Kein Paradies in Pakistan
Als Frau in Pakistan geboren zu werden ist nicht lustig. Laut amnesty international sind alleine im Jahr 2004 1250 Frauen durch so genannte Ehrenmorde ums Leben gekommen – und das sind nur die offiziellen Zahlen, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
Um es gleich vorweg zu sagen: Wer sich von Betsy Udink allgemeine Informationen zur Stellung der Frau im Islam erhofft, wird enttäuscht werden.
Anders als es der sehr allgemein gehaltene Buchtitel vermuten lässt, bewegt sich die Autorin ausschließlich im pakistanischen Kontext und konzentriert sich nur in der ersten Hälfte des Buches auf ihr eigentliches Thema.
In der zweiten Hälfte führt sie uns in andere Abgründe der pakistanischen Gesellschaft ein. Kindesmissbrauch, Verfolgung von Christen und nicht-sunnitischen Muslimen, Organhandel und Korruption der Eliten sind nur einige der Aspekte, die sie anspricht.
Zartes Pflänzchen namens Ehre
In einem leicht zugänglichen Reportagestil fügt sie oft nur lose verbundene Kapitel aneinander und mischt – manchmal auf sehr pathetische Art und Weise – Persönliches und Information.
Von der ersten Seite an geht sie in die Vollen. Wir befinden uns in einem Frauengefängnis in Peshawar. Hier stellt uns die Autorin Gulnaz, Nafisa und einige andere Insassinnen vor. Sie alle haben ihren Gefängnisaufenthalt ihren Männern, Vätern oder Brüdern zu verdanken, die sie der Unzucht und damit der Ehrverletzung bezichtigen. Ein Straftatbestand in Pakistan.
Mit ihrem Gefängnisaufenthalt haben die Frauen aber noch Glück. Hier sind sie wenigstens vor den eigenen Familien sicher. Denn das Töten weiblicher Angehöriger aus Gründen angeblicher Ehrverletzung, so wird eine der Insassinnen zitiert "ist bei uns so üblich".
Oft genügt in der patriarchalischen Stammesgesellschaft Pakistans schon eine Lappalie, um sich dieses Vergehens schuldig zu machen.
Die Schicksale, die Udink schildert, sind erschütternd, und man teilt ihre Wut und Bestürzung über so viel alltägliches Unrecht. Intensiviert wird das Grauen noch durch den Kontrast zwischen Udinks heiler Welt, ihrem paradiesischen Garten, ihrer starken, unabhängigen Tochter, deren Freiheit sie allen Frauen Pakistans wünscht, und den albtraumhaften Berichten über Vergewaltigung, Mord und Verstümmelung, die in Pakistan an der Tagesordnung zu sein scheinen.
"Allahu akbar" statt Applaus
Wie aber nun haben diese schrecklichen Schicksale mit dem Islam zu tun? Udink will uns dies auf einem Umweg erklären und geht genau hier fehl.
Sie nimmt uns mit auf eine Konferenz der "International Muslim Women Union", einer fundamentalistisch orientierten Frauenorganisation. Diese Kapitel sind vielleicht die stärksten des ganzen Buches, denn hier wird die reaktionäre Auslegung des Islam durch die Fundamentalisten auf beklemmende Art und Weise deutlich.
Ihnen geht es darum, einem in ihren Augen korrumpierten Westen den Islam als "eine überlegene Moral und Ethik" gegenüberzustellen. Durch geschickt-plumpe Umdeutung machen sie so aus jeder Diskriminierung der muslimischen Frau am Ende den Beweis ihrer Privilegierung.
Als die "Schwestern", wie sich die Konferenzteilnehmerinnen nennen, beschließen "unislamischen" Applaus durch "Allahu akbar"-Rufe zu ersetzen, möchte man fast lachen, wäre die Situation nicht so beklemmend.
Menschengemachtes Unrecht
Anhand eindeutig fundamentalistischer Aussagen und Pamphlete möchte Udink uns dann zeigen, dass "[d]ie Unterwerfung der Frau ein wesentlicher Bestandteil des Islam" ist. Daran könne keine feministische islamische Ideologie etwas ändern. Die Lage der Frauen in Pakistan steht für sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Islam als solchem.
Genau hier ist Betsy Udink der Vorwurf zu machen, dass sie – anders als im Klappentext des Buches angekündigt – den Islam eben doch pauschal anklagt und aburteilt.
Dabei weist sie selbst doch im Verlauf ihres Buches immer wieder darauf hin, dass Menschenrechtsverletzungen in Pakistan vor allem gesellschaftlich begründet sind.
Das Problem sind die feudalen, hierarchischen Gesellschaftsstrukturen, widergespiegelt in einer politischen Klasse, die das Land ausbeutet und kein Interesse am sozialen Fortschritt für alle hat. Nicht Allah knechtet Eva. Ihr größter Feind ist schlicht der korrumpierte Adam.
Susan Javad
© Qantara.de 2007
Betsy Udink: Allah und Eva. Der Islam und die Frauen. C.H. Beck Verlag 2007. 234 Seiten.
Qantara.de
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