Reise nach al-Ula
Aus dem dunklen Eingang wummert laute Musik und im Takt des arabischen Pop-Songs blinkt grün-rotes Partylicht in die Nacht. Drinnen in der Bar reihen sich leere Weinflaschen auf einem Regal, klein gedruckt steht auf den Etiketten «alkoholfrei». Im abgedunkelten Raum sitzen junge Menschen an Tischen, die Köpfe nah beieinander, einige tanzen.
Es ist ein Freitagabend, der erste Tag des Wochenendes in Saudi-Arabien. Hier an der Tahlia Street trifft sich die Jugend der Hauptstadt Riad. Jungs lassen ihre Automotoren aufheulen, Frauen rauchen Shisha an Tischen draussen vor den vielen Restaurants. Den Nikab, den schwarzen Gesichtsschleier, der einen Schlitz für die Augen freilässt, tragen hier nur wenige. Viele haben ein Kopftuch umgebunden, anderen fällt ihr offenes Haar über die Schultern.
Es ist unser letzter Abend in Saudi-Arabien. Wir sind Anfang Dezember losgefahren, ohne genau zu wissen, was uns erwartet. Während knapp zwei Wochen sind wir 3000 Kilometer durchs Land gefahren, haben auf Rollschuhen Runden in einer Outdoor-Disco gedreht und herausgefunden, wie sich junge Menschen in Saudia-Arabien daten. Wir staunten oft, waren manchmal verwirrt, mussten unsere eigenen Vorurteile über den Wüstenstaat hinterfragen. Und haben auch gezweifelt: Sollte man als Tourist ein Land bereisen, das die Menschenrechte derart übel missachtet?
Nationalismus ist die neue Religion
Vermutlich hat sich weltweit keine Gesellschaft in den vergangenen Jahren so schnell und so sehr verändert wie die saudi-arabische. Jahrzehntelang lebten Frauen und Männer strikt voneinander getrennt. Sie nutzten separate Eingänge und Räume in Restaurants, bei Hochzeiten, in Banken. Wenn eine Frau und ein Mann, die nicht eng verwandt waren, von der Religionspolizei zusammen gesehen wurden, drohte ihnen Gefängnis und Auspeitschen.
Die Religionspolizei bestrafte Geschäftsleute, die während der Gebetszeiten ihre Läden geöffnet ließen und Frauen, wenn eine Strähne Haar nicht bedeckt war. Solche und eine Reihe weiterer Gesetze, die auf dem Wahhabismus basieren, einer fundamentalistischen Auslegung des Islam, sind passé, alle innerhalb weniger Jahre abgeschafft. Seit der 37-jährige Mohammed bin Salman im Jahr 2017 auf den Thron des Kronprinzen gestiegen ist, bleibt in der saudischen Gesellschaft wenig, wie es einmal war.
Nirgendwo lässt sich der Mythos, den der junge Kronprinz gerade für sein Land kreiert, konkreter erleben als in Diriyah – einem Vorort nordwestlich von Riad. Diriyah gilt als Geburtsstätte des saudischen Königreichs. In einer Lehmbausiedlung, umrandet von Mauern, schloss der Herrscher Mohammed Ibn Saud im Jahr 1744 einen Pakt mit dem erzkonservativen Rechtsgelehrten Ibn Abd al-Wahhab, dem Begründer des Wahhabismus.
Beide wollten auf der Arabischen Halbinsel einen Staat errichten, scheiterten aber im Alleingang dabei, die Stämme zu unterjochen. Die strenge Ideologie des Wahhabismus, die Menschen zu eifrigen Unterstützern machte, nutzte Ibn Saud, um seine Herrschaft religiös zu legitimieren. So lautete bisher die offizielle Geschichtsschreibung.
Doch das Datum 1744 fehlt auf den Informationstafeln in der Lehmbausiedlung in Diriyah, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Die Saudis haben den Ort in den vergangenen Jahren zu einem grossen Freilichtmuseum ausgebaut. Interaktive Bildschirme erzählen den Besuchern, im Jahr 1727 habe Ibn Saud in Diriyah den ersten saudischen Staat gegründet.
