Dollar oder Euro.
Bei diesen Deals bleibe alles anonym, verspricht die Regierung: nicht nur der Name des Käufers, sondern auch der des Endabnehmers. Auch wo der Öltanker herkommt und unter welcher Flagge er unterwegs ist, werde nicht bekannt gegeben. Damit glaubt die Regierung in Teheran einen Weg gefunden zu haben, um mindestens eine Million Barrel Öl pro Tag verkaufen zu können.
Dubioser Handel mit dem "schwarzen Gold"
Es ist ein ökonomisches Wagnis mit vielen Ungewissheiten. Ob der Staat durch diesen illegalen Handel tatsächlich den kompletten Preis für sein Öl erzielt, ist ungewiss. Außerdem sind sich alle Beobachter einig, dass dieser undurchsichtige Weg des Ölverkaufs der Korruption im Land weiter Tür und Tor öffnet.
Denn schon einmal beschritt die Islamische Republik diesen verhängnisvollen Weg. Das war 2008 und Mahmud Ahmadinedschad damals Irans Präsident. Auch er musste damals den Erdölverkauf dubiosen Zwischenhändlern überlassen, um internationale Embargos zu umgehen. Das lukrative Erdölgeschäft übernahmen seine Vertrauten. Acht Jahre lang blühte der illegale Handel mit dem "schwarzen Gold". Am Ende gab es zahlreiche unglaubliche Korruptionsskandale, die reichlich Stoff für Romane schreiben oder Kino-Thriller bieten. Der Chef der Nationalbank setzte sich etwa mit Milliarden nach Kanada ab, eine andere schillernde Figur, der einstige Chauffeur eines wichtigen Funktionärs, wurde über Nacht Multimillionär und steht heute vor Gericht. Man wirft ihm vor, Milliarden Dollar aus dem Ölverkauf unterschlagen zu haben.
Doch trotz oder gerade wegen des "Schwarzhandels" und der Schiebereien erreichte Ahmadinedschad einen nie dagewesenen Rekord. In den acht Jahren seiner Präsidentschaft verkaufte er Erdöl im Wert von 800 Milliarden Dollar – mehr als alles, was der Iran seit der Entdeckung seiner Erdölquellen jemals erzielt hatte.
Trump hat vorgesorgt
Doch ob die windigen "Schwarzhändler" auch diesmal ähnlich erfolgreich sein werden, ist zweifelhaft. Denn die Trump-Administration hat dieses Mal vorgesorgt. Mitte August ernannte US-Außenminister Mike Pompeo den erfahrenen Politikberater Brian Hook zum Iran-Sonderbeauftragten. Hook war ein enger Berater des früheren Außenministers Rex Tillerson, arbeitete mit dem nationalen Sicherheitsberater John Bolton zusammen, und ist für seine entschiedene Haltung gegen den Iran bekannt.
Nun leitet Hook eine Aktionsgruppe, die iranische An- und Verkäufe weltweit strikt überwacht. Vor allem den Verkauf iranischen Erdöls, auf welchem Weg auch immer, soll sie unterbinden. "Hooks Iran-Aktionsgruppe wird den Druck auf den Iran koordinieren, sie wird für die Steuerung, Überprüfung und Koordinierung aller Aspekte der Aktivitäten des Außenministeriums im Iran zuständig sein und direkt an mich berichten", so Pompeo bei der Vorstellung der Aktionsgruppe.
Offenbar erleben wir eine Zeitenwende in der US-amerikanischen Außenpolitik gegenüber dem Iran. Auf der Webseite des amerikanischen Außenministeriums ist seit Anfang Oktober ein langer Text Pompeos zu lesen. Der Titel: "Confronting Iran: The Trump Administration’s Strategy“.
Schon der erste Satz kündigt an, wohin die Reise gehen soll. Er lautet: "The end of the Cold War forced new thinking among policymakers and analysts about the greatest challenges to U.S. national security". Dem folgt eine lange Analyse, warum die Islamische Republik für die Sicherheit Amerikas und der ganzen Welt eine Gefahr darstelle und für welche Untaten das Regime rund um den Globus verantwortlich sei. Schließlich sagt Pompeo der Führung in Teheran das baldige Ende voraus.
