Abgekühlte Beziehungen
Irans Außenministers Kamal Charrasi stand während seines Besuchs in mehreren europäischen Staaten mit seinen politischen Positionen oft allein da - so auch in Deutschland. Peter Philipp beleuchtet die Hintergründe der gegenwärtig schwierigen iranisch-europäischen Beziehungen.
Eigentlich handelte es sich um einen Routinebesuch des iranischen Außenministers, aber was ist schon Routine in den iranisch-deutschen - wie auch an den iranisch-europäischen Beziehungen?
Die Schatten der Vergangenheit - der Fall Mykonos
Beide Seiten schieben ein Paket ungelöster Probleme vor sich her und oft, wenn man denkt, das eine Problem gelöst zu haben, dann tut sich ein neues auf. Oder auch ein altes: Wie die Erinnerung in Berlin an den von Teheran befohlenen Anschlag auf Exiliraner im Restaurant Mykonos, die auf der Gegenseite sofort gekontert wird mit einem Verweis darauf, dass Deutschland doch dem Irak beim Erlangen chemischer Waffen geholfen habe, die dieser im ersten Golfkrieg gegen den Iran einsetzte.
Solche Themen stehen bei Treffen auf hoher Ebene zwar nicht im Vordergrund, sie sind aber präsent. Wobei sie keineswegs die einzigen Problemfelder darstellen. Die Haupt-Themen bergen alle Stoff für Meinungsverschiedenheiten: Da ist die Frage der iranischen Atomforschung, da ist der Nahostkonflikt, da ist die Lage im Irak und da gibt es natürlich immer noch und immer wieder die Frage von Demokratie und Menschenrechten.
Irans Innenpolitik als Stolperstein in den Beziehungen
Und alle hängen irgendwie zusammen: So haben Art und Ablauf der iranischen Parlamentswahlen im Februar auf europäischer und auch deutscher Seite den Hoffnungen auf eine weitere Öffnung im Iran einen schweren Dämpfer versetzt. Nicht, weil eine politisch nicht so genehme Richtung gewonnen hätte, sondern weil hier offen gegen grundsätzliche Prinzipien von Demokratie und freien Wahlen verstoßen wurde.
Das neue Parlament hat sich zwar noch nicht konstituiert, und der Wandel zu einer härteren Gangart wird wohl auch erst bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2005 abgeschlossen sein. Aber es zeigt sich doch jetzt schon deutlich, dass die Konservativen weniger Rücksicht nehmen denn je.
Ein Beispiel ist zweifellos die erneute Verhängung der Todesstrafe gegen den Universitätsdozenten Aghajari, der sich für Reformen des iranischen Gesellschaftssystems ausgesprochen hatte und der unter dem Druck von Reformern, Studenten und auch dem Ausland zunächst begnadigt worden war. Die erneute Verhängung eines Todesurteils macht es gerade dem Ausland schwer, mit Teheran einfach "zur Tagesordnung überzugehen".
Da nützt es nichts, wenn Teheran versichert, es habe nie so wenige politische Gefangene gegeben wie jetzt, erst recht nicht, dass man einige von diesen jetzt vom Gefängnis "beurlaubt" hat: Beides beweist ja doch nur, dass sie Opfer staatlicher Willkür sind.
Außenpolitische Differenzen
Was die Frage des Nahost-Konflikts betrifft, so kann man in Europa - und ganz besonders in Deutschland nicht viel mit der iranischen Position anfangen: Teheran steht klar gegen Israel und unterstützt nicht einmal die Idee eines Friedens mit dem jüdischen Staat.
Eher noch findet man Gemeinsamkeiten in der Frage des Irak-Krieges: Man weiß auch in Berlin, wie wichtig die Vorgänge dort für den Iran sind und wie nützlich immer wieder zumindest eine Abstimmung mit Teheran wäre. Das Beispiel Afghanistans hat dies hinreichend bewiesen. Der Iran hat durchaus Möglichkeiten, mäßigend zu wirken und vielleicht sogar hin und wieder zu vermitteln - selbst wenn er dies offiziell dementiert.
Skepsis gegenüber Irans Atomprogramm
Bleibt die Frage der Atomforschung. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens hatten im Herbst den Iran überredet, das Zusatzprotokoll zum Atomsperrvertrag zu unterzeichnen. In der Folge aber zeigte es sich, dass Teheran einige seiner bisherigen Aktivitäten auch den Europäern gegenüber verschwiegen hatte. Mit der Folge, dass die europäische Gegenleistung bisher ausblieb: Technisches Know-how mit dem Iran für die friedliche Nutzung von Atomkraft zu teilen.
In Teheran wird man langsam ungeduldig, denn man fühlt sich etwas hintergangen. Und mit freundlichen Worten allein ist es in den Augen der Iraner nicht getan. Für sie ist dies - auch - eine Frage der nationalen Ehre.
In Berlin wie auch in anderen europäischen Hauptstädten ist man weit davon entfernt, den amerikanischen Vorwürfen blind zu vertrauen, der Iran wolle Atommacht werden. Ganz besonders nicht vor dem Hintergrund der Irak-Erfahrung.
Solange man aber immer wieder sieht, dass Teheran nicht mit völlig offenen Karten spielt, solange hält sich der Zweifel: ob ein Erdöl- und Erdgas-reiches Land wie der Iran denn wirklich Atomkraft zur Strom-Erzeugung braucht und ob Europa sich durch zu "freundliches Entgegenkommen" nicht vielleicht zum Komplizen für etwas macht, was man natürlich nicht will. Nämlich die Zahl der Atommächte vergrößern.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004