Als nächstes Datum auf dem Zeitstrahl steht 1766 mit der Bemerkung, damals hätten Märkte und Handel geblüht, Diriyah sei das «Herz des Rufs nach Reformen» geworden. Einen Hinweis auf 1744 und die Rolle des Islam sucht man vergebens.
Eine junge Führerin erklärt: «Wir zeigen ausschliesslich die politische Landesgeschichte, es geht hier um die Staatsmänner, die Religion war sowieso weniger wichtig.» Sie formuliert in ihren Worten, was das Königshaus neu vermitteln will. Anfang 2022 erliess König Salman ein Dekret, das den 22. Februar 1727 zum Gründungstag der Nation erklärte. Internationale Historiker halten das Datum für fraglich, doch in Saudi-Arabien wird den Menschen von oben vorgeschrieben, was sie zu glauben haben. Das Dekret bedeutet einen Bruch mit dem Wahhabismus.
Stattdessen soll nun Nationalismus die Saudis für ihr Heimatland begeistern. «Ich bin sehr stolz, dass ich zeigen kann, wie schön mein Land ist», sagt die Führerin. Über Saudi-Arabien gebe es viele Missverständnisse, und deshalb sei es toll, dass jetzt Ausländer herreisten und sich selbst ein Bild davon machen könnten.
Gerade besichtigen mehrheitlich Einheimische Diriyah. Die restaurierte Lehmbausiedlung feierte am 4. Dezember die Eröffnung. Bei unserem Besuch scheint es, als ob die halbe High Society von Riad herströmt. Vor den Toren parken Rolls-Royce, Porsche und Bentley. Frauen tragen Designertaschen und viel Make-up. Die 200 Rial, umgerechnet 50 Schweizer Franken, die der Eintritt am Wochenende kostet, können wir uns in einem der schicken Restaurants von der Rechnung abziehen lassen, während im Hintergrund aus den Boxen leise der Song «Feels Like Heaven» ertönt.
Das riesige Gelände, das zu den Lehmbauten hinführt, fühlt sich etwas an wie ein Luxus-Disneyland. Teure Cafés reihen sich an Restaurants, die allesamt in Paris stehen könnten. Ein Karussell, Live-Musik und Eisstände unterhalten die Besucher. Gäbe es nicht die Pfeile, die auf Gebetsräume hinweisen, könnte man vergessen, in Saudi-Arabien zu sein.
Der Rundgang durch die Anlage mit den Lehmbauten dauert rund eine Stunde. In der Dämmerung wirken die Häuser dank eines ausgeklügelten Lichtsystems besonders hübsch, aus versteckten Musikboxen erklingt Kinderlachen. Freundliche Aufpasser weisen den Weg in die nächste Gasse. Geschichtsinteressierte können sich gratis von einer der mehrsprachigen Führerinnen begleiten lassen. Die perfekte Welt auf dem riesigen Gelände soll noch ausgeweitet werden.
Rundherum verdecken Absperrwände die Sicht auf Baustellen. Einst sollen hier mehr als 150 Restaurants, 28 Luxushotels und 400 Boutiquen stehen. Noch aber verkaufen in einer staubigen Nebenstraße drei jemenitische Mädchen Wasserflaschen für einen Rial und pakistanische Gastarbeiter beobachten von ihren Haustüren aus die vorbeiziehenden Gäste.
Al-Ula, der neue Pilgerort für Influencer
Wir fahren von Riad quer durch das Land Richtung in Westen, zehn Stunden sind es bis al-Ula. Viele Touristen steigen für lange Strecken lieber ins Flugzeug, die Inlandsflüge sind günstig. Doch wer ein Gefühl für Saudi-Arabien ausserhalb der modernen Städte entwickeln möchte, sollte mit dem Auto fahren. In einem Dorf verladen junge Männer Babykamele auf einen Pick-up, Frauen tragen fast ausnahmslos den Nikab, und in den Restaurants essen sie in der sogenannten «Family section» – einem separaten Raum mit einzeln abgetrennten Kabinen. Das Leben auf dem Land hat nichts zu tun mit dem neusten Hotspot für Influencer, der Wüstenstadt al-Ula.
