Eine gemischte Bilanz

Die 1995 in Barcelona gegründete Euro-Mediterrane Partnerschaft ist der bislang umfassendste Versuch der Europäischen Union, ein globales Regionalkonzept für den Mittelmeerraum zu entwerfen. Eine Bilanz von Isabel Schäfer

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Die EU-Außenministerkonferenz vom 27-28 November 1995 bildete den Beginn der Euro-Mediterranen Partnerschaft, auch Barcelona-Prozess genannt

​​Die Euro-Mediterrane Partnerschaft galt als ambitioniertes Beispiel dafür, wie eine zukünftige gemeinsame europäische Außenpolitik gegenüber Drittstaaten aussehen könnte.

Dass sich an dem Prozess EU-Mitgliedstaaten und Mittelmeeranrainerstaaten beteiligen, die teilweise miteinander im Konflikt stehen, war und ist ein diplomatisches Meisterstück des europäischen Multilateralismus.

Die Gründungsphase war tatsächlich von einem Partnerschaftsgeist geprägt. Dieser konnte vor allem deshalb entstehen, weil sich auch im Nahostkonflikt durch die Abkommen von Oslo 1993 die politische Situation entspannt hatte. Doch in den nachfolgenden Jahren gestaltete sich die Umsetzung der Euro-Mediterranen Partnerschaft oft schwieriger als erhofft.

Aufteilung in drei Körbe

Das ursprünglich innovative Konzept der Euro-Mediterranen Partnerschaft basiert auf der Aufteilung in drei Körbe, die eng miteinander verknüpft sind:

Die Politische und Sicherheitspartnerschaft mit dem Ziel eines Raums des Friedens und der Stabilität in der Mittelmeerregion, die Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft mit dem Ziel einer Freihandelszone bis 2010 und die Partnerschaft im kulturellen, sozialen und menschlichen Bereich mit dem Ziel der Annährung der Gesellschaften des Mittelmeerraums.

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Konzepts sind Interaktionen zwischen den drei Körben notwendig. Doch die Annahme, dass ökonomische Liberalisierung automatisch politische Liberalisierung in den arabischen Mittelmeerpartnerländern mit sich ziehen würde, musste zum Beispiel bald korrigiert werden.

Charta für Frieden und Stabilität

Neu war auch der Versuch, die Zusammenarbeit gleichzeitig auf regionaler und bilateraler Ebene zu intensivieren, wobei die regionale Ebene nur zehn Prozent der Euro-Mediterranen Partnerschaft umfasst.

Ebenso der Versuch, über die Beteiligung der Zivilgesellschaften Reformprozesse 'von innen' heraus zu unterstützen und über eine rein zwischenstaatliche Zusammenarbeit hinauszugehen.

An dem Prozess beteiligten sich erst 15, nun alle 25 EU-Mitgliedstaaten; die beteiligten Mittelmeeranrainer-staaten sind Marokko, Tunesien, Algerien, Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon, die Palästinensische Autonomiebehörde, Israel, Zypern, Malta und die Türkei. Im Mai 2004 sind Malta und Zypern der EU beigetreten.Wenn das Konzept der Euro-Mediterranen Partnerschaft weiterhin einen geeigneten Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und den südlichen und östlichen Mittelmeeranrainern bietet, so fällt die Bilanz der konkreten Implementierung gemischt aus.

Eines der zentralen Projekte der Politischen und Sicherheitspartnerschaft war die Charta für Frieden und Stabilität, die als ein Verhaltenskodex für friedliches Konfliktmanagement gedacht war und einen kontinuierlichen politischen Dialog im Konfliktfall garantieren sollte.

Die Charta konnte bis heute nicht unterzeichnet werden, da der politische Dialog vor allem durch das Scheitern des Nahostfriedensprozesses nach 1996 in eine Sackgasse geriet.

Informelle Gespräche

Aus gleichem Grund mussten bislang alle offiziellen Außenminister-Konferenzen auf europäischem Boden stattfinden und wurden mehrfach von Syrien und Libanon aus Protest gegen die israelische Politik in den besetzten Gebieten boykottiert.

Ein Teilerfolg des ersten Korbs ist immerhin, dass informelle Gespräche zwischen den am Nahostkonflikt beteiligten Akteuren stattfanden, selbst wenn die offiziellen Gespräche im Rahmen des Nahostfriedensprozesses abgebrochen waren.

Auch finden vertrauensbildende Maßnahmen statt, wie etwa die regelmäßigen Treffen der Senior Officials, das Forschungsnetzwerk EuroMesCo oder Informationsaustausch über Manöver.

Mangelnder Druck in Menschenrechtsfragen

Aber von der in den Assoziierungsabkommen verankerten Konditionalitätsklausel macht die EU keinen Gebrauch; sie übt kaum politischen Druck auf die Regime der "Partnerstaaten" in Fragen der Menschenrechte aus und vernachlässigt ihren Demokratisierungsanspruch zugunsten der ökonomischen Zusammenarbeit und politischen "Stabilität".

Die Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft ist das Kernstück des Prozesses und am weitesten fortgeschritten. Die EU hat bilaterale Assoziierungsabkommen mit allen teilnehmenden Mittelmeerstaaten, mit Ausnahme Syriens, abgeschlossen.

Somit ist die erste Etappe zur Etablierung der angestrebten Freihandelszone erreicht. In einem zweiten Schritt soll nun die regionale Integration vorangebracht werden, indem die Mittelmeerdrittländer auch untereinander Freihandelsabkommen unterzeichnen, nach dem Modell des 2004 unterzeichneten Agadir-Freihandelsabkommens.

