Die Kopten und ihr Kampf um neue Kirchen
Younan Khalaf steht vor dem Rohbau seines Hauses und reibt sich die Augen. Noch immer stehen nur die Grundmauern. Eisenstangen ragen oben heraus, ein Dach gibt es noch nicht. Der Wiederaufbau dauert, denn Khalaf geht immer wieder das Geld aus. Der koptische Christ ist auf Spenden aus seiner Gemeinde angewiesen.
Younan Khalaf wohnt in Kom Al Loufi, einem Dorf im Süden Ägyptens, nahe der Stadt Minya. Sein Haus ist im Sommer abgebrannt. "Eines Abends standen etwa 2.000 Menschen vor meinem Haus und haben 'Allahu akbar' und 'auf in den Kampf' und solche Sachen gerufen." Dann sei sein Haus in Flammen aufgegangen. Genau wie die seiner vier Brüder.
Die Polizei hat danach 19 der mutmaßlichen Brandstifter festgenommen – alles extremistische Muslime aus Kom Al Loufi. Sie kamen alle auf Kaution wieder frei. Bis heute läuft eine Art Schlichtungsverfahren, wer den Wiederaufbau der Häuser finanziert.
Auseinandersetzungen dieser Art sind nahezu Alltag zwischen Muslimen und Kopten in Ägypten. Etwa sieben Prozent der Bevölkerung sind Christen, hier im Süden, rund um Minya, stellen sie mehr als ein Drittel.
Unter Präsident Al-Sisi sollte alles besser werden
Es hatte Gerüchte gegeben, dass Khalaf und seine Brüder eine Kirche in Kom Al Loufi bauen wollten. Allein das reichte aus, um die Situation eskalieren zu lassen. Kein Einzelfall. Vor allem unter der Präsidentschaft des Muslimbruders Mohamed Mursi wurden Kopten regelmäßig angegriffen und Kirchen angezündet.
Als Abdel Fattah al-Sisi an die Macht kam, sollte alles besser werden. Auch Al-Sisi ist zwar ein gläubiger Muslim. Doch er versprach den Kopten Gleichberechtigung, hielt an ihrer Festschreibung in der Verfassung fest und unterzeichnete im Sommer sogar ein Gesetz, das Neubauten von Kirchen erleichtern sollte. Doch die Realität sieht anders aus, sagt Bischof Makarios von Minya: "Wir haben 160 Jahre auf dieses Gesetz gewartet. Aber es legt so viel Macht in die Hände örtlicher Gouverneure, die den Neubau von Kirchen mit Verweis auf die Sicherheitslage ablehnen können."
Tatsächlich ist die Sicherheitslage für Kopten fast immer kritisch. Erst vor wenigen Wochen sind mindestens 27 Menschen bei einem Selbstmordanschlag auf eine Kirche in Kairo ums Leben gekommen. Der selbsternannte "Islamische Staat" hat die Verantwortung dafür übernommen.
Kirchen werden mit Waffen bewacht
Younan Khalaf und die anderen Kopten aus Kom Al Loufi müssen zur Messe auf Kirchen in der Umgebung ausweichen. "Im Moment beten wir in Ezbeth Raflah, das ist rund sechs Kilometer entfernt." Doch auch da seien sie nicht willkommen. "Eines Tages haben radikale Islamisten die Straße blockiert und uns zum Umkehren gezwungen. Dann sind sie nach Ezbeth Raflah gefahren und haben die Muslime dort gewarnt, wir würden ihre Erde beschmutzen, wenn wir dort beten."
Die kleine Kirche in Ezbeth Raflah wird von zwei bewaffneten Sicherheitsleuten bewacht. Überall sind Überwachungskameras angebracht. "Reine Vorsichtsmaßnahmen", nennt der Priester, Vater Filtawos, das. Er ist neu in der Gegend, arbeitet erst seit knapp einem Jahr in Ezbeth Raflah. Er ist ein ruhiger Mann mit rundlichem Gesicht und spärlichem Bart. Er versucht, deeskalierend auf die Konfliktgruppen zu wirken, wählt seine Worte mit Bedacht: "Es hat ein paar sehr unschöne Ereignisse in den Nachbardörfern gegeben. Aber ich muss erst noch verstehen, was dort wirklich passiert ist."
Kopten sehen sich als Ureinwohner Ägyptens
Die Kopten sehen sich quasi als die "Ureinwohner" Ägyptens. Sie stellten noch vor der Islamisierung im 7. Jahrhundert die Mehrheit im Land, der Name "Kopte" leitet sich aus dem griechischen Wort für "Ägypter" ab. Doch seit sie in der Minderheit sind, fühlen sie sich als Bürger zweiter Klasse, werden vom Staat gegängelt und immer wieder zum Spielball der Politik. Präsident Anwar al-Sadat ging in den 1970er Jahren einen Pakt mit den Islamisten ein und zwang den Papst der Kopten, Schenuda III., sogar ins Exil. Nach Sadats Tod erholten sich die Beziehungen zwischen Kopten und Muslimen unter Hosni Mubarak wieder etwas. Doch ewiger Zankapfel blieb der Bau neuer Kirchen.
"In meiner Provinz gibt es 90 Kirchen, davon sind aber nur die Hälfte richtige Kirchengebäude. Die andere Hälfte sind nur Orte, an denen wir unsere religiösen Rituale abhalten dürfen. 150 Dörfer haben gar keinen Ort zum Beten", zählt Bischof Makarios von Minya auf. Manchmal seien die Räume so klein, dass die Messen unter freiem Himmel oder in Zelten stattfinden müssten. Das neue Gesetz, so ist der Bischof überzeugt, wird daran nichts ändern. Trotzdem hat sich der Papst der Kopten, Tawadros II., sehr zufrieden darüber geäußert. "Er mahnt uns zu Geduld und hofft darauf, dass die Situation in Zukunft besser wird."
Die Behörden verweigern Kom Al Loufi eine Kirche
Die Menschen in Kom Al Loufi haben die Hoffnung auf eine eigene Kirche fast aufgegeben, denn die Behörden lehnen die Baugenehmigung nach wie vor ab. "In unserem Dorf gibt es ungefähr 10.000 Häuser, darunter 22 Moscheen. Und keine davon hatte eine Baugenehmigung", ärgert sich Younan Khalaf. Es gebe eine einfache Erklärung dafür: Die Verantwortlichen in den Behörden seien nun einmal Muslime und sorgten sich vor allem um ihre eigenen Gotteshäuser.
Flemming Weiß-Andersen, Eva Plesner und Elisabeth Lehmann
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