Filme als eine Hommage an das Leben
Wie kam es zu der Wahl des Filmtitels “Little Eagles” und weshalb haben Sie sich dazu entschieden, einen Dokumentarfilm zu drehen an Stelle eines Spielfilms?
Mohamed Rashad: Der Titel "Little Eagles" geht zurück auf den Namen der Gemeinschaft, um die sich der Film ursprünglich einmal drehen sollte. Diese Gemeinschaft, ein Ableger einer Gruppierung in Schweden, wurde in den 1980er Jahren in Ägypten gegründet. Hier trafen sich die Kinder der linken Aktivisten der 1970er Jahre die, durch Erziehung und ihre Verbindungen untereinander, die linken Ideen ihrer Eltern vererbt bekommen hatten. Und auch wenn diese Gemeinschaft nicht im Zentrum des Films steht ist der Titel "Little Eagles" eine Hommage an das Leben und die Geschichte dieser Generation.
Die Entscheidung zwischen Dokumentar- oder Spielfilm ergab sich durch das Thema und die Charaktere denn "Little Eagles" erzählt von realen Personen, von einem Drama, das sich wahrhaft ereignet hat. Ich bin auch im richtigen Leben tatsächlich von diesen Charakteren umgeben, daher war es eine logische Wahl mit ihnen zu arbeiten. Dies ist übrigens meine erste Erfahrung mit dem Genre Dokumentarfilm.
Ein zentraler Teil Ihres Films ist das Reisen. Zu welchem Grad ist Ihrer Meinung nach das Reisen und der Umzug an einen anderen Ort eine Chance seine Einstellung zum Leben zu verändern, und sich selbst und die Welt neu zu entdecken?
Rashad: Reisen ist eine Lebenserfahrung. Man kann davon profitieren oder es genießen, doch in dem Film ist die Reise ein besonderer Traum und eine einzigartige Erfahrung. Von Alexandria nach Kairo zu ziehen, war ein Traum von dem ich dachte, er würde all meine Probleme und Krisen lösen, indem ich der Enge und Chancenlosigkeit einer kleinen Stadt wie Alexandria entfliehe. In der Tat hat mich meine Reise nach Kairo verändert und mein Selbstbewusstsein gestärkt, dies drücke ich auch im Film aus. Doch nach einer Weile beginnt die Sehnsucht nach all den Dingen, die Dich an Deinem Heimatort, Alexandria, eingeengt haben. Und schließlich kehrst Du zurück mit all den Erfahrungen des Reisens, den positiven und den negativen, und den Spuren, die sie in Dir hinterlassen haben.
Die Zeit, die Veränderungen, die sie mit sich bringt, und wie sich Vergangenheit und Gegenwart überlappen, ist als Thema sehr stark in Ihrem Film vertreten. Wie gehen Sie mit der Frage nach der Zeit und der persönlichen sowie kollektiven Geschichte um?
Rashad: Die Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist das zentrale Thema des Films. Es hat mich bei der Produktion mehr beschäftigt als alles andere, denn die Gegenwart in der wir leben, ist äußerst kompliziert. Allgemein gesprochen könnte eine Lösung sein, dass wir die Vergangenheit analysieren um Antworten zu finden oder zumindest um neue Fragen zu stellen.
Auf persönlicher Ebene hingegen, die auch Berührungspunkte mit der allgemeinen Ebene aufweist, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir durchaus unsere Familien in die Verantwortung nehmen, ihnen Vorwürfe machen und sie, beispielsweise des Versagens, beschuldigen können. Doch sind wir bereit, uns auch unserem eigenen Versagen zu stellen? Oder zumindest bereit für den Tag, an dem uns die nächste Generation des Versagens anklagen wird?
Zum Umgang mit der persönlichen und kollektiven Geschichte: Meiner Meinung nach sind sich die beiden sehr ähnlich, denn eine Person ist doch das Ergebnis dessen, was um sie herum geschieht, der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse. Daher kann man das persönliche niemals vom kollektiven trennen.
Manche Regisseure planen jedes Detail des Films im Voraus während andere noch Raum für den Zufall lassen, für unerwartete Szenen und Ereignisse. Welchem der beiden Typen würden Sie sich zuordnen?
Rashad: Beim Dreh eines Spielfilms ist es besser, gut und detailliert zu planen, doch wenn man an einem Dokumentarfilm arbeitet hat man gar keine andere Wahl als Raum für Zufälliges zu lassen. Planung ist auch hier notwendig und wichtig, doch in diesem Genre ist es sehr schwierig, die Situation zu beherrschen. Es gibt immer etwas, das man nicht in der Hand hat. Doch wenn Sie mich fragen, ist genau dies das Beste am Drehen eines Dokumentarfilms.
Ihr Film hat an vielen Festivals teilgenommen, darunter das ALFILM – Arabisches Filmfestival Berlin und das Dubai International Film Festival. Wie haben Sie die Reaktionen der Zuschauer aus den verschiedenen Kulturkreisen erlebt?
Rashad: Jedes Publikum hat, entsprechend des Hintergrundwissens über die politischen und sozialen Gegebenheiten in Ägypten, seine ureigene Perspektive auf den Film, dies ist also relativ. Doch das Schöne ist, dass das Publikum unterschiedlicher Kultur und Nationalität sich mit großer Sensibilität mit dem persönlichen Teil des Films auseinandersetzt: Der Beziehung des Sohns zu seinem Vater. Das liegt daran, dass diese Beziehung unabhängig ist von kulturellen Grenzen, denn sie ist menschlich und verbindet die Menschen miteinander. Deshalb bin ich voreingenommen was das Menschliche in Filmen betrifft: Jeder Film, egal welchen Genres oder welcher Art, muss etwas Menschliches transportieren, das die Zuschauer über ihrer Unterschiede hinweg berührt.
Das Interview führte Islam Anwar.
© Goethe-Institut 2017
Mohamed Rashad wurde 1980 in Alexandria geboren. Er studierte Film und Regie am Jesuitischen Kulturzentrum und der SIMAT Stiftung. Er schrieb und produzierte die zwei Kurzfilme "Von Weitem" und "Maxime" und arbeitete als Regieassistenz bei vielen Kurz- und Spielfilmen mit, darunter "Coming Forth By Day" der Regisseurin Hala Lotfy. Er ist Mitbegründer der Produktionsfirma Hassala Films und arbeitet derzeit an seinem ersten langen Spielfilm.