Von Deutschland lernen
Pakistan ist in Bezug auf den Dialog der Religionen ein Entwicklungsland. Zwar gibt es in dem asiatischen Land mittlerweile unzählige Gruppen, die sich mit dem interreligiösen Miteinander beschäftigen, doch von einem wirklichen Frieden unter den Religionen ist man noch weit entfernt.
"Die Religion wird in Pakistan missbraucht, und daher fühlen sich die religiösen Minderheiten im Land nicht sicher", so Bischof Samuel Azariah von der "Church of Pakistan".
Zusammen mit dem muslimischen Gelehrten Qazi Abdul-Qadir Khamoosh hat er ein Jahr vor den Anschlägen des 11. September 2001 die "Internationale muslimisch-christliche Föderation", kurz MCFI gegründet. Unter all den Organisationen in Pakistan ragt die MCFI heraus, da ihre Mitglieder sehr progressiv orientiert sind und Kräfte aus den Kirchen, aus dem Islam und aus Menschenrechtsgruppen vereint.
"Die Organisation ist schon etwas Besonders, da sie auf nationaler Ebene die einzige ist, die sich dem interreligiösen Dialog widmet und für Frieden eintritt. Es ist ein religiös-politisch zusammengesetztes Forum, das Einfluss sowohl in den Kirchen als auch in der Politik hat", informiert Jutta Werdes vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), die die Gruppe auf einer Deutschlandreise begleitete. "Viele von ihnen haben gute Kontakte zu Regierungsmitgliedern und können somit positiven Einfluss ausüben".
Diskriminierung der pakistanischen Christen
Der Dialog zwischen den Religionen ist auch bitter nötig in dem islamisch geprägten Land: Besonders in den letzten Jahren war das Miteinander der Religionsgemeinschaften überschattet von Drohungen und Gewalt. Terroristen verübten mehrere Attentate auf Kirchen und christliche Schulen, bei denen viele Menschen starben.
"Der Islam lehrt eigentlich, dass die religiösen Minderheiten geschützt werden sollen. Dennoch kommt es immer wieder zu diskriminierenden Handlungen gegenüber diesen Minderheiten in Pakistan. Wir versuchen, durch unsere Aktivitäten diese Handlungen zu unterbinden oder zumindest einzuschränken", so Abdul-Qadir Khamoosh.
Zu den religiösen Minderheiten in Pakistan zählen Christen und Hindus. Die Christen gehören dabei zu den ärmsten Bevölkerungsschichten. Sie stellen drei Prozent der 140 Millionen Einwohner des Landes. Obwohl der Islam ihnen Schutz garantiert, erfahren die Christen oft Benachteiligungen:
Die Gesetze diskriminieren sie, ihnen ist der Zugang zu wichtigen Ämtern in der Verwaltung, der Armee und der Regierung und der Gesetzgebung untersagt.
"Seit zwanzig, dreißig Jahren gibt es keine Richter oder Rechtsanwälte, die Christen sind. Außerdem haben Christen schlechte Chancen, was Schule, Jobs und Ernährung betrifft", kritisiert Jutta Werdes.
Das seit 1982 existierende Blasphemiegesetz, das die "Verunglimpfung des Korans und des Propheten Muhammad" mit lebenslänglicher Haft oder Todesstrafe bestraft, wird auch gegen Christen angewandt. Ursprünglich sollte dieses Gesetz den Religionsfrieden wahren, doch insbesondere unter Zia ul-Haqq wurde es vor zwanzig Jahren immer stärker missbraucht, um Minoritäten wie die Christen auszugrenzen.
Workshops für den religiösen Frieden
Aber auch die Muslime bekämpfen sich gegenseitig: So kam es in jüngster Zeit zu Gewalttätigkeiten zwischen den mehrheitlichen Sunniten und Angehörigen der schiitischen Minderheit.
Mit Seminaren und Workshops wollen die Mitglieder von MCFI gegen diese Praktiken angehen. Dabei bekommt die Organisation keinerlei finanzielle Zuwendung seitens des pakistanischen Staates oder der religiösen Institutionen. Vielmehr kommen die Mitglieder selber für die entstehenden Kosten auf.
"Wir brauchen dazu keine Fünf-Sterne-Hotels. Wir treffen uns lieber in öffentlichen Gemeindezentren. Das ist billiger, und so erreichen wir mehr Menschen", gibt sich Khamoosh idealistisch.
Hinzu kommt noch eine monatlich erscheinende Zeitschrift, deren Kosten auch von den Mitgliedern der MCFI bestritten werden. Doch all die Mühe und Anstrengung lohnt sich durch die langsam wachsende Anerkennung der Organisation im Land.
Besuch in Deutschland
Bischof Samuel Azariah zeigt sich optimistisch: "Am Anfang war unsere Arbeit nicht einfach. Das Verhältnis der Mitglieder beider Gemeinschaften, Christen und Muslime, ist von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Doch wir hatten unsere Überzeugungen und machten weiter, und nun haben sich uns viele zugewandt. Die Regierung, die Opposition sowie alle muslimischen und christlichen Gruppen unterstützen unsere Arbeit."
Der Besuch in Deutschland und die vorbildliche interreligiöse Arbeit, die sie während ihrer Reise kennen lernten, hätten die Gruppe sehr beeindruckt, so der Geistliche:
"Wir haben die offiziellen Vertreter der religiösen Gemeinschaften in Deutschland in Kirchen und Moscheen getroffen, und das, was wir über die Freiheiten der einzelnen Gemeinschaften gehört haben, hat uns sehr imponiert und uns Mut gemacht, diese Dinge auch in Pakistan durchzuführen."
Aufklärung in Koranschulen
So plant die MCFI, die mittlerweile auch auf internationaler Ebene große Unterstützung erfährt, in naher Zukunft ein Projekt, mit dem sie in die Koranschulen des Landes gehen möchte, um dort auch über andere Religionen zu unterrichten. Dasselbe soll im Gegenzug in den katholischen und evangelischen Seminaren geschehen.
Denn gerade in vielen pakistanischen Koranschulen wird der Hass gegen die anderen Religionen gelehrt. Den Grund benennt Abdul-Qadir Khamoosch:
"Viele islamische Religionsführer haben ein flaches Wissen über den Islam, und vieles von dem, was sie verbreiten, entspricht nicht dem Koran". Dies beziehe sich auch auf die Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten, die vom Koran ausdrücklich gelehrt werde.
Auch hier möchte die MCFI Überzeugungsarbeit leisten. Dennoch ist Abdul-Qadir Khamoosch, befragt nach der Zukunft des interreligiösen Dialogs in Pakistan, zurückhaltend:
"Wir sind zwar optimistisch, dass die Dinge sich entwickeln und verbessern werden. Pessimismus ist nicht angebracht. Doch in einer Gesellschaft, in der seit 50 Jahren Benachteiligungen und Auseinandersetzungen an der Tagesordnung sind, können sich die Dinge nicht über Nacht ändern. Es wird noch eine Zeitlang dauern, bis sich die Verhältnisse stabilisieren. Dazu braucht es jedoch noch viel Geduld."
Abdul-Ahmad Rashid
© Qantara.de 2005
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