Zentrale Probleme bestehen weiterhin im unterentwickelten Privatsektor, in fehlenden ausländischen Direktinvestitionen, fortbestehenden Handelsschranken, mangelnder Modernisierung und Diversifizierung der Produktion.

Erfolge in der Kulturzusammenarbeit

Mit der kulturellen und sozialen Partnerschaft trägt die EU der kulturellen Dimension ihrer Außenbeziehungen zu den Mittelmeerdrittstaaten Rechnung. Wenn die Bilanz in diffizilen Bereichen der Zusammenarbeit, wie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder dem Respekt der Menschenrechte, gering ausfällt, so konnten in der Kulturzusammenarbeit einige Erfolge erzielt werden.
Isabel Schäfer, geb. 1967 in Saarbrücken, ist seit April 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients. Die Euro-Mediterrane Partnerschaft ist einer ihrer Arbeits-schwerpunkte.
Zahlreiche Konferenzen und kulturelle Aktivitäten fanden statt, die Regionalprogramme Euromed Heritage und Euromed Audiovisual wurden lanciert. Im Rahmen des Euromed Zivilforums treffen sich regelmäßig Vertreter der Zivilgesellschaften.

Die Anna-Lindh-Stiftung für den euro-mediterranen Kulturdialog nahm im Frühjahr 2005 ihre Arbeit in Alexandria auf. Es ist die erste Institution des Barcelona-Prozesses auf 'arabischem Boden' und verfügt somit über große Symbolkraft.

Mittels der Kulturprogramme können Kulturakteure rund ums Mittelmeer gemeinsame Projekte realisieren, die auch zur nachhaltigen Entwicklung und Vermittlung von technologischem Know-how beitragen.

Schließung der EU-Grenzen

Im Bereich Migration wurde bislang wenig unternommen und angesichts der Situation von Flüchtlingen an den Grenzen Marokkos, Spaniens oder Italiens keine konstruktiven Vorschläge erarbeitet.

Vom ursprünglichen Ziel, die Lebensbedingungen der Gesellschaften Nordafrikas so zu verbessern, dass die Zahl der Einwanderer nach Europa wieder sinken würde, ist man weit entfernt. Hier wird auch der innere Widerspruch des Barcelona-Prozesses deutlich:

Einerseits erfindet man den Mittelmeerraum politisch und kulturell neu, indem man einen Raum der Verständigung, des Friedens und der Stabilität zu schaffen versucht, andererseits verfolgt die EU eine Politik der Abgrenzung, indem sie ihre Grenzen immer energischer schließt.

Die Co-Ownership der südlichen und östlichen Mittelmeeranrainer an der Euro-Mediterranen Partnerschaft ist weiterhin gering. Unter den EU-Mitgliedstaaten sind einzelne Länder wie Frankreich, Italien und Spanien sehr aktiv, andere weniger; teilweise entsteht eine kontraproduktive Konkurrenzsituation, auch unter den nichtstaatlichen Akteuren.

Teilweise enttäuschende Bilanz

Immer wieder wird die zu geringe Sichtbarkeit der Maßnahmen und der Euro-Mediterranen Partnerschaft insgesamt beklagt.

Die europäische Nachbarschaftspolitik soll zwar komplementär zur Euro-Mediterranen Partnerschaft sein und diese keinesfalls ablösen, aber mittelfristig bedeutet sie doch eine Rückkehr zum Bilateralismus und eine Vernachlässigung der regionalen Zusammenarbeit im Rahmen der Euro-Mediterranen Partnerschaft.

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kontakt@qantara.de Wenn die Bilanz der bisherigen Umsetzung der Euro-Mediterranen Partnerschaft also teilweise enttäuschend ausfällt, so befindet sich der durch die Euro-Mediterrane Partnerschaft verkörperte außenpolitische Ansatz der Europäer doch im internationalen Aufwind, wie die Debatte über Reformen in der arabischen Welt gezeigt hat.

Die Euro-Mediterrane Partnerschaft ist das Kernstück der neuen "Strategischen Partnerschaft der EU mit dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten." Selbst die USA interessieren sich plötzlich für die Euro-Mediterrane Partnerschaft.

Erwartungen sollten überdacht werden

Die Euro-Mediterrane Partnerschaft hat dazu beigetragen, bei den beteiligten Akteuren das Bewusstsein über eine gemeinsame Verantwortung für den Mittelmeerraum zu fördern.

Gegenseitige Vorurteile konnten abgebaut werden und neue transnationale Netzwerke im Mittelmeerraum entstehen, die inzwischen eine Eigendynamik entwickelt haben.

Die Annäherung zwischen den Gesellschaften Europas und des südlichen und östlichen Mittelmeerraums ist ein langwieriger und langfristig angelegter Prozess. Dementsprechend sollten die hochgeschraubten und oft unrealistischen Erwartungen an den Barcelona-Prozess überdacht werden.

Auch wenn vom Partnerschaftsgeist heute nicht mehr viel übrig ist, das Konzept der Euro-Mediterranen Partnerschaft bleibt sinnvoll. Die Instrumente und die Implementierung können noch verbessert werden.

Isabel Schäfer

© Qantara.de 2005

Qantara.de

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Lesen Sie auch auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung:

Webseite der Europäischen Union zur Euro-Mediterranen Partnerschaft (engl.)
Anna-Lindh-Stiftung (engl./franz./arab.)