Rätselraten um Kriegsabsichten

Von Washington bis Los Angeles beschäftigt Journalisten, Politiker und Think Tanks die Frage, ob es in den verbleibenden fünf Monaten der Bush-Regierung noch zu einem amerikanischen Waffengang gegen den Iran kommt. Ali Fathollah-Nejad informiert.

US-Marine am Persischen Golf; Foto: AP
Im Atomkonflikt mit dem Iran haben die USA und Israel einen militärischen Schlag gegen die Führung in Teheran nicht ausgeschlossen. Der Iran wiederum betrachtet jeden Angriff auf eine seiner Atomanlagen als Beginn eines Krieges.

​​Der neokonservative Think-Tank "Washington Institute for Near East Policy" (WINEP) wird dem als mächtigste US-amerikanische Lobbyorganisation erachtete "American Israel Public Affairs Committee" (AIPAC) zugerechnet.

Am 22. Mai wurde dem Senat des US-Kongresses ein Gesetz vorgelegt, dessen Initiative maßgeblich auf AIPAC zurückgeht.

Exportverbote und Seeblockade

Die so genannte "House Resolution 362" sieht vor, dass der Export von raffiniertem Petroleum in den Iran verboten und jeglicher Warenverkehr des Iran strikten Inspektionen unterworfen wird. Obgleich die Resolution keine rechtliche Bindung für die Regierung darstellen würde, geht man doch davon aus, dass Bush und Cheney diese ausführen würden.

Die Resolution 362 würde eine Seeblockade gegen den Iran erforderlich machen – eine Maßnahme, die völkerrechtlich als Kriegsakt eingestuft wird. Anfang Juni wurde ebenfalls durch einen demokratischen Kongressabgeordneten, den Senator John Bayh, der Ende Juni seine Bereitschaft bekundete, als Vize-Präsident Obamas zu fungieren, im US-Senat die dazugehörige "Senate Resolution 580" eingeführt.

Die Resolution 362 fand bereits drei Wochen nach der Vorlage die Zustimmung von einem Drittel der Mitglieder des Repräsentantenhauses. Und auch die "Senate Resolution 580" wurde nach nur zwei Wochen von einem Fünftel des Senats gebilligt.

Barack Obama; Foto: AP
Barack Obama spricht im Juni bei einer Konferenz der AIPAC. Er wirft seinem Konkurrenten McCain vor, dieser wolle die Iran-Politik Bushs fortsetzen.

​​Die Lobby-Arbeit des AIPAC schien sich auszuzahlen, denn es sah danach aus, als ob beide Resolutionen problemlos von beiden Häusern des Kongresses verabschiedet würden. Zum Kongressausklang meldete AIPAC, dass die Resolution 362 "höchsten legislativen Stellenwert" einnehme.

400 Millionen Dollar für die Destabilisierung Irans

Der wohl bekannteste investigative Journalist der USA, Seymour Hersh, legte in seinem Anfang Juli veröffentlichten Artikel in der Zeitschrift "The New Yorker" dar, wie auf Anfrage Bushs der Kongress Ende letztes Jahres eine Summe von 400 Millionen US-Dollar bewilligt hat, um die iranische Regierung durch geheime Aktivitäten und Unterstützung von radikalen Separatistengruppen zu destabilisieren und schlussendlich zum Sturz zu bringen.

Zu den Nutznießern dieser Finanz- und Militärhilfen gehört neben der sunnitisch-fundamentalistischen "Dschondollah" ("Soldaten Gottes") am Länderdreieck Iran-Afghanistan-Pakistan und der iranischen PKK-Schwesterpartei PJAK, die militanten iranischen Volksmudschaheddin – auch unter Modjahedin-e Khalq Organization (MKO) bekannt.

Seymour Hersh; Foto: AP
"Bush hat mehr dazu getan, die Menschen zu verängstigen als alle anderen. Unsere Welt ist durch ihn viel gefährlicher geworden", meint Seymour Hersh

​​Unter dem Titel "Der letzte Ausweg" behandeln Patrick Clawson, stellvertretender Forschungsdirektor des WINEP, und Michael Eisenstadt, Programmleiter für Militär- und Sicherheitsstudien des Instituts, die Konsequenzen eines präventiven Militärschlages gegen den Iran und begeben sich dabei auf die Suche nach den besten Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen amerikanischen oder auch israelischen Angriff.

Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Militärschlag nur denkbar sei, wenn die Weltöffentlichkeit und die europäischen Verbündeten dies auch befürworten würden. Hierzu müsse der Iran beispielsweise aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten.

Ebenso ausreichend für einen Waffengang dürfte es sein, wenn der diplomatische Weg vollkommen ausgeschöpft würde, ohne dass die Iraner zum Stopp ihres Atomprogramms bewegt werden konnten. Ein Szenario, das in der Tat eintreten kann, solange die westlichen Mächte – die USA und die EU-3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) – als Vorbedingung für umfangreiche Verhandlungen auf das Einstellen des völkerrechtlich gedeckten iranischen Urananreicherungsprogramms beharren.

