Edle Reben aus Kefraya
Die Herbstsonne taucht die Weinfelder von Chateau Kefraya am Fuße der Baroukberge im libanesischen Bekaa-Tal in ein goldenes Licht. Rund 30 Tagelöhner, teilweise aus Syrien oder aus den Nachbardörfern, knipsen mit Spezialscheren die vollreifen blauen Trauben von den Rebstöcken. Michel de Boustros, der 1979 während des Bürgerkrieges begonnen hat, in Kefraya seinen eigenen Wein herzustellen, erwartet einen besonders guten Jahrgang.
Im letzten Jahr war die Ernte beinahe ausgefallen, wegen des Krieges zwischen Israel und Hisbollah. Anschließend war es schwierig, genügend Erntehelfer für die 300 Hektar Weinfelder zu finden. Viele von denen, die hier für zehn Dollar am Tag Trauben pflücken, sind Muslime, es sind aber auch Drusen und Christen darunter. Nicht alle Muslime nehmen es mit dem Alkoholverbot ihrer Religion allzu ernst.
Tabuthemen Religion und Politik
Die 24-jährige Rabia Moussa räumt strahlend ein, sie möge gerne Wein, am liebsten roten. De Boustros sagt, selbst in politisch angespannten Zeiten wie diesen, sei die Zusammenarbeit der verschiedenen Religionsgruppen harmonisch, denn Religion und Politik seien auf dem Weingut tabu. "Alle haben sich daran gewöhnt, wir hatten nie Probleme." Chateau Kefraya ist mit einer jährlichen Produktion von rund zwei Millionen Flaschen das zweitgrößte Weingut im Libanon. Ksara, wo die Jesuiten vor 150 Jahren mit der Weinproduktion bagonnen, ist der älteste und auch größte Weinhersteller.
Rund ein dutzend kleinerer Produzenten sind in den letzten Jahren hinzugekommen. Die frühesten Spuren der libanesischen Winzer reichen jedoch mindestens 4.000 Jahre zurück, als die Phönizier ihren Wein im Mittelmeeraum verkauften. Der römische Tempel, der für den Weingott Bacchus in der heutigen Hisbollah-Hochburg Baalbeck errichtet wurde, zeugt heute noch davon. Der Libanon ist einer der kleinsten Weinproduzenten weltweit, nur etwa sechs Millionen Flaschen keltern die Libanesen im Jahr. Etwa die Hälfte davon wird in 35 Länder exportiert, der größte Abnehmer ist Frankreich.
Preisgekrönter libanesischer Wein
Aber auch in Deutschland findet man libanesischen Wein. Unter Kennern haben libanesische Weine inzwischen einen guten Ruf, mehrfach wurden sie bei internationalen Wettbewerben preisgekörnt. Fabrice Guiberteau, der französische Önologe in Kefraya, sagt, was den libanesischen Wein ausmache, sei die intensive Sonneneinstrahlung und die lange Trockenheit. In der Regel höre der Regen im April auf, eine Bewässerung finde nicht statt, denn dank des sehr steinigen, lehm- und kalkhaltigen Bodens werde die Feuchtigkeit der Wintermonate lange gehalten. Außerdem liegen die Weinfelder in Kefraya auf einer Höhe von 950 bis 1.100 Metern.
"Das beeinflusst die Farbintensität und auch den Geschmack der Trauben", erklärt Guiberteau. Ganz entscheidend für das Produkt sei neben der Mischung der unterschiedlichen Trauben der menschliche Faktor. "Ich gehe davon aus, dass Wein etwas Lebendiges ist. Deshalb ist es wichtig, ihm eine Seele zu geben." Im Weinkeller von Chateau Kefraya liegen 400 französische Eichenfässer, in denen der Prestigewein, der Comte de M., lagert. Im Allerheiligsten des Weingutes zeigt der 78-jährige Gründervater de Boustros stolz die Geschichte von Chateau Kefraya: Aus jedem Jahrgang lagern hier die besten Tropfen – von 1979 bis heute.
Aida, Madame Butterfly und Giaconda
Der grauhaarige Mann erläutert, seit 1991 schmücke das Etikett jedes Rotweinjahrganges ein Gemälde einer libanesischen Malerin. Die Weißweinjahrgänge tragen hingegen den Namen einer Oper, vorausgesetzt, ihr Titel ist ein Frauenname. Das beginnt mit Aida, dann Madame Butterfly und heute ist man bei Giaconda. "Ich glaube, Wein ist eine Kunst, es gibt nicht nur die Verbindung zur Malerei oder zur Musik, sondern zu jeder Kunstform, auch zu schönen Gärten." Deshalb hat de Boustros mehrere Gärten mit Blumen und Pampasgras zwischen der Produktionshalle sowie dem kleinen Restaurant am Rande der Weinfelder angelegt.
Wein, philosophiert de Boustros, könne nicht in einer hässlichen Umgebung produziert werden. "Wenn Sie einen guten Wein aus einer hässlichen Flasche trinken, ist es nicht dasselbe." Alle diese Dinge hätten Einfluss auf das Produkt.
Doch der Ästhet de Boustros liebt nicht nur seinen Wein, sondern auch die Menschen, die ihn herstellen, und den Boden, auf dem er wächst. Doch als er von seinem Garten aus den Sonnenuntergang über den rötlich schimmernden Weinfeldern beobachtet, kommen ihm Zweifel an der Zukunft: "Ich habe das, was ich hier gemacht habe, so sehr geliebt. Ich weiß nicht, was nach mir kommt. Ich bin nicht optimistisch."
Birgit Kaspar
© Qantara.de 2007