Dialog bedeutet Respekt
"Grünhelme" - der Name mutet zunächst etwas sonderbar, erinnert er doch an die Friedenstruppe der UNO, die Blauhelme. Doch Grünhelme sind keine Soldaten in Uniform, sondern freiwillige Helfer, die sich für den Wiederaufbau in Kriegs- und Krisengebieten einsetzen.
Dabei spielt die Farbe Grün eine wichtige Rolle: Grün ist nicht nur die Farbe der Hoffnung, sondern auch die Farbe der Muslime, so der Gründer der Organisation, Rupert Neudeck. Der prominente Menschenrechtsaktivist, der vor 25 Jahren die Hilfsorganisation Cap Anamur ins Leben rief, will sich in Zukunft für einen "tatkräftigen" Dialog zwischen Christen und Muslimen einsetzen.
Taten statt Worte
Eigentlich sei das Wort "Dialog" dafür "ein bisschen zu vornehm", so Neudeck. Denn der Dialog zwischen Religionen soll keine Worthülse auf Konferenzen oder in Lehrbüchern bleiben, sondern praktisch umgesetzt werden. Das bedeutet, das wieder aufzubauen, was durch Kriege zerstört wurde: Kirchen, Moscheen, Schulen, Häuser, ob in Afghanistan, im Kosovo, im Kongo oder im Irak.
Dafür hat Rupert Neudeck in dem Islam-Experten und ehemaligen Pressesprecher des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, einen Mitstreiter gefunden sowie einen prominenten Unterstützerkreis: In dem Kuratorium von Grünhelme e.V. sind neben Prinz Hassan von Jordanien Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der ehemalige Bosnien-Beauftragte Hans Koschnick, der Soziologe Ralf Dahrendorf und der Kabarettist Dieter Hildebrandt vertreten.
Dialog bedeutet gegenseitige Achtung
Dialog zwischen den Religionen, das bedeute zunächst einmal Respekt, so Neudeck. "Das Wichtigste ist, dass man mit einem selbstverständlichen Respekt voreinander lebt, in der Begegnung herausfindet, was der Andere für eine Lebensweise hat, und wie interessant das für einen selber sein kann", betont der ehemalige Journalist im Interview.
Und das hat Neudeck bei vielen Reisen im Irak und in Afghanistan selbst erfahren: "In einer schiitischen Gemeinde im Norden Bagdads war die Reaktion überwältigend. Wir wurden von dem Imam und den Gläubigen sofort sehr herzlich aufgenommen.
Auch in West-Afghanistan war es sehr gastfreundlich. Diese Menschen spüren, dass wir ihrer Kultur, Religion und Lebensweise eine bestimmte Form von Respekt entgegenbringen. Und das führt wiederum zu einer Offenheit gegenüber anderen Religionen", so Neudeck.
Mit ihrem Einsatz konnten die Grünhelme - Ingenieure, Architekten und Handwerker - bereits viele Projekte erfolgreich realisieren: beispielsweise eine Schule im Bagdader Elendsviertel Shishan oder die "Joschka-Fischer-Schule" in Totechi in Afghanistan, in der Pashtunen, Tadschiken und Turkmenen gemeinsam leben.
Drei Monate dauert ein Aufbau-Einsatz, und dafür werden freiwillige Helfer mit fachmännischen Fähigkeiten eingesetzt, die bereit sind, für diese Zeit auf "Luxus und Tarifordnung" zu verzichten.
Perspektiven durch Bildung und Energie
Vor allem Kindern möchten die Grünhelme helfen. Im Kongo hat die Organisation von der Regierung zwei Bauernhöfe zugewiesen bekommen. Dort wollen sie in den nächsten Monaten 100 bis 150 Kindersoldaten pädagogisch betreuen und unterrichten, damit sie einen Beruf erlernen können.
Selbstständigkeit und Stolz sind dabei das Wichtigste, was die Grünhelme den traumatisierten Kindersoldaten so zurückgeben wollen.
Aber auch alternative Energie, wie Solarstrom, bereitzustellen, ist derzeit eines der weiteren vielen Projekte der Grünhelme. Bei der Aktion "Licht für Kinder in Afghanistan" hat die deutsche Firma Solon AG Solarlampen und Technik für zwei Schulen und eine Klinik in West-Afghanistan zur Verfügung gestellt.
"Bei uns ist die Frage der erneuerbaren Energie eine Frage der Alternative. Aber dort, wo wir arbeiten, im Irak oder in Afghanistan, ist das eine existenzielle Frage, denn auch die nächsten Generationen werden ohne Strom leben. Mit diesen Solarlampen können die Kinder auch nach der Schule lernen", hofft Rupert Neudeck.
Das alternative Solarstrom-Projekt setzt zugleich neue Aspekte für die zukünftige Arbeit der Grünhelme: "Ich bin sicher, dass damit eine neue Periode für unsere Arbeit beginnt und ich bin ganz gespannt auf diese ganz neue Unabhängigkeit von dezentraler Entwicklung."
Petra Tabeling
© Qantara.de 2004