Bremst neuer Geheimdienstbericht das Kriegslager?

Nur wenige Häuserblocks vom "Washington Institute" entfernt befindet sich der 1999 gegründete Think Tank "The New America Foundation". Steven Clemons, Direktor des Strategieprogramms, hat gemischte Gefühle, was einen Iran-Krieg in der verbleibenden Regierungszeit von Bush angeht.

Zwar lehnten Militärs und Geheimdienste ein solches Abenteuer ab, das Lager von Vizepräsident Dick Cheney würde jedoch nach wie vor mit aller Macht für einen Militärschlag eintreten. Und immerhin, so fügt der Autor des bekannten Blogs "The Washington Note" hinzu, habe dieses Kriegslager seit vergangenem Herbst wieder vermehrt an Einfluss gewonnen.

Stephen Hadley äußert sich im Weißen Haus über das iranische Atomprogramm ; Foto: AP
US-Sicherheitsberater Stephen Hadley berichtete Ende 2007 von den Ergebnissen des "National Intelligence Estimate" über das iranische Atomprogramm.

​​Auch die israelische Kriegsrhetorik bereite ihm Sorgen, gibt Clemons zu, denn in dieser empfindlichen Situation könne dies den Konflikt weiter anheizen. Ein Krieg, so glaubt nicht nur er, würde eines Vorfalls bedürfen, der den Iranern zur Last gelegt werden könnte. Als Vorwand sei ein Zwischenfall denkbar wie beispielsweise der Zwischenfall am Golf von Tonkin, der damals den Vietnam-Krieg auslöste.

Gegenwärtig arbeite er zusammen mit Geheimdienstagenten daran, dass noch im September/Oktober diesen Jahres eine neue eine aktualisierte Einschätzung der 16 US-Geheimdienste zum Iran ("National Intelligence Estimate") herausgegeben wird.

In der letzten dieser Einschätzungen zum Iran vom Dezember 2007 war noch die Rede davon, dass Teheran kein Atomwaffenprogramm unterhalte, womit einmal mehr die Befunde der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) bestätigt wurden.

Mohamed El Baradei; Foto: AP
Der Leiter der IAEA, Mohamed El Baradei, versuchte bei Gesprächen im Iran die Situation zu entschärfen.

​​Die "National Intelligence Estimate" solle dies nochmals bestätigen, so Clemons, um damit den Kriegstreibern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn die katastrophale Dimension eines Iran-Krieges und die Möglichkeit, dass das Lager des Vizepräsidenten die Oberhand gewänne, seien noch zu groß, als dass man abwarten könne.

Auch Erik Leaver vom "Institute for Policy Studies" (IPS), das der US-Friedensbewegung nahesteht, fürchtet einen vom Cheney-Lager durchgeboxten Iran-Angriff. Jedoch hegt er die Hoffnung, dass solch ein Angriff doch noch ausbleiben werde, nicht zuletzt wegen der letzten "National Intelligence Estimate".

Ali Fathollah-Nejad

© Qantara.de 2008

Ali Fathollah-Nejad studierte Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Lille (Sciences-Po, Frankreich), Münster und Enschede (Niederlande). Er ist Gründer und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der "Campaign Against Sanctions and Military Intervention in Iran (CASMII)" (www.campaigniran.org).

Qantara.de

USA unterstützen militante Gruppen im Iran
Washingtons fragwürdige Freunde
Um das Regime in Teheran zu stürzen, finanzieren die USA Untergrund-Aktivitäten im Iran. Dabei werden Gruppen unterstützt, die Washington normalerweise als islamistisch und terroristisch einstufen würde. Peter Philipp berichtet.

US-Präsident Bushs Nahostreise
"Die USA haben ihre besondere Rolle verspielt"
Was ist vom Besuch des US-Präsidenten im Nahen Osten zu erwarten? Und wie kann die Nahostpolitik von George W. Bush bewertet werden. In einem Interview sieht Nahost-Experte Udo Steinbach vertane Chancen.

Iranpolitik
Es ist Zeit für Gespräche mit dem Iran
Nach Bekanntgabe des US-Geheimdienstberichtes sollte Europa nun selbstbewusst eine gemeinsame Politik mit den USA einfordern, welche die iranische Innenpolitik im Blick hat. Diese kann neue Sanktionen seitens des Sicherheitsrates einschließen, muss aber auch ein Angebot zum Dialog enthalten, meint Volker Perthes.

Der Westen und der Iran
Der Bumerang-Effekt
Ein Militärschlag der USA auf den Iran würde die Herrschaft der Mullahs stärken und nicht schwächen, meint Nasrin Alavi.