Auf dem Weg zu einer restriktiven Islampolitik?
Insgesamt 21 Mal kommt das Wort "Islam" im neuen Regierungsprogramm mit dem Titel "Zusammen. Für unser Österreich" vor. Im Gegensatz erscheinen Begriffe wie Rechtsextremismus und Faschismus kein einziges Mal im Koalitionsprogramm der Liste Sebastian Kurz und der FPÖ. Menschenrechte werden lediglich fünf Mal erwähnt. Das lässt nichts Gutes erahnen. Im Folgenden ein Blick auf die Islampolitik der am 18. Dezember vereidigten österreichischen Bundesregierung:
Im Regierungsprogramm wird der Minderheitenschutz ebenso wenig thematisiert wie die zunehmende Islamfeindlichkeit in Österreich. Den Schutz religiöser Minderheiten erwähnt die rechts-rechte Bundesregierung lediglich im Zusammenhang mit dem Kampf gegen "Verfolgung religiöser Minderheiten – insbesondere christlicher Minderheiten", und hier wiederum speziell gegen "religiösextremistische Ideologien (z.B. politischer Islam)".
Der politische Islam wird dann auch zu einem Schwerpunkt im Bereich der Inneren Sicherheit erhoben. Ihm ist ein ganzes Unterkapitel in dem 180 Seiten schweren Programm gewidmet. Hervorzuheben ist hier, dass die österreichischen Bundesbehörden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung diesen Begriff generell nicht verwendet hatten. Generell war der Duktus 'Islamismus'.
Was will man kontrollieren?
Ob sich das nun ändern wird, bleibt abzuwarten. Sind doch nun Innenministerium sowie Verteidigungsministerium, welcher ebenso zwei Nachrichtendienste unterhält, in der Hand von FPÖ-Ministern. Die einzelnen Maßnahmen, die in diesem Unterkapitel behandelt werden, haben es entsprechend in sich und offenbaren, wen die beiden Wahlgewinner unter 'politischen Islam' subsumieren: Muslime.Das macht das Lippenbekenntnis, wonach man "zwischen dem politischen Islam mit dem Ziel, unsere Gesellschaft zu unterwandern, und der Religion des Islam" unterscheide, nicht besser. Denn die Maßnahmen kreisen größtenteils um die in Österreich anerkannte Religionsgesellschaft der Muslime: Es ginge um die "Sicherstellung einer umfassenden Kontrolle der Darstellung der Lehre".
Das klingt erstmals eigenartig, da staatliche Behörden nicht in die Belange von anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften eingreifen dürfen. Was also will man kontrollieren? Aber vielleicht werden wir uns noch wundern, was alles möglich ist, wie der damalige Bundespräsidentschaftskandidat und heutige Infrastrukturminister Norbert Hofer meinte.
Das Koalitionsprogramm verlangt auch, dass wesentliche Glaubensquellen wie der Koran in autorisierter Übersetzung vorgelegt werden, was bereits in dem diskriminierenden § 6 Islamgesetz aus dem Jahr 2015 festgelegt wurde. Diese Forderung geht auf das Wiener Integrations-Manifest, das 2011 mitunter vom Wiener Akademikerbund herausgegeben wurde, der später aus der Wiener ÖVP ausgeschlossen wurde, weil er die Aufhebung des Verbotsgesetzes forderte.
Dort hieß es, es brauche eine "offizielle Version des Koran und der Hadithe in deutscher Sprache", um eine "Harmonisierung der Lehre mit den österreichischen Gesetzen zu gewährleisten", ausgehend davon, dass dies im Koran gesamtheitlich nicht gewährleistet sei und sich MuslimInnen von Teilen des Koran distanzieren sollen.
Eine weitere Maßnahme fußt ebenso auf dem neuen Islamgesetz aus 2015: Weniger diplomatisch wie noch im Gesetz und dessen Ankündigung wird nun ganz offen von einem "Verbot der Auslandsfinanzierung" gesprochen. Zusätzlich wird nun eine Novellierung des Islamgesetzes vorgeschlagen, um eine "Verhinderung der Einflussnahme aus dem Ausland" sicherzustellen und "Umgehungskonstruktionen" auszuschließen. In anderen Worten: Gesetzesänderungen des Vereinsgesetzes, welches potenziell alle Bürger betrifft, um vorgeblich die Einhaltung eines ohnehin diskriminierenden Gesetzes zu rechtfertigen.