Sie ist das Kronjuwel der saudischen Tourismusindustrie. Al-Ula ist eine Oase an der Weihrauchstraße, hier trifft die Wüste auf Geschichte und Kultur. Kronprinz bin Salman setzte extra eine königliche Kommission ein, die ihren Ausbau planen soll. An den Lehmhäusern in der Altstadt bauen Hunderte Gastarbeiter, damit Touristen sie bald ähnlich wie in Diriyah auf einem historischen Rundgang besichtigen können.
Im neueren Teil der von Felsen umrahmten Altstadt stehen Freiluftcafés, Souvenirläden und Ateliers. Es gibt Backsteinwände mit bunt gemalten Verzierungen, an denen Personen mit einem Instagram-Profil kaum vorbeigehen dürften, ohne ein Foto zu schiessen. Große Schaukeln hängen zwischen Palmen, Abfalleimer und Klimaanlagen sind hinter Holzabdeckungen versteckt.
Hier ist alles schön und so neu, dass auf gewissen Fassaden noch Abdeckfolie klebt. Überall hämmern und bohren Bauarbeiter. In der Oase neben der Altstadt können Besucher zwischen Dattelpalmen in Kursen mehr über ökologischen Gartenanbau lernen. Auf den Feldern wachsen Salate, Zitronen und Dill.
Julien, ein Franzose mit Rucksack, der zwölf Tage im Land herumreist, spaziert durch al-Ula. Er sagt: «Ich dachte, ich werde Saudi-Arabien nie bereisen können, weil ich kein Muslim bin, und jetzt . . .» – er klatscht freudig in die Hände.
Das Königreich hat seine ersten Touristenvisa für Nicht-Muslime erstmals Ende 2019 angeboten. Vorher war es vierzig Jahre besser abgeschottet als Nordkorea. Nun sollen künftig 100 Millionen Reisende jährlich ins Land strömen. Der Tourismus ist Teil der Strategie von Kronprinz bin Salman, der sein Reich weniger abhängig vom Erdöl machen muss. Zu seiner «Vision 2030» gehören Megaprojekte am Roten Meer, wo Touristen bald Sandstrände und Korallenriffe entdecken sollen.
Im Norden entsteht die futuristische Stadt Neom, die laut Plan dreißigmal grösser sein wird als New York. Um das freundliche Gesicht von Saudi-Arabien in die Welt hinauszutragen, lädt das Königreich Schauspielerinnen, Musiker und Influencer ein. Viele von ihnen erhalten eine gesponserte Reise nach Hegra, dem Unesco-Weltkulturerbe ausserhalb von al-Ula, wo es Felsengräber der Nabatäer zu sehen gibt, die vor mehr als 2000 Jahren in den Stein gemeißelt wurden. Die Hauptstadt des nabatäischen Volkes lag im jordanischen Petra, das Touristen in Massen anzieht und Vorbild für Hegra sein dürfte.
Eine Führerin mit Nikab erklärt unserer Gruppe gerade vor einer großen Felswand mit eingravierten Figuren, dass die Nabatäer kein Problem mit Stämmen hatten, die andere Götter anbeteten. Dann braust eine Gruppe in Jeeps heran, Influencerinnen in bauchfreien Tops und junge Männer mit teuren Sonnenbrillen steigen aus.
Sie posieren für Fotos, die sie später auf Social Media teilen und dabei von Saudi-Arabien schwärmen. Viele Fans dürften dabei vergessen, dass die bezahlten Reisen dazu beitragen, den Ruf des saudischen Regimes reinzuwaschen. In den Ranglisten von Menschenrechtsorganisationen steht Saudi-Arabien am unteren Ende.
Unsere Führerin mit Nikab hat ihr Porträtfoto auf dem Badge, den sie um den Hals trägt, mit einem Sticker abgeklebt. Sie ist in al-Ula aufgewachsen und freut sich über die Gelegenheit, im Tourismus zu arbeiten. Die bauchfreien Influencerinnen störten sie nicht, sagt sie. «Manche in der Generation meines Großvaters finden das wohl nicht gut, aber sie werden sich daran gewöhnen.»
