Zwei-Staaten-Lösung als einziger Weg
Einen ungünstigeren Zeitpunkt konnte es kaum geben: Israel schickte sich gerade an, der Welt zu erklären, dass man nichts mit dem Tod einer palästinensischen Familie am Strand von Gaza zu tun habe, da gab der Militärsprecher bekannt, dass man einen Trupp des "Islamischen Dschihad" ausgeschaltet habe, der sich auf dem Weg zum Abschuss von Raketen auf Israel befunden habe.
Wenig später musste Israel einräumen, dass dabei in erster Linie unbeteiligte Zivilisten getötet wurden - unter ihnen wieder einmal zwei Kinder.
Für die "Humanste Armee der Welt" - wie Ministerpräsident Ehud Olmert sie nennt - ist das kein Ruhmesblatt, für ihre Gegner Wasser auf die Mühlen: Sie sehen sich bestätigt in ihrem Vorwurf, Israel verübe Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung.
Und daran können Untersuchungen nichts ändern, die von den Untersuchten selbst durchgeführt werden. Daran können auch Erklärungen des Bedauerns nichts ändern: Beim Tod am Strand gab es eine mysteriöse sechste Granate, beim Angriff auf den Raketentransport eine verhängnisvolle "zweite Rakete", die die Zivilisten traf.
Nicht solche Feinheiten sind wichtig. Wichtig ist nur, dass der Konflikt durch solche Aktionen nur weiter verschärft wird. Obwohl er doch schon mehr eskaliert, als allen Beteiligten Recht sein kann.
Das rigorose und völkerrechtswidrige Durchgreifen der israelischen Armee treibt der radikalen Hamas mehr Leute in die Arme und schwächt Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, der verzweifelt versucht, Hamas notfalls mit einer Volksabstimmung auf die internationalen Verpflichtungen einzuschwören, die der verstorbene PLO-Führer Yasser Arafat eingegangen war:
Ein Nebeneinander von Israel und einem palästinensischen Staat zu akzeptieren. Die Zweistaatenlösung ist auch international - etwa in der so genannten "road map" - der einzig gangbare Weg zu einer Friedensregelung.
Je mehr Israel aber schaltet und waltet, wie es will, je häufiger dabei Zivilisten zu Schaden kommen und je weniger der "Rückzug" der Israelis auch die Aufgabe der Kontrolle über ein Gebiet bedeutet, desto mehr werden Palästinenser ihren Glauben an die Möglichkeit einer friedlichen Regelung verlieren und die Radikalen unterstützen. Obwohl die doch erst recht kein Rezept anzubieten haben.
Mahmoud Abbas droht dadurch weiterer Machtverlust. Er ist der Einzige, der sich mit Mut und Vernunft für eine gerechte Lösung des Konflikts einsetzt. Hierbei rächt sich, dass Israel Abbas zu lange hat links liegen lassen.
Erst jetzt, wo er täglich an Macht verliert, ist Israel bereit, ihm zu helfen - etwa mit Waffen für seine Sicherheitskräfte - und mit ihm zu reden. Damit aber schwächt man ihn noch mehr, denn Abbas wird als willfährige Marionette Jerusalems dargestellt - ein Eindruck, den er nur abwenden kann, indem er inzwischen selbst Israel Kriegsverbrechen vorwirft und indem er das geplante Referendum einem Kompromiss mit Hamas zu opfern bereit ist.
Ein fauler Kompromiss, das weiß Abbas nur zu gut: Denn Israel kann Frieden weder aushandeln noch schließen mit einer Regierung, die dieses Israel nicht anerkennt und seine Zerstörung fordert. Ein fauler Kompromiss aber auch, weil die Fatah von Mahmoud Abbas weiterhin entschlossen scheint, Hamas herauszufordern. Nicht wegen Israel, sondern weil Hamas ihr die bisherige Vormachtstellung streitig macht.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE 2006