Kampflied der Marines
"Rock the Casbah" schaffte es dank seines markanten Piano-Intros und seines ohrwurmartigen Refrains nicht nur auf Platz acht der amerikanischen Charts, in den folgenden Jahrzehnten gab es auch zahlreiche Cover-Versionen von Interpreten wie dem Electronic-Duo "Solar Twins", der Popgruppe "Something for Kate", der christlichen Punk-Metal-Formation "One bad pig", dem Lounge-Arrangeur Richard Cheese und des Rappers Will Smith. Neueinspielungen als Elektronik,- Pop-, Lounge- und Hiphop-Version – und als Krönung noch ein Auftritt bei Bart Simpson – das hatten der Komponist "Topper" Headon und der charismatische Texter Joe Strummer wohl nicht für möglich gehalten und auch nicht unbedingt erwünscht.
"Goood morning Saudi-Arabia!"
Dass aber "Rock the Casbah" ausgerechnet zur Hymne der Golfkriegs-Soldaten während der Operation "Desert Storm" werden sollte, dürfte der anarchistische und pazifistische Strummer wirklich nicht beabsichtigt haben.
DJ Rick Yanku begann seine allmorgendliche Sendung im US-Truppenstützpunkt in Dahran mit dem Ausruf "Goood morning Saudi-Arabia" und spielte dann "Rock the Casbah", der alsbald zum Kampflied jener Marines wurde, die gegen Saddam in den Krieg zogen. Dem ohnehin häufig missverstandenen Text entnahm man vor allem die Aufforderung, die arabische Altstadt zu erschüttern, und Minarette zu bombardieren.
Folgerichtig wählte das Republikaner-Magazin "National Review" die "Clash-Hymne" auf Platz 20 der 50 konservativsten Songs aller Zeiten. Andererseits landete das Stück nach dem 11. September auf der berüchtigten schwarzen Liste jener Lieder, die man besser nicht im Radio spielte. Das wirft dringender denn je die Frage auf, worum es in diesem Stück, das durchsetzt ist mit arabischen, indischen und persischen Begriffen – eigentlich geht.
Minarette mit Bomben pflastern
Überaschenderweise kommt "Rock the Casbah" durchaus verspielt und lustig daher: Da ärgert sich der shareef, der fundamentalistische König einer namenlosen islamistischen Diktatur, über plötzlich ausbrechende Raga-Tanzlust und schickt schließlich gar Kampfjets los, um dem ausufernden Treiben ein Ende zu bereiten – und eben Minarette mit Bomben zu pflastern. Doch auch die Piloten mischen sich bald in den sinnenfrohen Reigen, und singen mit: "Rock The Casbah!" Das passt alles so gut in das vergangene wie das gegenwärtige weltpolitische Klima: 1979 wurde der despotische Schah durch Ayatollah Khomeini entmachtet; die frischgebackene "Islamische Republik Iran" verstand schon damals keinen Spaß und leitete eine umfassende Kulturrevolution ein.
Keine Menschlichkeit im Fanatismus
Das rigorose Verbot westlicher Discomusik inspirierte Strummer seinerzeit zu seinen Textzeilen. Er wollte mit "Rock the Casbah" zum Ausdruck bringen, dass "es keine Zärtlichkeit und keine Menschlichkeit im Fanatismus gibt", so Strummer. Dass eine Punkband mit solchen unorthodoxen Klängen und Songtexten aufwartete, liegt in der unsteten Biografie Joe Strummers begründet: Als Diplomatensohn in der türkischen Hauptstadt Ankara geboren, wuchs er in Indien und Mexiko auf, unternahm später aus London Abstecher nach Teheran.
So mischen sich in den Songs der Clash schon früh britische Rotzigkeit, Reggae, Folk und orientalische Klänge. Auch nach dem frühen Ende der Clash 1985, betätigte sich Strummer als Politaktivist und Multikulturalist, mit deutlichem Einfluss auf Worldmusic-Interpreten wie Manu Chao. Und wäre er nicht überraschend im Dezember 2002 verstorben, müsste man ihn wohl im Umfeld von Attac und G8-Kritikern sehen. So konnte es zu dem wohl einmaligen Fall kommen, dass der arabische Musiker Rachid Taha eine erfolgreiche Coverversion einer Punkband einspielte: "Rock el Casbah".
Amin Farzanefar
© Qantara.de 2007