Im ganzen Land bleibt die Kritik am neuen Kurs leise. Als der König die Religionspolizei entmachtete, muckte kein einziger Imam öffentlich auf. Die meisten erhalten ihren Lohn vom Staat, und die Menschen wissen, dass Kritiker im Gefängnis landen. Im schlimmsten Fall ergeht es ihnen wie dem Journalisten Jamal Khashoggi, der im saudischen Konsulat in Istanbul wohl zerstückelt und in Säure aufgelöst wurde.
Der neue Kurs ist nicht der erste radikale Wandel, den Saudi-Arabien erlebt. Am Anfang des 20. Jahrhunderts war das Land arm und wenig entwickelt. Dann fanden Forscher Ende der 1930er Jahre die ersten Ölfelder. Bald sprudelte das Öl nur so aus dem Boden und brachte Milliarden US-Dollar ein. Der Ölboom war in den siebziger Jahren in vollem Gang, und die Gesellschaft, die zwar religiös blieb, entwickelte sich in Richtung einer modernen Nation.
Doch das Jahr 1979 veränderte alles. Hunderte bewaffnete Islamisten überfielen die große Moschee in Mekka, dem heiligsten Ort der Muslime. Sie nahmen Pilger als Geiseln und wollten das Königshaus stürzen, um den nach ihrer Auffassung verdorbenen Westkurs des Landes zu stoppen.
Das Königshaus stand vor einer Katastrophe. Gewalt und Waffen sind in der heiligen Moschee in Mekka verboten. Es dauerte zwei Wochen, bis die Moschee befreit war. Die Saudis brauchten dafür die Hilfe einer französischen Anti-Terroreinheit. Dass «Ungläubige», denen der Zutritt nach Mekka eigentlich verboten ist, eingesetzt werden mussten, war für den König eine Schande.
Um seine Legitimität zu wahren, ließ er sich von den obersten Theologen eine Fatwa erstellen, ein islamisches Rechtsgutachten, das die Gewalt in der heiligen Stadt erlaubte. Im Gegenzug forderten die Geistlichen vom Staat, den Wahhabismus in der Gesellschaft konsequent durchzusetzen und Milliarden für die Missionierung im Ausland zu investieren. Das Königshaus ging auf die Forderungen ein. Musik und Kino wurden verboten, die Religionspolizei patrouillierte in den Strassen.
Jugendkultur in al-Ula und Jidda
Diese Zeit scheint rund um al-Ula wie eine längst vergessene Ära. Nun entstehen Luxushotels mit Pools vor den Bergkulissen. Saudi Nour, die eigentlich anders heißt, arbeitet in einem dieser Resorts. Wir gehen mit ihr abends in eine Rollschuhdisco mitten in al-Ula. Hier drehen junge Menschen zu Partymusik Runden auf Rollen. Nour verrät, dass ihr Hotel bald die Lizenz für das Ausschenken von Alkohol beantragen wolle. Ihr Chef glaube, das Verbot würde bald fallen – was Kronprinz bin Salman bisher öffentlich jedoch bestreitet.
Cocktails und Biere wären das Letzte, was noch fehlt, um westlichen Touristen jeden Wunsch zu erfüllen. Das primäre Zielpublikum wird in al-Ula deutlich: Menschen mit viel Geld, die Luxus mögen. Günstige Hotels gibt es bisher nicht, außer ein paar Campings mit Beduinenzelten. Al-Ula ist so offensichtlich auf Touristen mit westlichem Mindset zugeschnitten, als sei die Stadt direkt aus einer Skizze von McKinsey-Beratern entsprungen. Wer das authentische Leben sucht, ist hier falsch. Wer aber unbeschwerte Tage verbringen will, wird in al-Ula glücklich. Vermutlich wollen Touristen gerade das: eine Prise Abenteuer, aber den gleichen Komfort, den sie auch zu Hause haben.
Reisende, die weniger schillernde Fassaden mögen, sollten die Küstenstadt Jidda besuchen. Bekannt sind besonders die Häuser in der Altstadt mit Fassaden voller filigraner Fenstererker aus Holz, genannt Roshan. In Jidda übernachten wir bei Walid, einem Saudi Mitte zwanzig, den wir auf der Plattform Couchsurfing gefunden haben.
