Vertreibungs-Pläne befeuern Debatte um AfD
Correctiv hatte am 10.Januar über ein Geheimtreffen von Politikern der in Teilen rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) mit Neonazis berichtet. Sie sollen dabei Vertreibungspläne für Millionen Menschen geschmiedet haben.
Im Zentrum des Treffens in Potsdam stand ein Thema, dass die Teilnehmer als "Remigration" bezeichnen. Der Begriff steht für die Rückkehr von Einwanderern in ihr Herkunftsland und stammt eigentlich aus den Sozialwissenschaften.
Rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise meinen mit "Remigration" Massenabschiebungen und Vertreibungen. Im Einladungsbrief zu dem Treffen war laut Correctiv von einem "Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans" die Rede.
Bei dem Plan geht es nach Angaben von Correctiv zum einen darum, dass Nicht-Deutsche, etwa Asylsuchende und Menschen, die bereits Aufenthaltsrecht genießen, Deutschland verlassen müssten. Auf dem Treffen in Potsdam wurde jedoch auch die Vertreibung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationsgeschichte besprochen, wenn sich diese nicht der Mehrheitsgesellschaft anpassten.
Rechtsextreme Abschiebefantasien
Dies würde gegen die in der deutschen Verfassung festgelegten Grundrechte verstoßen. Zu den Grundrechten gehört, dass "niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf (Grundgesetz Artikel 3).
Die Berichte über das Potsdamer Treffen sorgten deshalb bei Vertretern politischer Parteien von der Linken bis zur konservativ-bürgerlichen CDU/CSU für Empörung. "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", schrieb der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Dürr. Von 1933 bis 1945 vertrieben und ermordeten die Nationalsozialisten Millionen von Menschen, vor allem Juden.
Dass nun öffentlich über "Remigration" und damit über Vertreibungen diskutiert wird, dürften rechtsextreme Kreise als Erfolg verbuchen. Zu ihren Zielen gehört das Bemühen, die gesellschaftliche Debatte so zu verschieben, dass bisher Undenkbares wieder möglich erscheint.
Wer an dem Treffen teilgenommen hat
Laut Correctiv hat der rechtsextreme ehemalige Zahnarzt Gernot Mörig das Treffen organisiert, das am 25.November 2023 im Landhaus Adlon in Potsdam stattfand. Mörig und der Unternehmer Hans-Christian Limmer hätten in ihrem Einladungsschreiben um eine Mindestspende von 5.000 Euro für die Teilnahme gebeten.
Von Seiten der AfD sei unter anderem Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, der Einladung gefolgt, sowie der Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy und der Co-Fraktionsvorsitzende aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Auch zwei Parteimitglieder der konservativen Werteunion in der CDU sollen teilgenommen haben. Ihnen drohte Generalsekretär Carsten Linnemann nun mit "hartem Durchgreifen".
Wichtigster Gast dürfte jedoch Martin Sellner gewesen sein. Der Österreicher gilt als Vordenker der "Neuen Rechten" sowie der rechtsextremen "Identitären Bewegung" und verfügt über eine große mediale Reichweite. In Potsdam sollte er seine Vorstellungen von "Remigration" darlegen.
Sellner hat bereits in Aufsätzen veröffentlicht, was er sich vorstellt. Dabei schrieb er nicht nur, dass primär "Asylbetrüger" und "Nichtstaatsbürger, die eine kulturelle, wirtschaftliche und kriminologische Belastung darstellen", abgeschoben werden müssten. Er schließt auch "nichtassimilierte Eingebürgerte" mit ein.
Wie steht die AfD zum Thema Abschiebungen?
"Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben" - das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz von der sozialdemokratischen SPD im vergangenen Herbst in einem Interview mit dem "Spiegel". Dies Einschätzung teilen viele Politiker der Ampel-Regierung wie auch der oppositionellen CDU/CSU.
Die Forderungen der AfD gehen jedoch deutlich weiter: Bereits seit Jahren sprechen AfD-Politiker von "massenhaften", "millionenfachen" Abschiebungen. Die AfD hat sich dabei auch den Begriff "Remigration" zu eigen gemacht. Doch nicht immer ist klar – oder es wird bewusst unklar gelassen – wen genau dies genau betreffen würde.
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schrieb am 11.Januar auf dem Kurznachrichtendienst X, offensichtlich als Reaktion auf die Enthüllungen über das Geheimtreffen zur Diskussion der Vertreibungspläne: "Wir laden Deutsche mit Migrationsgeschichte ein, zusammen die Wende zum Guten zu schaffen."
Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 hatte die Partei eine "Remigrationsagenda" aufgestellt. Am 10.Januar schrieb die AfD auf X von “konsequenter und unbeirrbarer Remigrationspolitik" und forderte "Passentzug für Kriminelle und Remigration".
Auch die CDU will es erleichtern, Straftätern den deutschen Pass entziehen zu können. Doch das ist rechtlich schwer möglich. Eine Entlassung aus der Staatsbürgerschaft in die Staatenlosigkeit etwa ist nicht erlaubt. Auch anerkannte Flüchtlinge dürfen laut Gesetz nur aus Gründen der "nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" abgeschoben werden.
Warum ein Verbot der AfD umstritten ist
Seit Bekanntwerden der in Potsdam diskutierten Vertreibungspläne sind Stimmen lauter geworden, die ein Verbot der AfD fordern. Laut Umfragen spricht sich etwa die Hälfte der Deutschen für ein Verbotsverfahren aus.
Es gebe gute Gründe, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachte, sagte Thomas Strobl, CDU-Innenminister im Bundesland Baden-Württemberg. "Wenn der Verfassungsschutz und die Sicherheitsbehörden hier ausreichend Erkenntnisse für ein Verbotsverfahren sehen, dann ist die Frage eines Verbots der Partei zu beantworten", so Strobl im Gespräch mit dem Südwestrundfunk.
Nur das Bundesverfassungsgericht kann in Deutschland eine politische Partei verbieten. Zuletzt ist dies im Jahr 1956 geschehen, als die kommunistische KPD verboten wurde. Das Grundgesetz legt fest, dass eine Partei nur dann als verfassungsfeindlich gilt, wenn sie den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder versucht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.
"Wir müssen die AfD mit politischen Mitteln bekämpfen und nicht juristisch", sagte CDU-Chef Friedrich Merz am 12.Januar der "Rhein-Neckar-Zeitung". Man solle der AfD nicht dabei helfen, sich im Rahmen eines Verbotsverfahrens auch noch als Opfer zu gerieren. Die AfD ist derzeit die zweitstärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag. Bei Neuwahlen könnte sie laut Umfragen mit mehr als 20 Prozent der Stimmen rechnen.
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