Multikulturalität im Betrieb
Ali Haydar Berkpinar ist in der Türkei aufgewachsen. Doch bereits als Schüler kam er nach Deutschland - und ist heute Leiter der deutschen Repräsentanz des türkischen Automobilherstellers Tofas. Sein Arbeitsort: Frankfurt am Main.
Obwohl er lange schon fern der Heimat lebt und arbeitet, ist Berkpinar dennoch mit der Türkei verwurzelt: "In materieller Hinsicht fühle ich mich eigentlich deutsch", sagt er, "aber kulturell, von der seelischen Bindung her, da würde ich an zweiter Stelle schon die Türkei nennen."
Wanderer zwischen Kulturen
Ähnlich empfindet Maximilian Jaber, ein palästinensischer Unternehmer jordanischer Herkunft. Jaber ist Vorstandschef der Comcave AG mit Sitz in Düsseldorf , das Unternehmen bietet Beratungen im Bereich Informationstechnologie an.
Zu den Kunden gehören die Regierungen von Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber auch das Arbeitsamt von Baden-Württemberg und die Industrie- und Handelskammer Dortmund.
Auch Jaber sieht sich als Wandler zwischen den Kulturen: "Zum einen denke ich wie ein Deutscher. Ich betrachte mich aber zugleich als Weltbürger. Und wenn es um Gefühle geht, bin ich dann eher der emotionale Araber - Palästinenser eben."
Abkapseln nicht möglich
Berkpinar und Jaber sind zwei ehemalige Migranten, für die Integration längst normal ist: Wer gute Geschäfte machen will, kann sich nicht von der deutschen Gesellschaft abkapseln. Inzwischen gibt es in Deutschland knapp 60.000 Unternehmen türkischer Herkunft - nicht nur Dönerbuden und Gemüseläden.
Der Hamburger Reiseveranstalter Vural Öger oder Textilfabrikant Kemal Sahin in Aachen sind Großunternehmer. Türkische Firmenchefs in Deutschland setzen jährlich rund 30 Milliarden Euro um. Sie sind unverzichtbare Steuer- und Rentenkassen-Einzahler. Und sie beschäftigen mehr als 350.000 Mitarbeiter, darunter auch viele Deutsche.
Mix-Identität als Vorteil
"Was ich vordergründig als deutsch ansehe, das ist die Zuverlässigkeit und die Pünktlichkeit", sagt Berkinpar über seine deutschen Angestellten. "Aber Flexibilität bei Dienstleistungen - das würde ich eher als türkisch bezeichnen."
Auch Jaber kennt solche Mentalitätsunterschiede. Zugleich betont er, dass er seine eigene Multikulturalität - ein arabischer Geschäftsmann mit Firmensitz in Deutschland - durchaus als unternehmerischen Gewinn betrachtet: "Ich denke jetzt ein bisschen globaler und beziehe immer kulturelle Gegebenheiten mit ein. Man ist sensibilisiert in dieser Hinsicht."
Straffe Organisation
Viele Organisationen helfen heute Unternehmern wie Jaber und Berkpinar, Hindernisse zu meistern. Dazu gehört die Arabisch-Deutsche Vereinigung für Handel und Industrie (Ghorfa) in Berlin, aber auch die neu gegründete Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer in Köln.
Wie aber sieht es mit innerbetrieblichen Hindernissen auf kultureller Ebene aus? Strenggläubige muslimische Arbeitnehmer in deutschen Unternehmen beklagen sich manchmal, weil sie während der Arbeit nicht beten können
Der türkische Unternehmer Berkpinar ist selbst Muslim. Aber wer als Strenggläubiger bei ihm angestellt ist, hat es nicht einfacher: "Mal ganz allgemein gesagt: Die deutschen Mitarbeiter beten ja auch nicht auf der Arbeit!", erklärt der Chef. "Wenn sie das Bedürfnis zum Beten haben, dann gehen sie in die Kirche - und das können sie in ihrer Freizeit organisieren. Auf der Arbeit hat das nichts zu suchen!"
Maximilian Jaber sieht das anders. Ein modernes und globales Haus sollte auch auf religiöse Bedürfnisse in der Belegschaft eingehen, findet er. Allerdings: "Die Unternehmen in Deutschland haben schon genug mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen", schränkt er ein. "Da muss man nicht unbedingt noch einen separaten Raum für Gebete einrichten. Ich finde aber, die Mitarbeiter können sich im Unternehmen einen Ort suchen und einfach dort beten."
Daniel Stoevesandt
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