Walids Vater arbeitet in einem gut bezahlten Staatsjob. Er gehört zur Generation, die mit dem alten Gesellschaftsvertrag gross wurde: Der Staat versorgt das Volk mit Wohlstand, dafür halten sich die Saudis aus der Politik raus. Diese Geschenke kann sich der Staat langfristig nicht mehr leisten. 2018 bezahlten die Saudis erstmals Mehrwertsteuer und bekamen ihren Wasserverbrauch in Rechnung gestellt. Junge Menschen wie Walid sollen sich daran gewöhnen, in der Privatwirtschaft zu arbeiten. Im Gegenzug gibt ihnen das Königshaus nun mehr Freiheit.
Walid, der allein in einer Wohnung mit großer Terrasse lebt, ist für seinen Job im Kulturbereich von Riad nach Jidda gezogen. Er lebt ähnlich wie viele junge Menschen rund um die Welt, die genug Geld haben: großer Fernseher, klobiges Auto, Essen bestellt er bei Lieferfirmen. Einige Monate hatte er eine Freundin, sagt er, doch es habe nicht funktioniert mit ihnen beiden.
Er erzählt, dass junge Frauen und Männer in Saudi-Arabien an roten Ampeln durch Autofenster ihre Snapcodes austauschen, um sich dann via App Snapchat-Fotos schicken zu können, die nach ein paar Sekunden wieder verschwinden. Immer öfter schicken die Jungen ihre Snapcodes via Airdrop – einer Übertragungsart zwischen iPhones – an fremde Telefone in ihrer Nähe. Auch Dating-Apps seien im Umlauf, sagt Walid, und in großen Malls und Coffeeshops werde geflirtet. Den Liberalisierungskurs des Kronprinzen lobt er. Nur manchmal sorge er sich, dass Saudi-Arabien eines Tages wie Dubai werde. Dort sei alles fake.
Das Vertrauen von Saudis zu gewinnen, erfordert Geduld. Die Gesellschaft ist ziemlich verschlossen, Fremde werden selten direkt nach Hause eingeladen. Die Saudis schützen ihre Privatsphäre, deshalb haben viele die Vorhänge auch tagsüber zugezogen. In den Gesprächen wirkt Walid verunsichert, wenn er annimmt, dass er unseren Werten widerspricht; etwa, als er sagt, dass sein Vater zwei Frauen habe. Polygamie ist erlaubt im Land. Trotz Liberalisierung basieren viele Gesetze auf der strikten Auslegung des islamischen Rechts. Frauen sind freier als früher, aber per Gesetz unterliegen sie immer noch dem männlichen Vormund.
Als wir von Jidda zurück nach Riad reisen, fahren wir einen Bogen rund um Mekka. Nicht-Muslimen ist es verboten, die heilige Stadt zu besuchen. In Riad schlendern wir durch die Marktstraße Souk al-Zel. Junge Saudis verkaufen Sticker und Jutetaschen, daneben stehen verstaubte Trödlerläden mit Zinnkannen aus früheren Jahrzehnten. Die Erzählung, dass Saudi-Arabien nun zu einem futuristischen Staat würde, stimmt nur bedingt. Wenige hundert Meter von der Marktstrasse entfernt liegt der Platz, auf dem an manchen Freitagen öffentliche Exekutionen stattfinden.
Im März 2022 wurden an einem Tag 81 Menschen hinter verschlossenen Mauern hingerichtet. Die Dualität von Schönem und Grausamem reist in Saudi-Arabien immer mit – falls man sie sehen will. Das Land macht es Touristen einfach, ins Staunen zu versinken. Frühmorgens fahren wir von der Ausgehmeile in Riad, der Tahlia Street, zum Flughafen. Das Gebäude ist veraltet, doch Kronprinz bin Salman verkündete Ende November, ein riesiges Bauprojekt zu lancieren. Bevor unser Flugzeug in der Morgendämmerung Riads abhebt, erklingt aus den Lautsprechern ein Reisegebet. Auf Wiedersehen, Saudi-Arabien.
Karin A. Wenger (Text) und Philipp Breu (Fotos)
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