Kein Krieg mehr, doch noch immer zerrissen

UNPD stellte Ende Februar den Bericht zur menschlichen Entwicklung in Afghanistan vor: Trotz wirtschaftlicher Konjunktur ist die Zukunft Afghanistans drei Jahre nach dem Sturz der Taliban weiterhin ungewiss.

Das UN-Enwicklungsprogramm (UNPD) stellte Ende Februar den Bericht zur menschlichen Entwicklung in Afghanistan vor: Trotz wirtschaftlicher Konjunktur ist die Zukunft Afghanistans drei Jahre nach dem Sturz der Taliban weiterhin ungewiss.

Vieles sei erreicht worden seit der ersten Loya Jirga im Dezember 2001 in Bonn, doch rangiere Afghanistan auf dem UNDP-Index zur menschlichen Entwicklung weiterhin ganz unten.

"Der Bericht porträtiert eine Nation, die innerlich noch immer zerrissen ist, auch wenn kein Krieg mehr herrscht", heißt es in der Presseankündigung von UNDP.

Kabul im Zentrum der Aufmerksamkeit

Laut UNDP hat die afghanische Wirtschaft seit 2002 enorm an Fahrt gewonnen, doch sind Armut und Ungleichheit weiterhin sehr groß. Eine Mehrheit der Afghanen befürchte, nichts von den Früchten des Wiederaufbaus abzubekommen, bemerkt der Bericht. Die internationalen Bemühungen hätten sich bislang zu stark auf Kabul und die anderen urbanen Zentren des Landes konzentriert. An der Regierungspolitik und der internationalen Entwicklungshilfe kritisiert der Bericht, sie beteiligten die lokale Bevölkerung nur unzureichend.

Im Bereich Bildung sei die gute Nachricht, dass die Einschulungs- und Studentenzahlen deutlich gestiegen seien. Zugleich gebe es auch hier große Ungleichgewichte: In einigen Regionen gehe nicht einmal jedes fünfte Mädchen zur Schule. Landesweit könnten lediglich knapp 30 Prozent der Erwachsenen lesen und schreiben. Afghanistan, so der Bericht, habe das „schlechteste Bildungssystem der Welt“.

Eine der größten Hürden für ein stabiles Afghanistan ist für die Autoren die Opiumindustrie. Hier hat der Bericht lediglich Hoffnung anzubieten: dass nach der Opium-Rekordernte im vergangenen Jahr der Höhepunkt überschritten sein möge. Laut Zahlen der afghanischen Regierung, die der stellvertretende Innenminister, Mohammad Daud, auf einer UN-Konferenz Anfang März in Wien vorstellte, ist der Opiumanbau in 2004 um 64 Prozent auf 131.000 Hektar gestiegen. Die Einkommen in der Drogenökonomie entsprachen im vergangenen Jahr 60 Prozent des legal erwirtschafteten Sozialprodukts.

Bauern berichten von zerstörten Weizen- und Opiumfeldern

Der Leiter des UN-Büros für Drogen und Kriminalität, Antonio Maria Costa, berichtete in Wien, die afghanische Drogenindustrie mache große Fortschritte bei der Heroinherstellung. Heute würden 80 Prozent des Opiums noch im Land weiterverarbeitet. Vor zehn Jahren seien es erst 20 Prozent gewesen. Costa äußerte die Befürchtung, die zehn mächtigsten afghanischen Drogenbarone könnten sich zu einem Kartell kolumbianischer Art zusammenschließen.

Unterdessen ist der Verdacht aufgekommen, die USA und Großbritannien besprühten ohne Zustimmung der afghanischen Regierung Mohnfelder mit Pestiziden. Laut einem Bericht der New York Times berichteten Bauern in mehreren Provinzen von zerstörten Weizen- und Opiumfeldern sowie toten Tieren. Der Zeitung zufolge fanden afghanische und ausländische Behördenmitarbeiter auf den Feldern granulatähnliche Körner, die von zwei westlichen Botschaften zur Analyse ins Ausland geschickt wurden.

Präsident Hamid Karsai verurteilte das Besprühen von Feldern und bat die Botschafter der beiden verdächtigten Länder um Stellungnahmen. Laut NewYork Times hatte die US-Regierung im Dezember 2004 beim Kongress 152 Millionen Dollar für das Besprühen von Opiumfeldern beantragt. Im Januar zog sie den Antrag wieder zurück, nachdem Karsai sich deutlich dagegen ausgesprochen hatte.

Tillmann Elliesen

© Entwicklung und Zusammenarbeit 4/2005

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