Mit Charme, Bibel und Koran
Nach zwei Jahren als Werkzeugmacher in Deutschland empfing Reinhold Strähler einen Ruf, der sein Leben verändern sollte. "Ich empfinde es als Ruf von Gott, als Missionar in der muslimischen Welt zu arbeiten", sagt der dreifache Familienvater, der 15 Jahre lang in Khartum gelebt und gewirkt hat.
Ein Schritt, den nur wenige ergreifen. Von den tausenden Missionaren, die in Afrika aktiv sind, wendet sich nur ein Bruchteil an Muslime. Die Mission unter Muslimen oder Anhängern anderer monotheistischer Weltreligionen wie dem Judentum ist umstritten, weiß Strähler. "Selbst einheimische Christen im Sudan müssen ermutigt werden, aktiv auf Muslime zuzugehen."
Doch für Strähler und ein paar hundert andere Missionare, die sich auf die Mission in islamischen Ländern eingelassen haben, führt kein Weg an der Mission von Muslimen vorbei. "Ich sehe das als Gehorsam gegenüber dem Auftrag, den Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat", erklärt Strähler. "Jesus selbst hat als Zeuge seines Glaubens in der jüdischen Gesellschaft gelebt, und so machen wir es in der muslimischen Gesellschaft auch."
Zeugnis Jesu zu sein, das ist für Missionare wie Strähler der Kern ihres Auftrags. Sie predigen nicht von der Kanzel, sie kommen mit Muslimen ins Gespräch. Sie diskutieren über Religion im Allgemeinen und das Verhältnis von Islam und Christentum im Besonderen. Im Sudan, lächelt Strähler, sei das viel einfacher, als man denkt.
"Gespräche über den Glauben sind was ganz Normales in einer tief religiösen Gesellschaft, das ist anders als etwa in Deutschland, wo Glauben als Gesprächsthema allenfalls toleriert wird." Doch bei aller Offenheit ist Strähler unbeirrt in seinem Auftrag: "Mein Ziel ist es, dass Muslime zu Jüngern Jesu werden."
Todesstrafe für den Abfall vom Islam
Christliche Missionare im Sudan müssen vorsichtig sein. Ihre Arbeit in einem islamischen Land läuft im Privaten ab. Im islamischen Norden Sudans sind alleine schon Informationen über das Christentum Mangelware.
Zwar genießen die christlichen Kirchen im Sudan eine erstaunliche Menge an Privilegien: Sie sind von der Steuer befreit, anerkannte Gemeinden zahlen weder für Strom noch für Wasser. Auch Bibelschulen sind geduldet. Doch der Versuch, Muslime vom Christentum zu überzeugen, wird nicht toleriert.
Noch schlimmeres droht jenen Muslimen, die schließlich zum Christentum konvertieren. Denn auf den Abfall vom Islam steht die Todesstrafe.
Sowohl im Koran als auch in den Hadithen wird kein Zweifel daran gelassen, dass Konvertierte im Diesseits wie im Jenseits verdammt sind. "Tötet den, der seine Religion wechselt", soll Muhammad seinem Cousin Ibn Abbas zufolge gesagt haben. Im Koran selbst heißt es: "Wenn sie... ihre Eide brechen und hinsichtlich Eurer Religion ausfällig werden, dann kämpft gegen die Vorbilder des Unglaubens."
Diejenigen, die sich von ihrer Religion abbringen lassen, so heißt es weiter, werden ewig im Höllenfeuer schmoren. In einer traditionellen islamischen Gesellschaft wie dem Nord-Sudan sind Konvertierte dementsprechend geächtet: Sie werden von Familien oder Freunden verstoßen und müssen sich eine neue Existenz aufbauen, während sie um ihr Leben fürchten.
"Epischer Kampf um die Seelen der Erdenbürger"
Doch solche Folgen halten Missionare nicht davon ab, für den Übertritt zum Christentum zu werben. Von der "muslimischen Herausforderung" spricht der südafrikanische Baptist John Gilchrist, der zahlreiche Bücher über die Mission unter Muslimen veröffentlicht hat.
In einem heißt es: "Es handelt sich um einen epischen Kampf, den Kampf zwischen Islam und Christentum um die Seelen aller Erdenbürger." Seine Konzepte sind weniger martialisch. Gilchrist ermutigt Christen, den Islam verstehen zu lernen und Muslime in ihre Herzen zu schließen. Dies, so sagt er, sei die Grundlage ihrer Mission.
Methodisch schlägt Gilchrist vor, Muslime dort abzuholen, wo sie stehen: Etwa durch die Vergleiche von Bibel- und Koranversen. Über die niedrige Erfolgsquote lässt Gilchrist seine Leser nicht im Unklaren: Übertritte zum Christentum seien selten, und man müsse auf Rückschläge gefasst sein.
Den Bemühungen der Christen, Muslime zu ihrem Glauben zu bekehren, stehen die Muslime jedoch in nichts nach. Im "10/40-Fenster", wie das zwischen Islam und Christentum besonders umkämpfte Gebiet zwischen dem 10. und 40. Grad nördlicher Breite auch genannt wird, bemühen sich Männer wie Abdul darum, Ungläubige – also auch Christen - zum Islam einzuladen.
"Einladung" zum Islam
Abdul sitzt unter einem Mangobaum im Hof der "Dawah Islamiyah" in Juba, der Hauptstadt des Südsudans. Während der Norden ganz überwiegend von muslimischen Sudanesen arabischer Herkunft bewohnt wird, siedeln im Süden afrikanische Ethnien, die Christen sind oder traditionellem Glauben anhängen.
Seit zwei Jahren ist der zwanzigjährige Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd vorbei. Rund um Juba sind Flüchtlingslager entstanden, in denen die Dawah besonders aktiv ist. "Dawah" ist arabisch für "Einladung" – so will Abdul, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, seine Arbeit auch verstanden wissen.
"Wir laden die Menschen ein, an unseren Veranstaltungen teilzunehmen, damit sie sich ein Bild vom Islam machen können." Dazu kommen soziale Projekte vor allem in den Flüchtlingslagern, die Verteilung von Lebensmitteln oder anderen Hilfsgütern. "Wir bieten das alles an, und wer zum Islam übertreten möchte, der kann das tun."
Die Zahl der Muslime in Juba nimmt zu, bestätigen UN-Helfer, die seit Ende des Krieges im Südsudan arbeiten. Sudanesische Rückkehrer aus Uganda oder Flüchtlinge aus Somalia sind der Nukleus der wachsenden islamischen Gemeinschaft.
Dazu kommt, dass die Dawah, anders als die südsudanesische Regierung, handfeste Hilfe leistet. Viele der mittellosen Flüchtlinge sehen darin und in der freien Ausbildung für muslimische Kinder in den Koranschulen Grund genug, sich zum Islam zu bekennen.
"Es ist schon erstaunlich, wie viel die islamische Dawah von der Arbeitsweise der christlichen Mission übernommen hat", wundert sich ein auf Anonymität bedachter christlicher Missionar im Südsudan.
Marc Engelhardt
© Qantara.de 2007
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