Wie sich Irans Hochkulturen entwickelten
Die Gegend um Dschiroft erinnert an einen Schweizer Käse oder an einen gigantischen Maulwurfhügel. Raubgräber wühlten sich rund 200 Kilometer südlich von der Stadt Kerman durch die Erde und nahmen alles mit, was sie in die Finger bekamen. Ein Foto in der Ausstellung "Iran. Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste" in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zeigt die Ausmaße der Verwüstung.
Die kostbaren Fundstücke, die jetzt erstmals außerhalb des Irans zu sehen sind, sollten außer Landes gebracht und in westlichen Auktionshäusern zu Geld gemacht werden. Doch im letzten Moment griff die Polizei ein, fasste die Kunstdiebe und stellte die Überreste einer jahrtausendealten Stadt sicher. In Bonn ist ein Teil dieses Schatzes jetzt in Vitrinen ausgestellt: Tonstatuen von betenden Männern und Frauen, Schmuck und Gefäße aus Speckstein.
Natur- und Mythenwelt
Sie beeindrucken durch reiche Verzierungen, die Aufschluss über den Alltag der Bewohner der Bronzezeit in Südostiran geben. Auf den Außenwänden der Gefäße spielen sich kuriose Szenen ab: Ein göttlicher Muskelmann hält zwei Leoparden an ihren Schwänzen in die Luft. Wasserbüffeln entspringt ein Fluss aus der Stirn. Eine Schlange windet sich um ein Gefäß. [embed:render:embedded:node:27524]
"Das sind göttliche Wesen, die Übermenschliches tun. Das hat mit der Bezwingung von Kräften zu tun, die der Umwelt innewohnen", sagt Kuratorin Barbara Helwing, die im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts bis 2007 im Iran gearbeitet und in Bonn die Exponate ausgewählt hat. "Die Iraner werben heute mit dem Kraftprotz für ihre Fitnessstudios", erzählt sie schmunzelnd.
Iran habe sich 2003 dafür stark gemacht, die Raubstücke aus der Gegend von Dschiroft wieder zurückzubekommen. "Was wir hier zeigen, stammt aus der ersten konfiszierten Gruppe, die in Dschiroft gefunden wurde. Sie wurde von Sothebys und aus anderen Auktionshäusern wieder zurückgeholt", so die Kuratorin weiter.
Geschichte der Sesshaftwerdung
Zum Glück für die Besucher, die in Bonn jetzt in die faszinierende Welt der Hochkulturen des Iran eintauchen können. Zahlreiche Multimedia-Stationen versorgen sie mit allen nötigen Informationen und gehen weit zurück in die Geschichte: Unter dem Land verlaufen gleich mehrere Grenzen tektonischer Erdplatten, die Quetschungen des Gesteins führten zur Bildung von hohen Gebirgen, wie sie heute die Landschaft des Iran prägen.
Trotz der Kargheit: In den Tälern und an den Rändern der Wüsten und am Ufer des Kaspischen Meeres erblühten ab 7.000 v. Chr. fruchtbare Oasen mit üppiger Vegetation. In diesen Nischen, wie sie in der Ausstellung genannt werden, ließen sich die Menschen nieder. Andererseits bot die Abgeschiedenheit der Gebirgstäler Schutz: Die Bergvölker behaupteten sich gegen Übergriffe aus dem mesopotamischen Tiefland.
3.800 v. Chr. entstanden im Iran die erste Stadtstaaten mit zentraler Verwaltung. Animationsfilme zeigen, dass die Menschen zu komplexer Stadtplanung in der Lage waren. Kleine Rollsiegel beweisen, dass die Häuser sogar über mehrere Stockwerke verfügten. Prächtige Paläste entstanden. Nach der Zerstörung der Stadt Tschoga Misch durch ein verheerendes Feuer entwickelt sich die Kultur in Susa weiter, das bereits dichter bebaut war und zu einem bedeutenden Handelszentrum wurde. Durch Transportmittel wie Esel, Schiffe und Kamele kam der Verkauf von Kupfer und Silber in Schwung.
Ausbildung von Handel
400 Ausstellungsstücke nehmen den Besucher mit auf eine anschauliche Reise zu den Anfängen der Zivilisation. Sie öffnen den Blick auf eine Hochkultur, die einen Sinn für eine originelle sowie naturverbundene Bildsprache hatte. "Wir haben es mit Kulturen zu tun, die ihre visuellen Anregungen aus der Umgebung holten. Im Zagrosgebirge, wo die erste Sesshaftwerdung stattfand, gab es früher Wildziegen und Gemsen, die wir auf den Gefäßen wiederfinden", sagt Susanne Annen, die Co-Kuratorin der Ausstellung.
Der Iran zerfällt um 3.000 v. Chr. in kleine Fürstentümer mit militärischen Anführern, deren militärisches Gebaren an das von "Warlords" erinnert, wie Barbara Helwing erklärt. Sie lassen sich mit ihren Waffen, kunstvoll gearbeiteten Dolchen, bestatten, wie ein Fund am Kaspischen Meer belegt. Mensch-Tier-Gefäße in Form von Rindern oder Hirschen wurden auch in den Gräbern gefunden. Sie waren Teil von Trinkritualen, die am Grab gefeiert wurden.
Getrunken wurde aus Goldbechern, die mit Geiern, Steinböcken oder Ziegen aufwendig dekoriert waren.
Schmuck aus dem Prinzessinnengrab
Neben den Fundstücken aus Dschiroft hat ein zweiter archäologischer Schatz zum ersten Mal den Iran verlassen: Die Beigaben aus dem Grab zweier elamischer Prinzessinnen aus Dschubadschi spiegeln die Pracht ihrer Besitzerinnen wider. Zwei Frauenskelette wurden bei Bauarbeiten in der Nähe des Persischen Golfs aufgefunden. Reich geschmückt mit Armreifen, Ringen und Ketten aus Gold. "Das Tolle war, dass diese Ringe eine Inschrift haben. Sie zeigen, dass wir die Namen ihrer Vorfahren rekonstruieren können.
Damit haben wir den direkten Hinweis auf die elamische Königsfamilie." Hauptsiedlungsgebiet der Elamiter war das Flachland im Südwesten des heutigen Iran.
Die Ausstellung endet im Grünen: Im Innenhof der Bundeskunsthalle steht die Rekonstruktion eines persischen Gartens. Mit 400 Quadratmetern ist er dem Garten eines großen Hauses im Iran nachempfunden. Orientalische Blumen, Wasserspiele, eine Loggia - ein kleines Paradies.
Das Wort leitet sich übrigens vom altpersischen "pairidaeza" ab. Dort, in den Sitznischen, kann sich der Besucher ein bisschen als Teil einer anderen Kultur fühlen, die gestern wie heute durch ihren Erfindungsreichtum und ihre Detailfreudigkeit geprägt ist.
Sabine Oelze
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