Integration "made in Germany"
Ausgerechnet aus Kanada kommt Lob. Der britisch-kanadische Bestsellerautor und Migrationsexperte Doug Saunders bescheinigt Deutschland beim Thema Integration Erfolg. Saunders ist Autor des Bestsellers "Die neue Völkerwanderung - Arrival City". In dem Report beschreibt er die große Völkerwanderung vom Land in die Städte und schildert ihre Auswirkungen in den USA, China, Frankreich, Großbritannien, der Türkei und in Deutschland.
Musterstädte der Integration, sogenannte "Arrival Cities", sind für ihn Städte, in denen Migranten Arbeit finden und sich eine neue Heimat aufbauen können, also ankommen. In Deutschland gehören dazu die Berliner Stadtteile Neukölln, Wedding und Kreuzberg und das hessische Offenbach. Die Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil in Deutschland (37 Prozent) verfügt seiner Ansicht nach über die vier Kriterien, die eine erfolgreiche Integration ermöglichen: Nähe zu Arbeitsplätzen und Bildungsangeboten, bezahlbaren Wohnraum und funktionierende Netzwerke.
"Arrival Country Germany"
Die großen Wanderungsbewegungen, die Doug Saunders beschreibt, sind auch Bestandteil der jüngsten deutschen Geschichte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen zunächst Millionen von Vertriebenen nach Westdeutschland, dann Millionen von Gastarbeitern.
In den 1990er Jahren lösten die Balkankriege eine große Fluchtbewegung aus. Und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kamen Millionen von Aussiedlern nach Deutschland. 2004 folgte im Zuge der EU-Osterweiterung eine neue Wanderungsbewegung. 2015 schließlich nahm Deutschland knapp eine Million Flüchtlinge auf.
Einwanderungsland Deutschland: 2017 lebten hierzulande laut Ausländerzentralregister (AZR) rund 10,6 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Einen Migrationshintergrund wiesen rund 18,6 Millionen Menschen der insgesamt 82 Millionen Einwohner auf.
Doch wie weit ist der Weg von der "Arrival City" Offenbach zum "Arrival Country" Germany? Ein Blick in die amtlichen Statistiken offenbart, dass die Integration in Deutschland trotz aller Probleme und Defizite oft weiter ist als angenommen. Der positive Trend wurde bereits 2015 durch die Studie "Migrant Integration Policy Index" nachgewiesen. Nachfolgend fünf Bereiche, in denen Fortschritte erzielt wurden:
Bildung: Zwischen 2005 und 2016 haben junge Migranten im Bereich der akademischen Bildung ihren Rückstand aufgeholt. Schafften 2005 gerade einmal 13,9 Prozent der 25- bis 35-Jährigen einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss, waren es 2016 laut Statistischem Bundesamt bereits 26 Prozent.
Auch die Schulbildung nimmt zu. Laut offiziellem Integrationsbericht stieg der Anteil der Abiturienten bei Schülern mit familiären Einwanderungsgeschichten von neun Prozent (2010) auf 17 Prozent (2015). Einen mittleren Abschluss erwarben 2015 rund 44 Prozent, sechs Prozent mehr als 2010.
Beschäftigung: Die Zahl der Arbeitslosen sinkt auch bei Zuwanderern. Der Anteil der Erwerbslosen mit Migrationshintergrund fiel von 17,9 Prozent im Jahr 2005 auf 7,1 Prozent im Jahr 2016. Er liegt allerdings noch immer wesentlich höher als bei der deutschen Bevölkerung. Hier sank die Arbeitslosenrate im Vergleichszeitraum von 9,8 auf 3,4 Prozent.
Positive Entwicklungen gibt es auch bei der Gruppe der Asylbewerber. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gehen inzwischen 216.000 Flüchtlinge, also jeder Vierte, der seit 2015 aus Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland gekommen ist, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Geringfügig Beschäftige sind in dieser Statistik nicht berücksichtigt.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt, dass allein in diesem Jahr 100.000 Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt einsteigen werden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Zahl der Sozialhilfeempfänger unter arabischen und afrikanischen Flüchtlingen noch immer sehr hoch ist. Eine knappe Million lebt von den staatlichen Leistungen.
Einbürgerung: Die Zahl der Einbürgerungen nimmt seit 2014 wieder kontinuierlich zu. Vor vier Jahren erwarben 108.422 Zuwanderer die deutsche Staatsbürgerschaft, im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 112.211 Personen. Auf dem Höhepunkt der Aussiedlerwelle Ende der 1990er Jahre war die Zahl der Einbürgerungen allerdings fast doppelt so hoch. Am häufigsten lassen sich türkische Staatsangehörige einbürgern.
Politische Teilhabe: Von den insgesamt 709 Abgeordneten des neuen Deutschen Bundestages stammen laut Mediendienst Integration 58 aus Einwandererfamilien, was einem Anteil von 8,2 Prozent entspricht. 2013 lag der Anteil bei 5,9 Prozent, im 2009 gewählten Bundestag erst bei 3,4 Prozent. Auch wenn die politische Teilhabe von Migranten kontinuierlich zunimmt – politisch sind sie allerdings weiterhin unterrepräsentiert.
Sport: Karatekämpfer, Kricketspieler, Kicker – die Integrationsarbeit deutscher Sportvereine ist sehr erfolgreich und wird mit öffentlichen Mitteln gefördert. Zu den bekanntesten Projekten gehört die Initiative "1:0 für ein Willkommen" vom Deutschen Fußballbund (DFB). Die Bilanz kann sich sehen lassen: Mehr als 40.000 Flüchtlinge gehören mittlerweile einer Fußballmannschaft an. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) erhält für sein langjähriges Programm "Integration durch Sport" öffentliche Fördermittel.
Astrid Prange
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