Offen für jedermann
Sie soll eine Begegnungsstätte werden, wo Menschen zusammen treffen, sich kennenlernen, miteinander feiern, beten, egal, welcher Religion sie angehören. Ein Symbol für gelungene Integration, für friedliches Mit- und Nebeneinander von Muslimen und Nicht-Muslimen.
Doch als die Pläne für die Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) in Köln - die größte in Deutschland - veröffentlicht wurden, nutzten die Gegner die Gelegenheit und brachen eine fundamentale Debatte über die islamische Gemeinde in Köln vom Zaun.
Ganz vorne mit dabei: Die rechtsgerichtete "Pro-Köln"-Bewegung. Sie forderte einen Baustopp und machte mit allerhand islamfeindlichen Parolen die sowieso schon skeptische Kölner Bevölkerung nervös.
Aus einem anderen Lager kommt einer der prominentesten Kritiker: der Publizist Ralph Giordano. Er sieht den Integrationsprozess in Deutschland in Gefahr. Nach wie vor wird in Köln über die Moschee heiß diskutiert. Doch die Debatte hat sich verlagert. Mittlerweile geht es mehr um Architektur und Lage des Bauwerks als um Probleme des Miteinanders.
Architekt Paul Böhm ist davon überzeugt, dass die Moschee schon jetzt, ein gutes halbes Jahr vor ihrer Eröffnung, ein Akt der Integration ist.
"Es ist eins der wichtigsten Gebäude, die ich jemals entworfen habe. Das bringt mich in die Lage, etwas für die Allgemeinheit zu tun und nicht nur für eine bestimmte Gruppe."
Ein offenes Haus für alle
Spricht man mit Befürwortern der Moschee, fallen schnell Begriffe wie "offen", "einladend" oder "hell". Genau das will Paul Böhm mit seinem Baustil erreichen: "Die Gebetshalle ist offen und dann haben wir diesen riesigen Innenhof, der Menschen aus allen Religionen einladen soll."
Die Kuppel öffnet sich nach oben wie eine Knospe – eingerahmt wird sie quasi von den zwei schlanken Minarett-Türmen, die sich in einer eleganten Drehung nach oben hin verjüngen.
Vor Baubeginn im November 2009 waren es vor allem diese beiden Türme, die für den größten Ärger gesorgt hatten. Viel zu hoch seien sie, hieß es vor allem aus den Reihen von "Pro-Köln". Nach ursprünglichen Plänen sollten sie nämlich noch höher sein. Damit hätten sie allerdings den Kölner Dom, das alte christliche Wahrzeichen Kölns, überragt.
Der Dom hat den Status des Weltkulturerbes, der in jüngster Vergangenheit durch andere Kölner Bautätigkeiten ohnehin schon in Frage stand. Nach endlosen Diskussionen im Stadtrat, in den Medien und an Stammtischen kam schließlich der Kompromiss zustande: Die Minarette werden niedriger gebaut werden.
Ayse Aydin von der Türkisch-Islamischen Union in Köln fand diese Debatte oft sehr schmerzhaft. Aber auch nützlich: Sie konnte beobachten, dass die Kölner Interesse für die türkischen Mitbürger gezeigt und einiges über sie gelernt haben: "Solche Begegnungsstätten sind offene Plätze für jedermann. Gebäude wie diese Moschee können den Menschen die Angst vor dem Fremden nehmen und sind eine wichtige Plattform für Kommunikation."
Meilenstein der religiösen Architektur
Vielleicht braucht Köln auch neue architektonische Schätze. Nachdem die Stadt im Zweiten Weltkrieg so zerbombt wurde, dass nur noch wenig alte Bausubstanz übrig geblieben ist, wurde sie schnell wieder aufgebaut – ohne dass man auf städtebauliche Ästhetik achtete. Gelinde gesagt: Köln ist nicht unbedingt schön.
Warum soll eine Moschee wie diese nicht das Stadtbild erweitern? Sie ist eines der wenigen großen Bauwerke in Köln, die nicht aus Glas und Stahl bestehen, sondern einen ganz eigenen Reiz haben: den Reiz des islamischen Architektur-Erbes.
"Die Moschee ist ein Meilenstein der religiösen Architektur in Deutschland", findet der Kölner Professor für Architekturgeschichte Norbert Nußbaum. Aber sie sei auch eindeutig türkisch. Dieses Gebäude könne überall in der Türkei stehen.
"Es hat diese typische Form, die oft in der osmanischen Architektur zu finden ist. Es ist also eine türkische Moschee inmitten der islamischen Diaspora." Nußbaum glaubt, dass viele Muslime sich hier zu Hause fühlen werden, schließlich habe der größte Teil der islamischen Gemeinde in Deutschland türkische Wurzeln.
Im 16. Jahrhundert hatte die osmanische Baukunst ihre Blütezeit. Charakteristisch waren auch die prächtigen Mosaike, die bis heute noch den türkischen Sakralbau beherrschen. Die Frage, ob solche Elemente auch in der Kölner Moschee zu finden sein werden, ist noch offen.
Bei der Eröffnung im kommenden Frühjahr wird der einzige Schmuck im Innern das Licht sein, das sich durch die hohen Fensteröffnungen in den Raum ergießt. Möglicherweise werden später noch klassische osmanische Elemente eingebaut. Die Türkisch-Islamische Union wünscht sich aber erst mal, dass die Moschee mit der Gemeinde wächst. Über die Gestaltung des Innenraums will man später nachdenken.
Umtost vom Verkehr
Der Standort der Moschee ist gewöhnungsbedürftig. Eingerahmt ist das Gotteshaus auf der einen Seite von einer viel befahrenen sechsspurigen Hauptverkehrsstraße. Auf der anderen Seite steht eine der wenigen innenstädtischen Tankstellen.
Das mag einigen nicht würdig erscheinen, für einen so spirituellen Ort wie diesen. Architekt Paul Böhm lacht, wenn er darauf angesprochen wird. "Dann hoffe ich, dass mein Entwurf so stark ist, dass die Tankstelle nicht mehr auffällt."
Auch die Kölner Architektin Susanne Gross ist der Meinung, dass die Tankstelle "irrelevant" ist: "Wer weiß, ob die in 30 Jahren noch da steht."
Ob der Verkehr nun auch zahlreiche Nicht-Muslime hierher locken wird, lässt sich nicht sagen.
Doch vielleicht ist dieser Platz auch bewusst gewählt worden – genau aus diesem Grund. Städteplanerin Susanne Gross ist davon überzeugt, dass die Architektur dieselbe Kraft haben kann wie die Kunst. Weil sie Menschen zusammenbringen kann.
Auch Paul Böhm glaubt an diese Kraft. "Wir können Angebote machen – wir können es möglich machen, dass Männer und Frauen zusammen beten können, und dass Nicht-Muslime hier herkommen. Aber es ist eben nur ein Angebot. Jetzt sind die Leute gefragt, dieses Gebäude zum Leben zu erwecken."
Die meisten neuen Gebäude brauchen ihre Zeit, bis sie "angekommen" sind, bis ihre Umgebung sich an sie gewöhnt hat. Im Fall der Kölner Moschee hat dieser Prozess schon längst begonnen.
Zulfikar Abbany
© Deutsche Welle 2011
Redaktion: Arian Fariborz /Qantara.de