Spielerisch fremde Umgangsformen lernen

Warum würde sich ein Chinese am Tisch niemals die Nase putzen? Wie heißt der islamische Vorbeter? Das Computerspiel "Xenophilia" führt Jugendliche durch die Welt der Umgangsformen und Bräuche anderer Kulturen.

Von Petra Tabeling

​​Nach der Schule sitzen viele Jugendliche vor dem Computer und holen sich mit Adventure-Games und Ballerspielen irreale Welten auf den Bildschirm. Das Softwarespiel "Xenophilia - Das Interkulturelle Spiel über dich und andere" dagegen bringt eine ganz reale und alltägliche Welt auf den PC-Schirm: die Welt des Zusammenlebens verschiedener Kulturen.

Wie im wirklichen Leben, trifft auch der Spieler zu Hause und auf Reisen immer wieder auf Menschen aus anderen Kulturkreisen. Missverständnisse können dabei nicht nur durch fehlende Sprachkenntnisse entstehen, sondern vor allem durch lückenhaftes Wissen über den Anderen. "Xenophilia" setzt auf Verständnis und klärt spielerisch auf, über kulturelle Werte, Umgangsformen und Gewohnheiten anderer Nationen.

Und so funktioniert es: Der Spieler findet auf fünf verschiedenen Kontinenten rund hundert Fragen vor. Zusätzlich gibt es Hintergrundinformationen über Land und Leute. "Globi", ein kleiner Begleiter, führt während der Tour von Land zu Land durch das Spiel. Wer die Fragen richtig beantwortet, baut Wissensfundamente in der jeweiligen Region auf, so sollen genannte Verständnisbrücken zwischen Deutschland und den anderen Erdregionen aufgebaut werden.

Die Fragen sind äußerst vielschichtig - es sind vor allem Bräuche und Geflogenheiten anderer Länder, die wenn man sie nicht kennt, den Spieler oder die Spielerin ganz schön ins Schwitzen bringen können, deren Antworten aber in jedem Fall sehr amüsant aufbereitet sind.

Warum klebt ein Brotteig an libanesischen Haustüren?

Zum Beispiel bei Antworten darauf, warum man nicht, wie hierzulande üblich, mit offener Hand Menschen in Griechenland begrüßen sollte, warum das Händchen halten unter Männern in arabischen Ländern üblich ist, oder warum manchmal ein Brotteig an libanesischen Haustüren kleben kann.

Die zweite Spielphase von "Xenophilia" beschäftigt sich ausschließlich mit Deutschland: mit Alltag und Sprache, mit Vorurteilen und Minderheiten, Staatsangehörigkeit und Migration. Hier geht es vor allem darum, Jugendlichen zu vermitteln, warum Flüchtlinge nach Deutschland kommen, was Illegalität eigentlich bedeutet oder mit welchen Schwierigkeiten Einwanderer im deutschen Alltag konfrontiert sind.

Vor allem in diesen sensiblen Punkten beweisen die Realisatoren von "Xenophilia" mit viel Fingerspitzengefühl, dass komplizierte Fragen zur Migrations- und Asylpolitik einfach und hintergründig vermittelt werden können. Und nicht zuletzt so auch Vorurteile abgebaut werden.

Erfunden hat "Xenophilia - Das Interkulturelle Spiel über dich und andere" der bayerische Forschungsverbund "forarea". Das Projektteam erhielt für das Spiel zur interkulturellen Verständigung 2002 das begehrte Comenius-Siegel der Gesellschaft für Pädagogik und Information e. V. "Forarea", ein Kompetenznetzwerk für interkulturelle Kommunikation mit Sitz in Erlangen, konnte bereits viele Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln.

Eine Möglichkeit, Vorurteile abzubauen

Die Hauptaufgabe des Forschungsverbundes liegt in der Beratung von Unternehmen und Institutionen in allen Fragen der interkulturellen Kommunikation und Management. Dann entstand, gemeinsam mit dem bayerischen Wissenschaftsministerium, die Idee, ein Lernspiel für die interkulturelle Kompetenz Jugendlicher zu verwirklichen.

Und so ist "Xenophilia" nicht nur für Schulklassen gedacht, sondern auch für jugendliche Migranten oder Jugendclubs, die sich mit integrationsspezifischen Themen befassen, so Sonja Hock, die Initiatorin von "forarea".

In Zeiten abstrakter Integrationsdebatten ist "Xenophilia" eine spielerisch und didaktisch sehr gelungene Möglichkeit, Vorurteile von Jugendlichen abzubauen und so nicht nur spielerisch Brücken zu anderen Kulturen zu bauen.

Daher ist es sehr schade, dass sich nicht noch weitere Kultusministerien und andere intergrationsfördernde Organisationen für eine bundesweite Unterstützung finden ließen. Immerhin: eine Version von "Xenophilia" wird es nun auch in der Schweiz geben.

Petra Tabeling

© Qantara.de 2005

"Xenophilia – Das interkulturelle Spiel über dich und andere", 19.90 Euro

Da das Spiel nicht über den Buchhandel zu beziehen ist, sollten sich Interessierte direkt an den bayerischer Forschungsverbund "forarea" wenden (Ansprechpartnerin: Sonja Hock).

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