Nahost-Quartett will Palästinensern helfen
Das Nahost-Quartett hat in einer dringenden Sitzung beschlossen, die Hilfe für die Palästinenser vorübergehend wieder aufzunehmen, um eine weitere Verschlechterung der Lage in den palästinensischen Gebieten zu verhindern. Peter Philipp kommentiert
Für zunächst drei Monate sollen wieder Hilfsgelder nach Palästina fließen, diese sollen aber nicht an die "Hamas"-geführte Regierung gehen, sondern streng kontrolliert direkt den jeweiligen Hilfsprojekten zugute kommen.
Die USA gaben zum Beispiel bekannt, dass sie 50 Millionen Dollar für medizinische und Kinder-Projekte zahlen wollen.
Die leeren Kassen der Autonomiebehörde
Doch der Beschluss des Nahostquartetts wird kaum eine unmittelbare Veränderung der Lage im Gazastreifen und der Westbank herbeiführen. Schon allein deswegen nicht, weil seine Umsetzung Wochen, wenn nicht Monate dauern wird.
Die Lage der palästinensischen Bevölkerung aber ist desolat. So hängt jeder vierte Palästinenser direkt oder indirekt von den rund 150 000 Gehältern ab, die die Autonomieverwaltung zahlt. Oder genauer gesagt: Die sie seit zwei Monaten nicht mehr zahlen kann. 166 Millionen Dollar sind das jeden Monat.
Ebenso fehlen die monatlich 50 Millionen Dollar, die Israel an Zoll und Steuern überweisen muss, die es treuhänderisch für die Autonomiebehörde einbehalten hat.
Auch dieses Geld bleibt aus. Die offiziellen Hilfszahlungen aus Europa und den USA sind seit dem Wahlsieg der islamistischen "Hamas" eingestellt - nach Schätzungen der Weltbank eine Milliarde Dollar im Jahr.
Furcht vor US-Sanktionen
Und trotz der Hilfszusagen aus den Reihen der Arabischen Liga, aus dem Iran, Russland und einigen skandinavischen Ländern bleibt das Geld bleibt aus, weil sich kein Weg findet, es zu überweisen: Die meisten internationalen Banken verweigern Überweisungsaufträge, weil sie besonders amerikanische Sanktionen befürchten.
Selbst saudische und ägyptische Banken sind die Geschäftsbeziehungen mit den USA wichtiger als die Solidarität mit den Palästinensern. Deswegen taten die Mitglieder des Nahost-Quartetts zwar gut daran zu fordern, Banken dürften wegen solcher Überweisungen nicht mit Sanktionen bedroht werden, mehr als deutlich ist hier aber die Hilflosigkeit des Quartetts herauszuhören.
Die "Road map" als unverbindliche Straßenkarte
Dieses "Quartett" war einst angetreten, um dem Nahen Osten einen Ausweg aus der verfahrenen Situation anzubieten, in die er spätestens seit dem Ausbruch offener Feindseligkeiten im Rahmen der Intifada geraten war.
Die geballte Kompetenz der internationalen Politik brachte aber nicht mehr zustande als die "road map" - eine ebenso allgemein gehaltene wie unverbindliche "Straßenkarte" für einen Nahost-Frieden: Die Gewalt müsse aufhören und beide Seiten müssten einander anerkennen - um nur zwei wichtige Punkte zu nennen.
Das Quartett war nicht in der Lage, auch nur solche Selbstverständlichkeiten durchzudrücken. Immerhin aber hatten Israel und die PLO ja wenigstens einst in Oslo den Beginn gemacht. Als nun aber "Hamas" in die Regierungsverantwortung gewählt wurde, da war das Quartett am Ende seines Lateins: "Hamas" lehnt bisher offiziell den Staat Israel ab, begrüßte und rechtfertigte Terroranschläge gegen Israel.
Palästinensische Zivilisten als Prügelknaben
Mit solch einer Organisation - die man in Europa und den USA zudem noch als Terrororganisation eingestuft hatte - wollte man nichts zu tun haben. Zu dumm nur, dass "Hamas" in freien Wahlen an die Macht gekommen war. Wahlen, wie man sie im Westen doch immer gefordert hatte und auf die man zunächst ja auch richtig stolz war – bis das Ergebnis bekannt wurde.
Für Kritiker des Westens in der arabischen und muslimischen Welt war dies ein "gefundenes Fressen": Jetzt zeige der Westen, dass er mit zweierlei Maß misst. Und das Quartett war nicht in der Lage, dem etwas entgegen zu setzen.
Man wollte die "Hamas"-Regierung unter Druck setzen und traf stattdessen die palästinensische Bevölkerung. Der Beschluss, einen Teil der Hilfe nun wieder aufzunehmen, soll das teilweise korrigieren, er wird die Lösung aber nicht bringen.
Die liegt weiterhin bei den Akteuren selbst: "Hamas" auf der einen Seite, Israel auf der anderen. Alles andere ist Augenwischerei, die in erster Linie verklären soll, dass das Nahost-Quartett gar nicht in der Lage ist, Frieden im der Region zu stiften.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE 2006
Qantara.de
Islam und Demokratie
Die Herausforderung des Islamismus
Überall gewinnen die Islamisten an Einfluss. Um der Welt eine wirkliche Alternative zu bieten, müssen sie beweisen, dass sie die demokratischen Grundprinzipien respektieren, schreibt Ammar Ali Hassan.
Hamas in Palästina
Das Dilemma der Islamisten
Nach ihrem Sieg bei den palästinensischen Parlamentswahlen bewegt sich die Hamas zwischen massivem außenpolitischen Druck und neuen innenpolitischen Herausforderungen. Helga Baumgarten informiert
Porträt Ismail Hanija
Der unbekannte Regierungschef
Nur wenig weiß man über den designierten palästinensischen Regierungschef Ismail Hanija - außer, dass er Dekan an der Islamischen Universität und persönlicher Assistent von Hamas-Führer Scheich Ahmed Yassin war. Peter Philipp berichtet