Ein neuer Kalter Krieg gegen den Iran
Liest man den Text gründlich, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass der Iran für die neue US-Regierung die Sowjetunion unserer Zeit darstellt. Und so wie die westliche Welt einst alles daran gesetzt hat, die Sowjetunion zu besiegen, kommt man auch heute nicht umhin, gemeinsam und unter der Führung der USA auf den Niedergang des iranischen Regimes hinzuarbeiten.
Doch die Mächtigen in Teheran haben längst begriffen, worum es den Amerikanern geht. Sie wissen, dass ihre Macht auf dem Spiel steht und warum Donald Trump für die Verkündung seiner neuen Sanktionsliste ausgerechnet den 4. November gewählt hat - den Tag der Besetzung der US-Botschaft in Teheran, als amerikanische Diplomaten als Geiseln genommen, 444 Tage lang festgehalten und fast täglich mit verbundenen Augen der internationalen Presse vorgezeigt wurden.
Beide Seiten haben die Maschinerie des gegenseitigen Hasses in den seither vergangenen vier Dekaden mit aller Kraft in Gang gehalten. Allen sporadischen Annäherungsversuchen zum Trotz gehört die Islamische Republik für die USA weiterhin zur "Achse des Bösen". Einst gehörten hierzu auch Iraks Saddam Hussein und Nordkoreas Diktatoren. Doch nun befindet sich der Iran offenbar ganz allein auf dieser Achse.
Und die Machthaber im Iran setzen ihrerseits alles dran, um diesen Platz zu verteidigen. Jedenfalls propagandistisch: So sitzen in der einstigen US-Botschaft inzwischen die Revolutionsgarden. Und vor dem Gebäude verbrennen Demonstranten alljährlich am 4. November US-Fahnen und erneuern mit Hassparolen ihre Feindschaft mit dem "großen Satan".
Zufall oder nicht: Es war auch ein 4. November, an dem Ayatollah Ruhollah Khomeini, der spätere Gründer der Islamischen Republik, 1964 sein Exil antreten musste. Der Schah habe den Ayatollah auf Anweisung der USA des Landes verwiesen, so die Geschichtsschreibung der Mächtigen in Teheran. Wie auch immer: Dieser Tag ist im Iran nach offizieller Lesart ein Gottestag, an den mit staatlich organisierten Aufmärschen im ganzen Land erinnert wird – und in diesem Jahr aus gegebenem Anlass erst recht.
Staatliche Aufmärsche gegen Sanktionen
"Diesen Gottestag wird Herr Trump uns nicht vergällen oder versauern können", erklärte der iranische Präsident Hassan Rohani vergangenen Dienstag vor dem "Kulturrat für die Islamische Revolution". Dieser mächtige Rat, der seit dem Sieg der Revolution die offizielle Propaganda und die staatlichen Demonstrationen organisiert, hat derzeit viel zu tun.
Denn die Islamische Republik wird bald vierzig Jahre alt, und man hat sich vorgenommen, dieses Ereignis so gigantisch zu feiern, dass alle – Feinde ebenso wie Freunde – beeindruckt sein sollen. So mächtig und prächtig sollen die Festlichkeiten sein, dass sich niemand mehr traut, vor allem Trump nicht, vom Ende der Islamischen Republik zu sprechen.
Doch dem „Gottesstaat“ steht eine ungewisse Zeit bevor. Und es gibt nicht wenige Beobachter, die meinen, die Islamische Republik werde Trumps Amtszeit nicht überstehen. Doch im Iran hält man dagegen: Auf regimetreuen Webseiten liest man derzeit Artikel amerikanischer Autoren, die behaupten, Trump werde die bevorstehenden Zwischenwahlen ebenso verlieren wie die nächste Präsidentschaftswahl.
Ali Sadrzadeh