Der organisierte Islam ist böse
Das Islamthema ist zweifellos Querschnittsmaterie. So soll ebenso der "ausländische Einflusses insbesondere im Bildungsbereich" verhindert werden. Wie das geschehen soll, bleibt unklar. Umso deutlicher ist die Botschaft: Der organisierte Islam ist böse, insbesondere wenn er mit dem Ausland verbunden ist, was umgekehrt weder beispielsweise für eine Katholische Kirche, missionierende Mormonen aus Utah oder eine der zahlreichen nationalen Orthodoxen Kirchen gilt, die allesamt mit einem Nationalstaat verbunden sind.
Der von Sebastian Kurz immer wieder vorgebrachte Wille, islamische Kindergärten zu schließen, da diese für ihn eine Parallel- und Gegengesellschaft repräsentieren, wird nunmehr im Programm in diplomatischere Worte gefasst. Darin ist die Rede von "stärkerer Kontrolle und in letzter Konsequenz der Schließung von islamischen Kindergärten und islamischen Privatschulen bei Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen". Nicht Kindergärten generell, sondern islamische Kindergärten sollen also kontrolliert werden und all das unter dem Titel des "Kampfes gegen den politischen Islam".
Lediglich zwei Maßnahmen betreffen im engeren Sinne sicherheitspolitische Agenden. So soll es "sicherheitspolizeiliche Befugnisse zur unverzüglichen Schließung von Kultusstätten wegen Terrorismuspropaganda sowie wegen Verkündung allgemein formulierter Konzepte und Theorien, die auf die Unterstützung von Terrorismus abzielen" geben. Genau wie auch die obigen Punkte deutet dies auf eine uneindeutige Ausweitung der sicherheitspolitischen Bedrohungsphänomene, die es erlauben sollen, möglichst weitreichende Eingriffe des Staates im Sicherheitsbereich zu legitimieren.
Muslime als Gefährdungspotenzial
Im globalen Trend liegt dann auch der Ausbau von "Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen", die mitunter international aufgrund des einseitigen Fokus auf Muslimen bei gleichzeitiger Verharmlosung von nationalistischen Gruppierungen in der Kritik stehen. Im Unterkapitel "Bekämpfung von staatsfeindlichem Extremismus und staatsfeindlicher Radikalisierung, um insbesondere terroristischen Aktivitäten vorzubeugen" wird dann auch ein umfassendes Sicherheitspaket geschnürt, das mitunter mithilfe des Arguments, extremistisch-religiöse Kultstätten zu schließen, begründet wird.
Es werden ebenso "strafgesetzliche Bestimmungen gegen den politischen Islam (Ausgestaltung im StGB)" gefordert. Mitunter wird die Einführung eines Erschwerungsgrundes für religiös-fundamentalistisch motivierte Gewalt genannt. Im Strafvollzugsrecht soll es durch Unterbringung von islamistischen/dschihadistischen Gefährdern in eigenen Sicherheitsabteilungen zu einer Erhöhung der (Rechts-)Sicherheit kommen.
Die Maßnahme der Einführung verpflichtender staatlicher "Werte- und Orientierungskurse für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte" unter 'politischer Islam' zeigt auch die Gleichung Flüchtling = Muslim. Entsprechend repressiv gilt es vorzugehen: Denn bei Nichterfüllung wird eine Kürzung der Mindestsicherung angedroht.
In Summe lässt sich zusammenfassen: Muslime werden nicht auf Basis von Menschenrechten und Religionsfreiheit als zu schützende und besonders von Rassismus betroffene Subjekte begriffen, sondern explizit als Gefährdungspotenzial, das es mithilfe diskriminierender, repressiver und sicherheitspolitischer Maßnahmen einzudämmen gilt. Auf dem Weg dorthin sollen das Islamgesetz aus 2015 ebenso wie weitere sicherheitspolitische Maßnahmen helfen.
Farid Hafez
© Qantara.de 2017
Farid Hafez, promovierter Politologe, ist Senior Research Scholar der Bridge Initiative an der Georgetown University und Herausgeber des "European Islamophobia Report".