Diskussion um Herausforderungen im Nahen Osten
Desillusioniert wirkten sie beide - die palästinensische Politikerin Hanan Ashrawi und der frühere israelische Außenminister Shlomo Ben-Ami. Bei beiden fiel die Beschreibung der aktuellen Lage in Israel und in den Palästinensergebieten ernüchternd aus: wenig Bewegung und kaum greifbare Perspektiven.
Einen ähnlichen Eindruck hatte auch Außenminister Joschka Fischer auf seiner letzten Nahost-Reise im August. Israelis und Palästinenser würden zwar von einer "Zwei-Staaten-Lösung" sprechen, aber so handeln, als seien sie daran nicht wirklich interessiert:
"Es werden zwar viele Worte gemacht, und es fehlt nicht an Bekenntnissen zur Road Map. Aber wenn es dann zum Beispiel um den Endstatus, die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge oder die Grenzen von 1967 geht, dann bekommt man doch schnell den Eindruck, dass beide Seiten - wenn auch nicht mit Absicht und nicht aus strategischen Gründen - sich von der Zwei-Staaten-Lösung verabschiedet haben."
Druck muss von außen kommen
Zwei Staaten nebeneinander - diese Perspektive sieht auch Ashrawi in weite Ferne gerückt. Der israelische Premier Scharon habe die Road Map nie bedingungslos akzeptiert, schaffe aber mit dem Bau der Mauer und weiteren Siedlungen neue Fakten. Ohne Druck von außen werde sich nichts bewegen.
Die erweiterte EU sollte ihrer Ansicht nach mehr Initiative zeigen. Die US-Regierung engagiere sich zurzeit nicht, da sie mitten im Wahlkampf stecke. Für die Palästinenser habe der Stillstand schwerwiegende Folgen.
"Wir können es uns nicht leisten zu warten, bis in Palästina alles auseinander fällt", so Ashrawi. "Diese Gefahr besteht. Wir sind das einzige Volk, das einen Weg der Rückentwicklung und Regression geht, und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern in jeder Hinsicht - in Bezug auf unsere Systeme, unsere Institutionen und die Substanz unseres Lebens. Das ganze Ethos unserer Gesellschaft ändert sich: Wir lösen uns auf in lokale Machtsysteme, Milizen bilden sich, das Rechtssystem und unsere Institutionen werden untergraben. Wir leben praktisch in einem großen Gefängnis."
Für einen schweren Fehler hält Ashrawi, dass der Prozess des "Nationbuilding" in den Palästinensergebieten vernachlässigt wurde. Ein zentraler Aspekt dabei seien demokratische Wahlen.
Road Map ist nur der Anfang
Auch Shlomo Ben-Ami von der Arbeitspartei, der als Sicherheitsminister unter Premier Barak im Jahr 2000 am erfolglosen Nahost-Gipfel in Camp David teilgenommen hatte, wünscht sich mehr Druck von außen.
Die Road Map, der von den USA, Russland, der EU und der UN als "Friedensfahrplan" akzeptiert wird, sei aber bestenfalls der Einstieg in eine Lösung. Seiner Meinung nach glaubt keine der beiden Seiten daran, dass die Road Map zu einer endgültigen Lösung führen kann:
"Die Road Map enthält zum Beispiel die bizarre Idee, dass es einen palästinensischen Staat mit vorläufigen Grenzen geben könnte. Das würden die Palästinenser aber nie akzeptieren, es sei denn, ihnen wäre die endgültige Regelung schon im Voraus bekannt."
Nur eine Zwei-Staaten-Lösung könne aber eine Katastrophe verhindern, meint Ben-Ami, und der im Bau befindliche Zaun zwischen Israel und den Palästinensergebieten sei ein Ausdruck dieser verzweifelten Haltung.
Nina Werkhäuser
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004