Bosnischer Stolz und westliches Vorurteil

Filme vom Balkan müssen von Krieg und Zerstörung erzählen, so ein ungeschriebenes Gesetz. In dem Film "Armin" von Ognjen Svilicic haben die Protagonisten jedoch ganz andere Sorgen. Ariana Mirza berichtet.

Filme, die auf dem Balkan spielen, müssen von Krieg und Zerstörung erzählen. Dieses ungeschriebene Gesetz wurde auf der diesjährigen Berlinale durch eine lakonische Tragikomödie in Frage gestellt. In der kroatisch-deutsch-bosnischen Co-Produktion "Armin" haben die Protagonisten ganz andere Sorgen. Ariana Mirza berichtet.

Filmszene aus Armin; Foto: www.berlinale.de
Auf dem Weg zum Filmcasting: Ibro (Emir Hadzihafisbegovic) und sein Sohn Armin (Armin Omerovic-Muhedin)

​​Ein verschlafenes Nest irgendwo in der bosnischen Provinz. In malerischer Schönheit erhebt sich die weiße Moschee über bescheidene Einfamilienhäuser. Von hier aus machen sich Ibro und sein 14-jähriger Sohn Armin auf den Weg. Der Junge soll an einem Film-Casting teilnehmen.

Eine Idee, die von vornherein unter einem schlechten Stern steht. Dass der marode Bus, der die beiden zum Casting nach Zagreb bringen soll, eine Panne hat, bildet da nur den Anfang einer ganzen Reihe von Missgeschicken.

Die Tragikomödie "Armin" erzählt von einer Reise, die mit großen Hoffnungen auf Ruhm und Geld beginnt und mit einem kleinen Glück endet.

Eine Mischung aus Naivität und Bauernschläue

Der kroatische Regisseur Ognjen Svilicic lässt seine Protagonisten auf ungemein sympathische Weise ihren Träumen nachjagen.

Mit einer Mischung aus Naivität und Bauernschläue versucht Ibro seinen Sohn zum Filmstar zu machen. Nachts schmeißt er sich in der Hotelbar an den Kameramann ran, tagsüber verfolgt er die Produktions-Assistentin.

Mit einer darstellerischen Glanzleistung verleiht der bosnische Schauspieler Emir Hadzihafisbegovic seiner Figur Glaubwürdigkeit und Authentizität.

Hin und her gerissen ist dieser Vater: Zwischen der Liebe zu seinem Sohn und der Enttäuschung über dessen scheinbares Unvermögen.

Und auch der jugendliche Darsteller Armin Omerovic-Muhedin schlüpft so überzeugend in die Rolle des wortkargen, schüchternen Möchtegern-Schauspielers, dass die Grenze zwischen Inszenierung und Realität verwischt.

Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Der semi-dokumentarische Charakter von "Armin" setzt sich auch in den lakonischen Dialogen und langen, ruhigen Kamera-Einstellungen fort. Fast wirkt es, als würde ein Stück Leben begleitet. Das Leben von Menschen, die endlich mit dem Krieg abschließen wollen, und sich ihren Platz in einer besseren Zukunft sichern möchten.

Nur interessiert das keinen. Zumindest niemanden, der extra anreist, um pittoreske Kriegsschäden auf die Leinwand zu bringen.

Filmszene aus Armin; Foto: www.berlinale.de
Hat der Junge ein Kriegstrauma? Armin und eine deutsche Schauspielerin (Marie Bäumer)

​​Im Gegenteil. Der tumbe Casting-Kandidat Armin wird für die westliche Filmproduktion erst interessant, als eine deutsche Schauspielerin (Marie Bäumer) vermutet, der unbeholfene Junge hätte wohl ein Kriegstrauma.

Mit seinem kleinen, unprätentiösen Film hat der kroatische Regisseur und Drehbuchautor Ognjen Svilicic ein Zeichen gesetzt. Gegen all jene Klischees, die unseren derzeitigen Blick auf den Balkan prägen.

Mit feiner Komik entlarvt "Armin" die westliche Filmkultur, die in Bosnien genau das passende Ambiente für Leid und Kriegsdramen zu finden glaubt.

Deutsche Co-Finanzierung

Svilicics Protagonisten konterkarieren diesen eindimensionalen Blickwinkel. Sie sind keine Reißbrettfiguren mit entsetzlicher, blutrünstig bebilderter Vergangenheit.

Und statt von Kriegsopfern erzählt der Film viel eher von der schwierigen Beziehung zwischen einem stolzen Vater und einem ebenso stolzen Sohn.

Auf der Berlinale betonte Svilicic, auch in Friedenszeiten böten die Balkanländer genügend Filmstoff, wenn man denn nur genau hinschaue. Vielleicht, so meint der 36-jährige Kroate, könne sein Film ja einen generellen Blickwechsel einleiten.

Als positives Signal wertete er, dass eine deutsche Produktionsfirma "Armin" co-finanziert habe. Ein solches Engagement sei wichtig, denn es zeige, dass es auch in Westeuropa eine Abkehr von "den ewig gleichen Balkan-Kriegssujets" möglich sei.

Für die Zukunft, so Svilicic, wünsche er sich mehr mutige Projekte, die seine Heimatregion als Schauplatz für interessante Filmgeschichten entdeckten. "Ganz ohne Kriegsgetrommel."

Ariana Mirza

© Qantara.de 2007

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