Hoffnung im Schatten von Krieg und Vertreibung

Seit Monaten schiebt die iranische Regierung afghanische Flüchtlinge ab. In der Heimat drohen Krieg und wirtschaftliche Not. Eine NGO versucht, Hilfe zu leisten.

Von Martin Gerner

Der Wind ist heiß am Grenzübergang Eslameghale. Er treibt einem Sandkörner in die Augen. Zwischen Schlangen von Lastwagen bewegen sich in der Hitze Trauben von Menschen wie in Zeitlupe. Sie schieben wackelige Handkarren vor sich her, auf denen ihr Hab und Gut aufgetürmt ist: Schlafdecken, Kochtöpfe, Kinderspielzeug. Frauen in Kopftuch halten kleine Kinder im Arm. Der Schweiß rinnt ihnen über die Stirn. Die meisten wirken erschöpft, abgekämpft. Die Laster neben ihnen bewegen im Schritttempo Güter über die Grenze.

Die Ware hat es einfacher als die Menschen. Seit einem Jahr schiebt Iran verstärkt legale wie illegale Afghanen ab. Als Grund wird der Druck durch Flüchtlinge aus dem Irak genannt. Mindestens so wahrscheinlich ist, dass die iranische Regierung mit den Ausweisungen das Nachbarland destabilisieren möchte, nach dem Motto 'was die afghanische Regierung trifft, trifft auch die USA'. Tausende werden so zur politischen Verschiebemasse.

"Ich musste von heute auf morgen meine Sachen packen und meine Familie im Iran zurücklassen", erzählt ein junger Mann am Checkpoint.

Auf der afghanischen Seite der Grenze warten Mitarbeiter der Hilfs-organisation HELP in der staubigen Wind einer heißen Nachmittagssonne. Sie sprechen Rückkehrer an. "Im Gegensatz zum UN-Flüchtlingshilfswerk kümmern wir uns auch um jene Rückkehrer, die ohne Papiere sind", sagt Kabir Ahmad.

Perspektiven für die Hoffnungslosen

​​Die 22-jährige Samira mit grünem Kopftuch ist allein mit ihrem Baby unterwegs. Von ihrem Mann, einem Drogenabhängigen, hat sie sich im Iran getrennt. Help bietet ihr, nach einem ersten Gespräch, Logis und Verpflegung. Dafür muss sie vier Monate lang an einer Berufs-Ausbildung teilnehmen.

"Ziel unseres Programms ist es mindestens 1.000 afghanischen Rückkehrern in prekärer Lage eine markttaugliche Perspektive zu bieten", erklärt Alfred Horn, Leiter des Afghanistan-Büros von Help in Herat. "Die Rückkehrer erlernen einen Beruf, um sich selbständig zu machen und ihre Familien zu ernähren."

Der 46-jährige Mir Hamse, ein untersetzter Paschtune mit Frau und sechs Kindern, lebt seit fünf Wochen im Familienheim von Help. Sieben Jahre hat er im iranischen Isfahan auf dem Bau gearbeitet, schwere Betonteile gegossen und geschleppt. Seine Hände sind voller Schnittwunden.

"Die iranischen Behörden haben mir zwei Tage gegeben, um meine Sachen zu packen. Vieles musste ich zurücklassen. Das Gehalt hat mein letzter Arbeitgeber nicht gezahlt."

Hilfe für Bedürftige als staatsfeindlicher Akt

​​Noch im Iran hat sich Mir Hamse an die Partnerorganisation von Help in Persien gewandt. "Wir registrieren diejenigen, die zu uns kommen. Damit sind sie zumindest bis zur Abschiebung rechtlich nicht mehr vogelfrei", sagt die Projektkoordinatorin, die aufgrund der politisch brisanten Tätigkeit ihrer Organisation anonym bleiben will.

Für die iranischen Mitarbeiter von Help ist die Arbeit eine Gradwanderung. Denn offiziell kann jede praktische Hilfe für Afghanen als staatsfeindliche Handlung ausgelegt werden. Vorrübergehend musste das Partner-Büro von Help im Iran deshalb schließen.

Mir Hamse teilt mit seiner Familie in Herat ein Zimmer von 15 Quadratmetern. Seine Frau lernt jetzt Kunsthandwerk. Er selbst geht so häufig es geht in einen Schrebergarten, wo landwirtschaftliche Grundlagen unterrichtet werden.

Hoffnung auf Starthilfe

"Ich habe in Helmand, meiner Heimatprovinz, eine winziges Stück Land. Der Boden dort ist fruchtbar und ich will dorthin zurück", sagt er zuversichtlich. Vor sieben Jahren war Mir Hamse vor den Taliban geflohen. Jetzt herrscht in Teilen Helmands wieder Krieg. Angst vor der Rückkehr habe er aber nicht. "In meinem Dorf herrscht kein Krieg. Aber es fehlt an Wasser. Ich brauche eine Pumpe und hoffe dafür auf eine Starthilfe."

Die Chancen stehen gut. Nach der Ausbildung in Herat übernimmt eine afghanische Partnerorganisation von Help für weitere vier Monate die Betreuung der Rückkehrer. Mir Hamse erhält dann ingesamt 560 US-Dollar, 70 pro Kopf.

"Im besten Fall kann unser Projekt in acht Monaten aus Menschen, die noch vor kurzem Verlierer waren, Gewinner machen", erklärt Alfred Horn. Leicht ist das Unterfangen nicht. Mir Hamse kommt nicht jeden Tag zum Unterricht. Nebenbei arbeitet er in Herat als Tagelöhner. "Nur so kann ich meinen Kindern Kleider kaufen und meine Schulden abbauen", sagt er.

Martin Gerner

© Qantara.de 2008

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