Kontroverse um Folterfotos aus Abu Ghraib
In einem offenen Brief haben 15 Künstlerinnen und Künstler Kritik an einem Werk des französischen Künstlers Jean-Jacques Lebel geübt, das zurzeit im Rahmen der internationalen Kunstschau Berlin Biennale im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin ausgestellt wird.
In den Rieckhallen erwartet Besucherinnen und Besucher Lebels Labyrinth des Schreckens, das aus leinwandgroßen Fotografien besteht. Das Motiv: gefolterte und erniedrigte irakische Gefangene in Abu Ghraib. Die Fotografen waren die US-Soldaten, die sie peinigten.
Die Opfer wurden nicht gefragt
Gegen die Arbeit wandte sich die Leihgeberin einer Arbeit der Ausstellung, Rijin Sahakian, in einem von 15 Künstlerinnen und Künstlern mitunterzeichneten offenen Brief. Darin heißt es unter anderem, die Biennale habe mit der Ausstellung der Arbeit "Fotos von unrechtmäßig inhaftierten und brutal behandelten irakischen Körpern" unter der US-Besatzung verwendet. Diese würden zu kommerziellen Zwecken ohne Zustimmung der Opfer und ohne Mitwirkung der an der Biennale teilnehmenden irakischen Künstler benutzt. Deren Werke seien ohne ihr Wissen neben der umstrittenen Arbeit installiert worden.
Das Kuratorenteam der Berlin Biennale hat sich bisher noch nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäußert, aber eine baldige Stellungnahme angekündigt.
Der deutsch-irakische Fotograf Ihsan Jezany kann die Kritik an Lebels Werk nicht nachvollziehen. "Der Künstler wollte uns daran erinnern, was in Abu Ghraib geschehen ist. Und das ist gut so", sagte er gegenüber der Deutschen Welle. "Ich bin der Ansicht, solche Bilder sollten gezeigt werden, und wenn wir sie verbergen, dann helfen wir nur den Tätern, nicht den Opfern." Zumal diese Bilder von vielen Künstlern und Medien weltweit bereits gebraucht worden seien, wie Jezany zu bedenken gab.
"Kriegsverbrechen enden erst, wenn Kriege enden“
Die schrecklichen Bilder aus Abu Ghraib, die Jean-Jacques Lebel auf der Berlin Biennale verwendet, sind tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Erstmals veröffentlicht im Jahr 2004, sieht man auf ihnen zum Beispiel einen Mann, der am Penis mit Stromstößen gequält wird, ein anderer muss nackt an einer Hundeleine kriechen. Abu Ghraib war ein Gefängnis im Irak, in dem unter US-amerikanischer Besatzung des Landes das Wachpersonal die Häftlinge grausam erniedrigte und sein Vergnügen daran auf Handyfotos und Filmen festhielt.
Noch zehn Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Bilder sagte der US-amerikanische Investigativ-Journalist Seymour Hersh, der die Vorfälle ans Licht brachte, dass sich so etwas wie Abu Ghraib jederzeit wiederholen könne, auch im US-Militär. "Der einzige Weg, Misshandlungen und Kriegsverbrechen zu stoppen, ist, dass die Kriege aufhören", sagte er 2014 im Interview mit der Deutschen Welle.
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